Essen. RAG-Stiftungschef Tönjes zeigt sich in einem Interview unzufrieden mit dem Aktienkurs von Evonik. Auch zu Thyssenkrupp Steel äußert er sich.
Rund zehn Jahre nach dem Börsengang des Essener Chemiekonzerns Evonik zeigt sich die Großaktionärin RAG-Stiftung unzufrieden mit dem Aktienkurs des Unternehmens. „Der Evonik-Kurs ist in den vergangenen fünf Jahren deutlich zurückgegangen“, sagt Stiftungschef Bernd Tönjes im Gespräch mit dem „Manager Magazin“. „Das ist nicht schön“, fügt er hinzu. Die Stiftung, die auf dem Essener Welterbe-Areal Zollverein residiert, ist Mehrheitseigentümerin von Evonik und hält 54 Prozent der Aktien des Chemiekonzerns, zu dem rund 34.000 Beschäftigte gehören, viele davon in NRW.
Im April 2013 war Evonik mit 33 Euro an der Börse gestartet – jetzt liegt der Aktienkurs deutlich unter 18 Euro. Wenn der Evonik-Kurs um einen Euro sinke, reduziere sich das Vermögen der Essener RAG-Stiftung um rund 250 Millionen Euro, rechnet Tönjes vor. Zugleich betont er: „Wichtiger ist uns aber die jährliche Dividende.“ Die Aufgabe der Stiftung ist, die sogenannten Ewigkeitsaufgaben zu finanzieren, die mit der Schließung von Deutschlands Steinkohlenzechen entstanden sind.
Im Ruhrgebiet müsse die RAG-Stiftung auf Dauer salzhaltiges Grubenwasser abpumpen, damit dieses nicht mit Trinkwasser in Kontakt komme, so Tönjes. Er rechne mit Kosten, die perspektivisch bei unter 300 Millionen Euro pro Jahr liegen. Die Gewinnausschüttung von Evonik ist eine wichtige Einnahmequelle für die Stiftung. Evonik spülte zuletzt mehr als 300 Millionen Euro im Jahr in die Kassen der RAG-Stiftung. Hinzu kommen weitere Einnahmen der Stiftung.
Deutschlands Chemieindustrie befindet sich derzeit stark unter Druck. Auch das Vermögen der Stiftung ist spürbar geschrumpft, aber weiterhin groß. Ende 2022 lag es bei 16,8 Milliarden Euro, wie die Stiftung unlängst mitteilte. Ein Jahr zuvor waren es noch 21,3 Milliarden Euro.
Anteil der RAG-Stiftung an Evonik könnte unter 50 Prozent rutschen
„Die Zeiten sind gerade für Chemiekonzerne in Europa schwieriger geworden“, konstatiert Stiftungschef Tönjes, der auch Aufsichtsratsvorsitzender von Evonik ist. In diesem Zusammenhang verweist Tönjes insbesondere auf die Strompreise am Standort Deutschland, die im Vergleich zu den USA hoch seien.
Die Stiftung ist vor einigen Jahren mit einer 100-Prozent-Beteiligung an Evonik gestartet und hält nun noch etwas mehr als die Hälfte der Anteile. „Evonik ist ein gutes Investment, und als Aufsichtsratschef glaube ich, dass die Strategie des Evonik-Vorstands sehr erfolgversprechend ist“, sagt Tönjes. „Aber wir müssen noch am Börsenkurs arbeiten, der spiegelt das Entwicklungspotenzial des Unternehmens nicht wider“, so Tönjes.
Seit Mai 2017 steht Christian Kullmann an der Spitze des Evonik-Vorstands. Der Vertraute des im Juli 2019 verstorbenen Aufsichtsratschefs Werner Müller hatte den Chemiemanager Klaus Engel als Konzernchef abgelöst.
Es ist absehbar, dass sich der Anteil der RAG-Stiftung an Evonik weiter verringern wird. „Wir haben drei Umtauschanleihen ausstehen. Wenn die alle in Aktien umgetauscht würden, lägen wir schon unter 50 Prozent“, kündigt Tönjes an. „Auf jeden Fall wollen wir signifikanter Anteilseigner bei Evonik bleiben. Wir sehen ja, wo es hinführen kann, wenn es keinen starken Ankeraktionär gibt. So etwas wie beim Chemikalienhändler Brenntag, wo aktivistische Investoren die Aufspaltung fordern, wünschen wir uns für Evonik nicht.“
Wie sich Tönjes zu Thyssenkrupp Steel äußert
Im Bieterwettbewerb um den Essener Energiekonzern Steag hatte die RAG-Stiftung unlängst das Nachsehen. Überraschend bekam die spanische Fondsgesellschaft Asterion den Zuschlag. Die RAG-Stiftung ist ein Bündnis mit dem tschechischen Milliardär Daniel Křetínský eingegangen.
Křetínský gilt auch als interessiert an einer Übernahme von Thyssenkrupp Steel mit großen Stahlstandorten in Duisburg, Bochum und Dortmund. Über eine mögliche Zusammenarbeit in Sachen Thyssenkrupp Steel habe die Stiftung mit Křetínský nicht gesprochen, sagt Tönjes auf Nachfrage im „Manager Magazin“. Grundsätzlich investiere die Stiftung kein Geld in Rohstoff-Aktivitäten. Und Thyssenkrupp Steel sei „nah dran an Rohstoffen“, so Tönjes.