Essen/Duisburg. Großkundgebung bei Thyssenkrupp Steel in Duisburg: Ministerpräsident Wüst macht dem Thyssenkrupp-Management um López eine Ansage.

Angesichts einer Eskalation im Streit von Management und Mitarbeitervertretern um die Zukunft der Stahlsparte von Thyssenkrupp schaltet sich NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ein. „Ich erwarte, dass die Unternehmensführung einen Zukunftsplan aufstellt, der sich an der erfolgreichen Tradition unseres Landes orientiert: Einbindung der Mitbestimmung, enges Miteinander zwischen den Sozialpartnern“, sagte Wüst unserer Redaktion.

„Stahl wird weltweit gebraucht – und Stahl hat auch in Nordrhein-Westfalen eine Zukunft“, betonte Wüst. „Diese Zukunft kann vor allem gelingen, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam den Weg gehen. Ich gehe davon aus, dass die Führung von Thyssenkrupp das bei den anstehenden Aufgaben berücksichtigt. Dies ist unser klarer Anspruch.“

Am vergangenen Freitag hatte Thyssenkrupp mitgeteilt, dass der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky mit seinem Unternehmen EP Corporate Group (EPCG) bei Deutschlands größtem Stahlkonzern einsteigt und zunächst rund 20 Prozent der Anteile übernimmt. Das Ziel sei die Schaffung eines Gemeinschaftsunternehmens, an dem beide Seiten jeweils 50 Prozent der Anteile halten, erklärte Thyssenkrupp-Vorstandschef Miguel López, der von einem „historischen und bedeutenden Schritt“ sprach.

Nasikkol spricht von „kalkulierter Kampfansage“

Führende Arbeitnehmervertreter von Thyssenkrupp erklärten daraufhin, sie fühlten sich übergangen. Konzernbetriebsratschef Tekin Nasikkol sprach von einer „kalkulierten Kampfansage“ des Managements. Für den heutigen Dienstag planen die Arbeitnehmervertreter eine Großkundgebung vor der Konzernzentrale von Thyssenkrupp Steel in Duisburg. Tausende Beschäftigte von Thyssenkrupp Steel werden erwartet.

Der Thyssenkrupp-Vorstand um Miguel López wies Vorwürfe, Arbeitnehmervertreter umgangen zu haben, zurück. „Dies war zu keinem Zeitpunkt der Fall und ist auch künftig nicht beabsichtigt“, erklärte der Vorstand am Montag in einer Mitteilung.

Auch angesichts einer beschlossenen milliardenschweren Staatshilfe ist die aktuelle Entwicklung brisant. Für den Aufbau einer Grünstahl-Produktion in Duisburg soll Thyssenkrupp Steel rund zwei Milliarden Euro aus staatlichen Kassen erhalten – 1,3 Milliarden Euro davon vom Bund. NRW will bis zu 700 Millionen Euro beisteuern – die größte Einzelförderung in der Geschichte des Landes. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Landeswirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) hatten sich für den Aufbau der Grünstahl-Produktion in Duisburg stark gemacht. Die Eigeninvestitionen für das Projekt seitens Thyssenkrupp Steel liegen Unternehmensangaben zufolge bei knapp einer Milliarde Euro.

IG Metall verweist auf staatliche Förderung für Thyssenkrupp Steel

„Wir haben bereits einige Gespräche mit Politikern geführt. Auch die sind sauer und fragen sich natürlich, was jetzt aus der Förderung von zwei Milliarden Euro wird, die das Unternehmen vom Staat erhalten hat”, sagte Knut Giesler, der Chef der IG Metall in NRW.

Die Beschäftigten von Thyssenkrupp Steel müssen Einschnitte befürchten. Das Management von Deutschlands größtem Stahlkonzern hatte vor wenigen Tagen erklärt, das Unternehmen solle für eine deutlich geringere Produktion neu zugeschnitten werden. Bislang seien die Anlagen von Thyssenkrupp Steel auf eine Jahresproduktion von rund 11,5 Millionen Tonnen ausgelegt. Künftig sollen es lediglich neun bis 9,5 Millionen Tonnen sein. Damit fällt fast ein Viertel der Produktion weg. Es werde einen „noch nicht bezifferbaren Abbau von Arbeitsplätzen“ geben, so der Vorstand. Als eine Faustformel in der Stahlindustrie gilt: „Eine Million Tonnen gleich 1000 Arbeitsplätze.“ Große Werke von Thyssenkrupp Steel befinden sich in Duisburg, Bochum, Dortmund und in Südwestfalen.

Ursprünglich hatten die Betriebsräte für den 30. April lediglich eine interne Belegschaftsversammlung im Stadion des MSV Duisburg organisiert, dann aber kurzfristig die Planungen geändert. „Jetzt ist nicht die Zeit für Information, jetzt ist Zeit für Protest“, sagte Ali Güzel, Betriebsratsvorsitzender von Thyssenkrupp Steel am Standort Duisburg-Hamborn, zu dem rund 13.000 Beschäftigte gehören.

Eine Schlüsselfrage: Was wird aus HKM in Duisburg?

Eine Schlüsselfrage mit Blick auf den Stahlstandort Duisburg ist, wie es bei den Hüttenwerken Krupp Mannesmann (HKM) mit rund 3100 Beschäftigten im Süden der Stadt weitergeht. Thyssenkrupp Steel ist mit 50 Prozent an HKM beteiligt, weitere Eigner sind der niedersächsische Stahlkonzern Salzgitter sowie der französische Rohrhersteller Vallourec. Die Lage am Stahlstandort Duisburg betreffe nicht mehr allein Thyssenkrupp, sagt Marco Gasse, der Betriebsratsvorsitzende der Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM). „Die gesamte Region muss zittern.“

Die Essener Krupp-Stiftung, die größte Einzelaktionärin des Ruhrgebietskonzerns, hatte sich erfreut über die Beteiligung der EP Corporate Group am Stahlgeschäft von Thyssenkrupp gezeigt. „Die Stiftung hat großes Vertrauen in den Vorstand um Miguel López und ist weiterhin von dem Potenzial des Unternehmens überzeugt, wieder wettbewerbs- und dividendenfähig zu werden“, hieß es in einer Mitteilung der Stiftung, die von der Kuratoriumsvorsitzenden Ursula Gather geführt wird.

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