Essen. Der Vorschlag, die Mehrwertsteuer für Fleisch zu erhöhen und für Obst und Gemüse abzuschaffen, empört viele, ist aber richtig. Ein Kommentar

Wer die Leute verärgern will, fordert Steuererhöhungen. Wer es sich richtig verscherzen will, fordert Steuererhöhungen auf Fleisch. Insofern hat die „Zukunftskommission Landwirtschaft“ (ZKL) mindestens Mut bewiesen. Das Beratergremium der Bundesregierung in Agrarfragen schlägt vor, die Mehrwertsteuer auf Fleisch vom ermäßigten Satz (7 Prozent) schrittweise auf den regulären Satz von 19 Prozent zu erhöhen. Im Gegenzug soll die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse komplett wegfallen. Da noch immer die große Mehrheit der Deutschen Fleisch isst, rund die Hälfte fast täglich, wird es dafür wenig Beifall aus der Bevölkerung geben. Trotzdem ist dieser Vorschlag, der absehbar wahrscheinlich nicht umgesetzt wird, vollkommen richtig.

Denn mit den Mehreinnahmen sollen die Landwirte dabei unterstützt werden, ihre Betriebe auf bessere Haltungsformen umzustellen. Und der Wunsch nach Fleisch aus besserer Haltung ist längst kein Minderheitenthema mehr: Die Leute greifen in den Supermärkten immer öfter zu Schwein und Rind aus besserer Haltung. Sonst könnte Aldi, Deutschlands führender Discounter,es sich kaum leisten, beim Frischfleisch Rind aus den unteren Haltungsstufen 1 und 2 bereits jetzt aus seinen Regalen zu verbannen. Natürlich soll es trotzdem weiter möglichst wenig kosten. Aber ein Kreis ist nun mal kein Quadrat. Kriegen die Tiere mehr Platz, besseres Futter, Frischluft und auch mal eine Wiese zu sehen, kostet das die Landwirte eben mehr Geld.

Stefan Schulte, Ressortleiter Wirtschaft
Stefan Schulte, Ressortleiter Wirtschaft © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Deshalb betont auch der Bauernverband seit vielen Jahren, Fleisch sei in Deutschland viel zu billig. Ebenso, dass die Landwirte für die Umstellung auf bessere Haltungsformen Unterstützung bräuchten. Entsprechend verrenken musste sich Bauernführer Rukwied nun, die Mehrwertsteuer-Idee schlecht zu finden. Er lehnt sowohl den von Agrarminister Özdemir vorgeschlagenen Tierwohl-Cent als auch die Mehrwertsteuer-Erhöhung ab. Ohne Begründung sagt er einfach: „Das Geld für den Tierwohlumbau muss aus dem Bundeshaushalt kommen.“

Zweckgebundene Steuern wirken am besten

Dabei wirken Steuern immer am zielsichersten und sind auch am besten begründbar, wenn sie einem Zweck dienen, der direkt mit der erhobenen Abgabe zusammenhängt. „Rauchen für die Rente“ etwa war kein guter Slogan. Eine Steuererhöhung auf Fleisch hätte dagegen zwei Effekte, die viele unterschreiben würden: Zum einen wäre sie ein direkter Beitrag der Fleischkonsumenten für eine bessere Haltung der Tiere, die sie als Steak oder Wurst kaufen. Zum anderen würde sie den Anreiz senken, sich täglich von Fleisch zu ernähren, was nachweislich der Gesundheit schadet. Dieser Anreiz ist bisher auch so hoch, weil vor allem Schweinefleisch im internationalen Vergleich in Deutschland extrem billig ist.

Die Logik, die hinter dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz steckt, spräche ebenfalls dafür, den regulären Satz zu erheben. Die ermäßigten sieben Prozent sind für Verbrauchsgüter des täglichen Bedarfs gedacht, damit sich auch Menschen mit geringen Einkommen das leisten können, was sie zum Leben dringend brauchen. Die tägliche Wurst gehört mit dem heutigen Wissen über gesunde Ernährung ganz sicher nicht dazu.

Null Prozent Steuer auf Obst und Gemüse wäre ein wichtiges Signal

Obst und Gemüse dafür umso mehr. Gleichzeitig die Umsatzsteuer auf diese gesunden Produkte komplett zu streichen, wäre ein gutes Signal. Das erlaubt die EU erst seit gut einem Jahr. Sie sieht in der Mehrwertsteuer ausdrücklich ein Instrument, mit dem die Politik auch Anreize für eine gesündere Ernährung setzen kann.

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Dass viele diese Meinung ganz und gar nicht teilen, ist klar - und auch verständlich, schließlich geht es um ihre Gewohnheiten. Die Replik, der Staat und die EU sollten uns bitte nicht vorschreiben, was wir essen sollen, ist weit verbreitet. Das tun sie allerdings auch nicht. So wie die Alkoholsteuer offensichtlich die Leute nicht massenhaft von Bier, Wein und Schnaps abhält und Kettenraucher sich von keiner noch so hohen Tabaksteuer bekehren lassen, wird auch etwas teureres Fleisch die Deutschen nicht über Nacht zu einem Volk aus Vegetariern machen. Der Staat hat aber das Recht und die Pflicht, gesünderes Konsumverhalten dem ungesünderen steuerlich besserzustellen.

Die konservativen Briten machen es mit ihrer Zuckersteuer vor

Dabei ist in Europa übrigens ein ganz und gar nicht linksgrün-versifftes Land Vorreiter: Das konservativ regierte Großbritannien hat mit seiner Zuckersteuer selbst globale Limonaden-Giganten wie Coca-Cola dazu gebracht, den Zuckergehalt deutlich zu senken. Deshalb hat die Sprite in England jetzt dreimal weniger Zucker als Sprite in Deutschland. Das können wir als Ausweis erfolgreich verteidigter Freiheit feiern, so viel Flüssigzucker zu trinken wie wir wollen. Oder als Feigheit vor den Weltkonzernen, deren Produkte unseren Kindern schaden. Dass sie Schokoriegel und Limos auch mit weniger Zucker lieben würden, zeigt die Praxis auf der Insel.