Essen. Niederländische Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Lastenrad-Hersteller. Der ruft ein weiteres Modell zurück und alle anderen zur Inspektion.
Der Massenrückruf seiner Lastenräder entwickelt sich für den niederländischen Hersteller Babboe zu einem Desaster. Darüber hinaus drohen auch strafrechtliche Konsequenzen, Ermittlungen der niederländischen Staatsanwaltschaft gehen Hinweisen auf einen möglichen Skandal um die Vertuschung von Sicherheitsmängeln nach. Demnach sollen gefährliche Mängel an den Fahrradrahmen der zuständigen Sicherheitsbehörde verheimlicht worden sein.
Babboe hat in den Niederlanden bisher 10.000 und in Deutschland rund 5000 Lastenräder wegen Sicherheitsrisiken zurückgerufen. Betroffen sind die Modelle City, City E, Mini und Mini E. Eine konkrete Gefahr lautet erschreckenderweise: Rahmenbruch. Passiert das während der Fahrt, im Zweifel mit ein oder zwei Kindern im Gepäckkasten, kann das fatale Folgen haben. Das Verschweigen dieser Gefahr in der Vergangenheit habe „die Sicherheit der Menschen ernsthaft beeinträchtigt“, erklärt dazu die niederländische Sicherheitsbehörde NVWA. In Deutschland warnen die Verbraucherzentralen und der Fahrradclub ADFC davor, diese Räder weiter zu fahren.
Ältere Räder sollen nicht gratis ausgetauscht werden
Doch dabei bleibt es nicht: Babboe ruft in Deutschland nun auch sein Lastenradmodell „City Mountain“ zurück. Die Sicherheit des Rades könne „nicht garantiert werden“, heißt es in einem Schreiben an die deutschen Babboe-Händler, aus dem das Manager Magazin zitiert. Das Alter der betroffenen Räder ist für die Kundinnen und Kunden demnach von großer Bedeutung: Denn während Räder, die noch keine fünf Jahre alt sind, durch ein neues ersetzt werden sollen, wolle Babboe für ältere Räder nur den Zeitwert beim Kauf eines neuen anrechnen.
Wer nicht sicher ist, ob sein Rad betroffen ist, kann das auf einer eigens dafür eingerichteten Babboe-Seite prüfen, indem er die Rahmennummer eingibt, die dann gecheckt wird. Auch von den genannten Modellen sind nicht alle Exemplare betroffen, sondern zum Teil bestimmte Chargen aus bestimmten Baujahren.
Zweiradverband: Sicherheits-Untersuchungen sind abgeschlossen
Der Verband des deutschen Zweiradhandels (VDZ) betont auf Anfrage unserer Redaktion auch eine positive Nachricht aus dem jüngsten Schreiben von Babboe an seine deutschen Händler: Darin werde mitgeteilt, dass in Abstimmung mit der deutschen Behörde die Untersuchung der Sicherheit aller Modelle inzwischen abgeschlossen sei. „Das bedeutet, dass sich der Rückruf auf die bisher genannten Modelle beschränkt und alle anderen wieder genutzt werden können“, so der VDZ. Die Niederländer empfehlen allerdings, auch diese Räder einmal für eine kostenlose Inspektion zum Händler zu bringen. Die sollen dafür eine Checkliste erhalten.
In den Niederlanden geraten Babboe und sein Mutterkonzern Accell immer mehr in die Defensive: Accell bestätigte am Dienstag, dass die Sicherheitsbehörde NVWA gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft strafrechtliche Ermittlungen wegen möglicher Verfehlungen bei Babboe in den vergangenen Jahren eröffnen werde. Man werde vollumfänglich mit den Behörden kooperieren, um das aufzuklären.
Babboe muss Kündigung von Whistleblower zurücknehmen
Der niederländische Nachrichtensender RTL Nieuws hatte belastende Aussagen von Mitarbeitern veröffentlicht, in denen diese schildern, wie sie zum Teil defekte Rahmen versteckt hätten, bevor die NVWA-Prüfer kamen. Die Zeitung NL Times berichtete über einen Mechaniker, der sich im vergangenen September mit seinen Bedenken an die niederländische Whistleblower-Behörde gewandt hatte, weil seine Hinweise über „lebensbedrohliche“ Sicherheitsprobleme im Unternehmen ignoriert worden seien. Er berichtete der Behörde von Rahmenbrüchen, defekten Lenkern und Sattelstützen. Babboe kündigte ihm daraufhin - musste dies allerdings jüngst auf Geheiß eines Arbeitsgerichts zurücknehmen.
Die Babboe-Mutter Accell erklärte nun, es sei ihr wichtig, Warnungen von Beschäftigten ernstzunehmen und darauf zu reagieren. „Das hätten wir in der Vergangenheit früher und besser machen müssen“, heißt es in der Erklärung des Konzerns. Dem macht der Massenrückruf auch finanziell zu schaffen. Das Unternehmen, dem viele Fahrradmarken gehören, gehört dem US-Finanzinvestor KKR und gilt als hoch verschuldet. Für den Babboe-Rückruf muss Accell nun mit Kosten im dreistelligen Millionenbereich rechnen. Der ehemalige Henkel- und Adidas-Chef Kasper Rorsted gab seinen Posten als Accell-Aufsichtsratschef Anfang März nach nur fünf Monaten wieder ab.
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