Essen. Wer übernimmt Schenker? Konkurrenz hat großes Interesse, besonders Dänemarks Weltkonzern Maersk. Was das für die Jobs bedeuten würde.
Der dänische Reederei-Riese Maersk hat großes Interesse an einer Übernahme der zum Verkauf stehenden Bahn-Tochter Schenker. Der Essener Logistikkonzern wäre ein „perfektes Match“ für Maersk, erfuhr unsere Redaktion aus dem Umfeld des skandinavischen Unternehmens. Mit Schenker könnte Maersk der „Durchbruch“ auf seinem Weg zum Logistik-Allrounder gelingen. Der Konzern aus Kopenhagen will unabhängiger vom reinen Seefrachtgeschäft werden. Auch für Schenker und seine 75.000 Beschäftigten hätte Maersk anderen Interessenten gegenüber Vorteile.
Die Dänen hatten vor zwei Wochen als erste von kolportierten rund 20 Interessenten den Finger gehoben. Konzernchef Vincent Clerc hatte vor Investoren erklärt, ein Gebot prüfen zu wollen - allein schon, weil die Größe des Deals die Weltkarte der Logistiker so oder so verändern werde. Ob er auch ein Angebot abgeben werde, könne er aber noch nicht sagen. Die verbale Zurückhaltung ist den Gepflogenheiten in laufenden Verkaufsprozessen geschuldet. Tatsächlich würden die Dänen ihre seit Jahren laufenden Zukäufe im Logistikgeschäft gerne mit Schenker vervollständigen.
Schenker könnte Maersk unabhängiger von Reederei machen
Denn das Ziel, mehr als die Hälfte des Umsatzes künftig mit klassischer Logistik zu erzielen, würde Maersk mit Schenker auf einen Schlag erreichen. Im vergangenen Jahr erzielte die lange weltgrößte Reederei rund 31 der insgesamt 47,4 Milliarden Euro Umsatz auf dem Meer. Mit dem Schenker-Umsatz von zuletzt rund 20 Milliarden Euro im Jahr würde die Logistiksparte der Dänen das bisherige Kerngeschäft der Reederei überholen.
So oder so zeichnet sich eine Elefantenhochzeit ab, nach der die Rangliste der weltgrößten Logistiker neu geschrieben werden muss. Denn neben Maersk, nach mehreren Zukäufen in den vergangenen Jahren selbst bereits in die globale Logistik-Top-Ten vorgestoßen, wird auch anderen Branchenriesen Interesse an Schenker nachgesagt. Allen voran der Schweizer MSC, die Maersk im vergangenen Jahr beim Frachtvolumen als weltgrößte Reederei abgelöst hat. Ebenso der Post-Tochter DHL, dem dänischen Logistik-Riesen DSV und dem Schweizer Konkurrenten Kühne & Nagel.
Auch Finanzinvestoren aus den USA, Europa, China und Arabien sollen Interesse angemeldet und die Verkaufsunterlagen eingesehen haben. Ein Börsengang gilt derzeit als unwahrscheinlich. Für die Bundesregierung, vor allem Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) wird der Preis ein entscheidendes Kriterium sein. Bei ausländischen Investoren wird aber auch das Haus von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mitreden, weil es den Verkauf nach dem Außenwirtschaftsgesetz prüfen muss.
Schlechte Karten für arabische und chinesische Fonds
Zuletzt stand Habeck vor allem bei chinesischen Investoren auf der Bremse. So untersagte er den Verkauf des Dortmunder Chipherstellers Elmos an eine schwedische Firma in chinesischer Hand. Aktuell in der Schwebe ist auch der Griff des chinesischen Gasturbinen-Herstellers CSIC Longjiang nach der Oberhausener Turbinenfertigung der VW-Tochter MAN Energy Solutions. Habecks Zustimmung gilt als fraglich.
Der im Januar durch die Deutsche Bahn gestartete Verkaufsprozess soll laut Handelsblatt bereits in den kommenden Wochen eine Vorentscheidung bringen. Am 20. März trifft sich der Bahn-Aufsichtsrat. Die Bundesregierung will mit dem Verkauf von Schenker die Schulden des Staatsunternehmens abbauen und dringend benötigte Investitionen ermöglichen. In Finanzmarktkreisen wird der mögliche Kaufpreis auf zehn bis 15 Milliarden Euro taxiert.
Maersk und MSC haben Kassen in der Coronakrise gefüllt
Bei einem Bieterwettbewerb könnten es auch mehr werden. Denn vor allem bei den Großreedereien dürfte es nicht am verfügbaren Geld scheitern. Die von gestörten Transportketten geprägten Corona-Jahre haben ihnen dank explodierter Preise für Seecontainerfrachten die Kassen prall gefüllt. Maersk etwa erzielte 2022 einen außerordentlichen Nettogewinn von umgerechnet rund 27 Milliarden Euro. Abzüglich eines guten Drittels an ausgeschütteter Dividende bleibt allein davon genügend Geld für den Schenker-Deal. Beim Schweizer Konkurrenten MSC sieht es ähnlich aus, die Schweizer erzielten allein 2022 rund 36 Milliarden Euro Gewinn.
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Dass der jüngste Preisrutsch bei Seecontainern der Branche aktuell schwer zu schaffen macht, wäre für Maersk erst recht ein Grund, sein Logistik-Standbein entscheidend zu stärken. Es ist deutlich stabiler als die Frachtschiffahrt mit ihren extrem schwankenden Preisen. In den Corona-Jahren teils in absurde Höhen gestiegen, sackten die Preise ebenso steil wieder ab, weil die Reeder während der Engpässe so viele Container kauften wie sie konnten - was nun zu Überkapazitäten führt.
Maersk hat weltweit rund 100.000 Beschäftigte, in Deutschland sind es nur rund 2000, die meisten in der Hamburger Zentrale. Die Dänen sind in der Logistik bereits sehr stark unterwegs in Fernost, Indien und Amerika, aber nicht in Europa. Umso stärker ist hier Schenker als europaweit drittgrößter Logistiker. Infrastruktur, Fuhrpark und Warenverteilzentren würden sich eher ergänzen als überflüssig machen. Für die Sicherheit der Arbeitsplätze bei Schenker wäre das ein Vorteil vor allem gegenüber dem deutschen Marktführer DHL, aber auch Kühne & Nagel und DSV.
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Laut Handelsblatt führt Maersk dies bei seiner Bewerbung in Berlin auch ins Feld. Denn da die Entscheidung maßgeblich in der Bundesregierung getroffen wird, dürften neben einem möglichst hohen Preis auch Jobgarantien eine Rolle spielen. Die könnten freilich auch Finanzinvestoren bieten.
Da Maersk mit rund 2000 Beschäftigten bisher auch vergleichsweise wenig Personal in Deutschland hat und in der Hansestadt gerade erst die Zentrale der übernommenen Reederei Hamburg Süd in seine integriert hat, dürfte die erst vor wenigen Jahren gebaute Essener Schenker-Zentrale mit ihren 700 Arbeitsplätzen nicht zur Disposition stehen. Auch im Duisburger Hafen, wo Schenker stark vertreten ist und Maersk erst im vergangenen Jahr ein neues Logistikzentrum eröffnet hat, ist Branchenkennern zufolge nicht mit großen Überkapazitäten nach einer möglichen Fusion zu rechnen.