Essen. Wie ist Homeoffice im Ruhrgebiet geregelt? Die Unterschiede sind groß, zeigt eine Umfrage. Stadtverwaltungen und Firmen im Vergleich.

  • 84 Prozent der deutschen Unternehmen halten an Homeoffice-Regeln fest
  • Homeoffice bei Firmen im Ruhrgebiet reicht von 100 Prozent bis zu sechs Tagen im Monat
  • Sicherheitsfirma aus Bochum benennt IT-Schwachstellen des Homeoffice

Arbeitsweg von unter einer Minute, die Mittagspause mit dem Partner verbringen und Flexibilität bei der Kinderbetreuung – diese und viele weitere Vorteile des Homeoffice sind auch für Unternehmen und Stadtverwaltungen im Ruhrgebiet unbestreitbar, wie eine Umfrage unserer Redaktion zeigt. Von sechs Tagen pro Monat bis zu 100 Prozent Heimarbeit und der Videokonferenz aus der Hängematte in Bali, alles ist möglich. Die Errungenschaft der Corona-Pandemie hilft Beschäftigten dabei, ihren Arbeitsalltag zu strukturieren und nach ihren Vorstellungen, abseits des Büros, zu gestalten. Studien belegen, dass im Homeoffice die Zufriedenheit der Beschäftigten steigt, sie weniger krank sind und seltener kündigen.

Doch seit März 2022 gibt es das Recht auf Homeoffice nicht mehr, Regeln hängen von Verträgen und Absprachen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ab. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck möchte nun einen erneuten Rechtsanspruch auf flexibles Arbeiten prüfen. Der Unternehmerverband spricht sich klar dagegen aus und fordert „individuelle Maßnahmen statt Bevormundung“.

Denn es gibt auch Nachteile, wie die TÜV Cybersecuritystudie aufzeigt: Gut jedes vierte Unternehmen hält es für realistisch, dass mobiles Arbeiten erhebliche IT-Sicherheitsprobleme verursacht. Arbeitgeber im Ruhrgebiet sehen weitere Probleme in der Vermengung von Privatem und Beruf sowie in einem geringeren sozialen Zusammenhalt zwischen den Kollegen. Weltweit entscheiden sich einige Firmen dazu, ihre Mitarbeitenden in die Büros zurückzuholen, sprich: Homeoffice Stück für Stück aufzulösen. Wie ist das mobile Arbeiten im Ruhrgebiet geregelt? Unsere Redaktion hat sich bei den NRW-Firmen, Stadtverwaltungen und Beschäftigten umgehört.

Unternehmen wie SAP, Zoom und Roblox ändern Homeoffice-Regeln

Viele große Firmen, auch aus der Technologie-Branche, nehmen ihre bisherige Regelung für Homeoffice zum Teil oder sogar ganz zurück und fordern eine zumindest teilweise „Rückkehr ins Büro“. Ein namhaftes Beispiel ist der Softwarekonzern SAP: Die Beschäftigten müssen wieder drei Tage pro Woche im Büro oder vor Ort bei Kunden anwesend sein. Ebenso bemerkenswert: Im letzten Jahr erklärte Zoom, bekannt als Dienstleister für Videokonferenzen, dass Mitarbeitende, die weniger als 80 Kilometer vom Büro entfernt wohnen, in Teilzeit wieder in Präsenz arbeiten müssen. Beide Unternehmen sehen die Hybridarbeit als zukünftiges Modell. Die Online-Spieleplattform Roblox stellte ihren Beschäftigten ein Ultimatum: Entweder drei Tage Anwesenheitspflicht oder eine Abfindung, heißt es in einem Statement von Geschäftsführer David Baszucki.

Zahlreiche große Unternehmenn nehmen die Homeoffice-Regelungen stückweise zurück – 84 Prozent wollen bei ihren Regeln bleiben. (Symbolbild)
Zahlreiche große Unternehmenn nehmen die Homeoffice-Regelungen stückweise zurück – 84 Prozent wollen bei ihren Regeln bleiben. (Symbolbild) © DPA Images | Sebastian Gollnow

Deutliche Mehrheit der deutschen Firmen ändert Homeoffice-Regeln nicht

Nach Umfrage des ifo-Instituts möchten 84 Prozent der deutschen Unternehmen ihre Regeln zum Homeoffice beibehalten. Dabei habe sich das Konzept fest in der Arbeitswelt etabliert, sagt Simon Krause vom ifo-Institut. Ein Drittel aller Firmen habe eine Betriebsvereinbarung zum Homeoffice geschlossen (34,1 Prozent). Gleichzeitig hätten 31,2 Prozent entweder keine Regelung oder würden gar kein Homeoffice anbieten. Größere Unternehmen (55,3 Prozent) hätten häufiger eine Vereinbarung als kleinere und mittlere Betriebe (23,8 Prozent).

Ist die „Rückkehr ins Büro“ statt Homeoffice eine Option für Firmen im Ruhrgebiet?

Zwölf Unternehmen aus dem Ruhrgebiet haben auf die Anfrage unserer Redaktion geantwortet. Ihre Regeln sind sehr unterschiedlich: Beim Essener Baukonzern „Hochtief“ legt ein Tarifvertrag die mobile Arbeit fest, „der den Beschäftigten sechs Tage Homeoffice im Monat ermöglicht“ – Änderungen seien nicht geplant. Aldi Süd erklärt hingegen, dass Verwaltungsmitarbeitende überall dort, wo es die Tätigkeit erlaube, flexible Arbeitszeiten und bis zu 100 Prozent mobiles Arbeiten machen könnten. Ein besonderes Konzept gibt es bei der Reiseplattform Urlaubsguru: Dort gebe es 120 mobile Arbeitstage, jedoch zusätzlich 60 Tage, die zur Arbeit im Ausland zur Verfügung stünden. „Im letzten Jahr hat beispielsweise eine Kollegin zwei Monate von Bali aus für Ulaubsguru gearbeitet“, berichtet Pressesprecherin Annika Hunkemöller.

  • Bitmarck: „Mitarbeitende von Bitmarck können bis zu drei Tage in der Woche mobil arbeiten. Wir sehen aktuell keinen Anlass, das bestehende erfolgreiche Modell zu verändern.“
  • Deichmann: „Unsere Beschäftigten können – abhängig von Bereich und Tätigkeit – bis zu zweimal wöchentlich im Homeoffice arbeiten. Auf die gesunde Mischung kommt es an!“
  • Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See: „Zur Zeit arbeiten rund 25 Prozent der Beschäftigten (2500) im Verwaltungsdienst im Homeoffice. Zusätzlich arbeiten rund 2000 Beschäftigte (20 Prozent) in unterschiedlicher Ausprägung mobil.“
  • Eon: „Jedes Team kann eigenverantwortlich eine passende Arbeitsumgebung unter Berücksichtigung lokaler Regelungen, betrieblicher Interessen sowie den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeitenden gestalten. Es gibt auch Bereiche im Konzern, in denen aufgrund der Natur der Tätigkeit Heimarbeit nicht oder nur eingeschränkt möglich ist.“
  • Evonik: Über ein Viertel (5600) der Mitarbeiter von Evonik in Deutschland hätten sich für mobile Arbeit zwischen 40 bis 60 Prozent entschieden. „Im Frühjahr 2023 hat Evonik den maximal möglichen Anteil mobiler Arbeit von 50% auf bis zu 60% erhöht. Wir möchten möglichst an einer hybriden Lösung festhalten, um von den Vorteilen aus beiden Welten zu profitieren.“
  • G Data Cyberdefense: „Je nach Tätigkeitsbereichen ist Homeoffice von null bis hundert Prozent möglich.“ Es werde nach Absprache ein individueller Homeoffice-Prozentanteil für jeden Mitarbeitenden festgelegt.
  • Opta Data: „Die Beschäftigen, deren Job es zulässt, können zwei bis drei Tage in der Woche von Zuhause aus arbeiten. Insgesamt stellen wir fest, dass viele Kolleginnen und Kollegen einfach gerne wieder vor Ort sind. Sie suchen Nähe, Austausch, Sparring und konstruktiven Dialog.“
  • Tedi: „Das aktuelle Modell in der Zentrale Dortmund gewährt zwei Tage mobil und drei Tage physische Präsenz im Büro. In einigen Abteilungen wird nur in Ausnahmefällen mobil gearbeitet.“
  • Thyssenkrupp: „Im thyssenkrupp Quartier in Essen wurde die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsmodus zwischen Präsenz- und Homeoffice-Tagen in die Verantwortung der jeweiligen Teams übertragen. Die große Mehrheit der Mitarbeitenden kann sich aber eine Teils/Teils-Lösung gut vorstellen. Im Schnitt sind unsere Mitarbeitenden zwei bis drei Tage pro Woche im Büro.“

Stadt Gelsenkirchen und Bochum bieten Beschäftigten doppelt so viel Homeoffice wie Düsseldorf

Im Städtevergleich reicht die Spannweite der Homeoffice-Regelungen von potenziell 100 Prozent in Gelsenkirchen bis zu 16 Stunden wöchentlich in Düsseldorf. Dabei verweisen alle Städte auf die Vereinbarkeit der Tätigkeit. Generell nehmen zahlreiche Beschäftigte auch hier die vereinbarten Regelungen zur mobilen Arbeit an. Die Städte ziehen eine Rückkehr ins Büro nicht in Betracht.

  • Bochum: „Die Mitarbeitenden können den Ort der Arbeitserledigung frei wählen. Hierbei muss die Tätigkeit Aufgaben umfassen, die an dem gewählten Ort erledigt werden können. Die Distanzarbeit darf 80 % der monatlichen Arbeitszeit nicht überschreiten.“ Dabei nehme über die Hälfte der Beschäftigten das Angebot an.
  • Dortmund: „Abhängig von den jeweiligen konkreten Tätigkeiten ermöglicht die Arbeitgeberin Stadt Dortmund mobile Arbeit von regelmäßig bis zu 50 Prozent der individuellen Arbeitszeit. Rund 2.000 Beschäftigte arbeiten täglich mobil.“
  • Duisburg: „Je nach Fachbereich kann mit einem großen Anteil der Arbeitszeit mobil gearbeitet werden.“
  • Düsseldorf: „Die Aufgaben können bis zu 16 Stunden wöchentlich ortsunabhängig außerhalb des Büros erledigt werden. Darüber wird den Beschäftigten seit dem Jahr 2002 die Möglichkeit gegeben, im Rahmen der alternierenden Telearbeit an festgelegten Tagen die Aufgaben von zu Hause aus zu erledigen.“
  • Essen: „Die Stadt Essen bietet zwei Varianten mobiler Arbeit – 4250 Beschäftigte nutzen mindestens eine davon: Homeoffice (bis zu 60% der Arbeitszeit mit Einzelvereinbarung); Mobile Office (formlos, flexibel und ohne Begrenzung in Abstimmung mit der Leitungsebene).
  • Gelsenkirchen: „Es gibt keine starre Obergrenze für Homeoffice/mobile Arbeit – es könnten theoretisch bis zu 100% der wöchentlichen Arbeitszeit in Homeoffice/mobiler Arbeit verrichtet werden.“
  • Oberhausen: „Bei der Stadtverwaltung Oberhausen wird zurzeit zwischen „Alternierender Teleheimarbeit“ und „Mobilem Arbeiten“ unterschieden. Im Rahmen des Mobilen Arbeitens können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in Absprache mit der Bereichsleitung, zeitlich flexibler und in der Regel im Homeoffice arbeiten.“

Facebook-Umfrage: WAZ-Leser sehen Vorteile von Homeoffice und Bürotagen

An einer Facebook-Umfrage unserer Redaktion beteiligten sich zahlreiche Leserinnen und Leser. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt: „Wie seht ihr die Rückkehr ins Büro?“ Nils Gallasch antwortet: „Vier Tage arbeite ich im Homeoffice und will es nicht mehr missen. Leider muss ich einen Tag ohne jeglichen Mehrwert ins Büro kommen.“ Ähnlich äußert sich Lila Laura: Sie sei drei von vier Tagen im Homeoffice und ihrem Arbeitgeber dankbar dafür. „Es nimmt einem eine gewisse Sorge! Mit einem Kleinkind ist Flexibilität unglaublich wichtig.“ Trotzdem liebe sie den Tag im Büro. Doris Adler schreibt: „Bei uns wurde Homeoffice von drei auf zwei Tage die Woche reduziert“, es sei schade, weil es auch die Umwelt entlastet habe. Bärbel Riegert-Boos ist zu 50 Prozent im Homeoffice: „Ich mag den persönlichen Kontakt im Büro, aber daheim wird effizienter gearbeitet“ – das sei Fakt.

Homeoffice erhöht die Gefahr für Cyberkriminalität – eine Sicherheitsfirma gibt Tipps

Mobiles Arbeiten und Homeoffice stellen ein hohes Risiko für die IT-Sicherheit von Unternehmen dar. (Symbolbild)
Mobiles Arbeiten und Homeoffice stellen ein hohes Risiko für die IT-Sicherheit von Unternehmen dar. (Symbolbild) © DPA Images | Sebastian Gollnow

Auf Nachfrage unserer Redaktion nennt G Data konkrete Schwachstellen des mobilen Arbeitens: Hierbei könnten Privatgeräte, die geschäftlich genutzt werden, ein Sicherheitsrisiko darstellen, ebenso wie eine fehlende Sicherheitssoftware, unsichere Programme und mangelnde Updates. Interne Dokumente und vertrauliche Gespräche sollten gut geschützt und nicht in die Öffentlichkeit getragen werden. Insbesondere im Homeoffice sei die IT-Sicherheit für Unternehmen nur schwer kontrollierbar. „Viele Menschen sind zu Hause oder unterwegs unbewusst weniger vorsichtig als im Büro“, heißt es von G Data.

IT-Sicherheit trotz mobilen Arbeitens zu gewährleisten, ist die Herausforderung für viele Unternehmen und Städte – auch im Ruhrgebiet. Thyssenkrupp hat hierfür das konzerneigene Cyber Defense Center (CDC), wo gezielt Schwachstellen der Systeme von Experten analysiert werden, um Kriminellen zuvorzukommen. Hinzu kommen bei allen Firmen flächendeckend Verschlüsselungen, Authentifizierungen und Schulungen, die Beschäftigte für Cyberkriminalität sensibilisieren sollen.