Duisburg. Duisburg will zum zweiten Mal in Folge die Gewerbesteuer senken. Warum der Nachbar Oberhausen den Schritt nicht mitgehen kann.

Der Abschied von der Kohle und das Schrumpfen der Schwerindustrie haben Duisburg besonders zugesetzt. „Trotz aller Anstrengungen in der Vergangenheit fehlen rund 20 bis 30.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Duisburg. Die werden nicht mehr im industriellen Kern entstehen, sondern in wissensbasierten Dienstleistungsbranchen. Da sind Städte wie Essen und Dortmund aktuell weiter als Duisburg“, sagt Rasmus Beck, Chef der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Duisburg Business & Innovation.

Der Druck auf die Stadt ist also hoch, neue Unternehmen anzulocken und bereits ansässigen Firmen Wachstumsanreize zu geben. Um das Investitionsklima zu verbessern, hat Oberbürgermeister Sören Link (SPD) die große Koalition im Rat der Stadt ins Boot geholt, um die Gewerbesteuer zu senken. Zum zweiten Mal in Folge. Bis zum Jahr 2022 galt in Duisburg ein Hebesatz von 520 Prozent. 2023 wurde er bereits auf 515 gedrosselt. 2024 soll er 505 betragen und 2025 unter die magische Grenze von 500 auf 495 fallen.

„Duisburg für Neuansiedlungen noch spannender“

„Die Senkung der Gewerbesteuer wird die ansässigen Unternehmen entlasten und auch dazu führen, dass Duisburg nun auch für Neuansiedlungen noch spannender wird“, ist Oberbürgermeister Link überzeugt. Der SPD-Politiker betont zugleich, dass es sich bei der Entlastung nicht um ein Strohfeuer handele. „Das ist ein Zeichen an die Wirtschaft, dass wir uns das leisten können“, sagt er. Weil Duisburg in der Vergangenheit hoffnungslos verschuldet war, sah sich die Stadt gezwungen, die Einnahmen zu erhöhen und die Steuerschraube immer weiter nach oben zu drehen.

So reagiert Oberhausens OB Daniel Schranz (CDU)

Wie bewerten Sie und die Verwaltung den Plan des Duisburger Oberbürgermeisters Sören Link, den Gewerbesteuerhebesatz zu senken?

Daniel Schranz: Die geplante Gewerbesteuersenkung in Duisburg hat für Oberhausen zwei Seiten: Ich kann den Plan leicht nachvollziehen, es ist ein gutes Instrument zur Wirtschaftsförderung. Auf der anderen Seite ist der Gewerbesteuerhebesatz natürlich ein nicht unwichtiger Standortfaktor; insofern kann es uns nicht gleichgültig sein, wenn Nachbarstädte niedrigere festlegen können als wir.“

Wie haben sich die Gewerbesteuereinnahmen in Oberhausen entwickelt?

Schranz:Oberhausens Gewerbesteuereinnahmen haben sich – mit Ausnahme der Pandemiezeit – in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt. Nach einem Rekord in 2022 können wir im laufenden Jahr mit rund 151 Millionen Euro einen weiteren Rekord verzeichnen.

Würde Oberhausen den Gewerbesteuerhebesatz gern senken?

Schranz:Wir wollen unsere Wirtschaft stärken – ein niedrigerer Gewerbesteuerhebesatz wäre dafür sehr wünschenswert, und darin ist sich auch die Oberhausener Stadtpolitik einig. In der derzeitigen Haushaltslage und mit der bisher von Bund und Land nicht gelösten Altschuldenproblematik ist eine Senkung in der nahen Zukunft leider nicht wirklich realistisch.

Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise hatte Duisburg im Jahr 2012 einen Berg von Kassenkrediten in Höhe von 1,8 Milliarden Euro aufgetürmt. Nach Angaben von Stadtdirektor Martin Murrack konnte die Verschuldung auch dank des Stärkungspakts des Landes NRW halbiert werden. Seit 2021 erwirtschaft die Stadt wieder positive Ergebnisse. „Mit der Rückführung der Überschuldung ist in Duisburg ein fundamentaler Kurswechsel möglich. Wir können wieder in Personal investieren und im kommenden Jahr fast 400 Auszubildende einstellen“, zeigt sich OB Link zufrieden.

Düsseldorf verlangt noch weniger Gewerbesteuer

Duisburg senkt die Gewerbesteuer aber nicht nur, weil die Stadt den finanziellen Spielraum sieht. „Wir beobachten natürlich auch, was sich bei unseren Nachbarn tut“, erklärt Stadtdirektor Murrack. „Mülheim, Oberhausen oder Essen planen keine Senkung der Gewerbesteuer. Der geringe Hebesatz in Düsseldorf stellt uns aber schon vor Herausforderungen.“ In der Tat: Mit einem Hebesatz von 440 Prozent lebt es sich für Unternehmen in der Landeshauptstadt deutlich günstiger.

Und nicht nur das. Das „reiche“ Düsseldorf verzichtet auch familienfreundlich auf Gebühren für Kindertagesstätten, was die Revierstädte zusätzlich wurmt. Auch hier reagiert Duisburg. Stadtdirektor Murrack: „Die Gewerbesteuer ist nur ein Mosaiksteinchen. Um attraktiver für Familien zu werden, haben wir die Kita-Gebühren gesenkt, die Gebühren für den offenen Ganztag praktisch abgeschafft und sind gerade dabei, Schulgebäude zu sanieren oder neu zu bauen.“

Oberbürgermeister Sören Link (SPD) will die Gewerbesteuer in Duisburg senken.
Oberbürgermeister Sören Link (SPD) will die Gewerbesteuer in Duisburg senken. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Angesichts der günstigen Bedingungen im Rheinland wünscht man sich in Duisburg freilich, dass sich das gesamte Ruhrgebiet das Image der Hochsteuer-Metropole abstreifen könnte. Doch es gibt Grenzen. „Städte, die in der Haushaltssicherung sind, können die Steuern gar nicht senken. Das ist ein Teufelskreis, den Bund und Land endlich stoppen müssen“, fordert Murrack im Hinblick auf die versprochene, aber längst noch nicht absehbare Altschuldenlösung.

Altschuldenfrage weiter nicht gelöst

Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link findet dafür klare Worte: „Im Ruhrgebiet gibt es zum Glück vielfältige Bemühungen, an einem Strang zu ziehen. Wir haben alle begriffen, dass Zusammenarbeit etwa bei der Ansiedlung von Unternehmen zum Erfolg führt“, sagt er. „Umso mehr ärgert es mich, dass Bund und Land diesen Weg der Gemeinsamkeit konterkarieren, indem sie die Altschuldenfrage nicht lösen. Viele Ruhrgebietsstädte leiden eklatant darunter und können auch deshalb die Gewerbesteuer nicht senken.“

Der vergünstigte Hebesatz hat die Einnahmen aus der Gewerbesteuer übrigens nicht geschrumpft. In den vergangenen zehn Jahren hat die Stadt Duisburg die Erträge nahezu verdoppelt. Mit den Einnahmen in Höhe von 333,8 Millionen aus dem Jahr 2022 liegt die Hafenstadt gleichwohl noch weit hinter dem Nachbarn Düsseldorf und anderen zurück. Wirtschaftsförderer Beck sieht die 500.000-Einwohner-Stadt dennoch auf einem guten Weg. „Die grüne Transformation lockt schon jetzt neue Unternehmen nach Duisburg“, sagt er. „Wir wollen Europas Hotspot für Wasserstoff und die grüne Transformation werden.“

>>> So hoch sind die Gewerbesteuer-Hebesätze im Jahr 2023
Oberhausen: 580
Mülheim: 580
Duisburg: 515
Bochum: 495
Dortmund: 485
Essen: 480
Gelsenkirchen: 480
Düsseldorf: 440