Essen. Auch die achte Tarifrunde im NRW-Großhandel brachte kein Ergebnis. Verdi und Arbeitgeber zerstritten. Wie das in den Supermärkten spürbar wird.

In den Regalen der meisten Supermärkte werden auch in den Adventswochen weiter kleinere und größere Lücken klaffen. Das Warum erklärt dieser Slogan der Gewerkschaft Verdi: „Weihnachten steht vor der Tür, wir auch!“ Gemeint sind Beschäftigte sowohl im Einzelhandel als auch im Großhandel in NRW. Während sich Arbeitsniederlegungen in den Supermärkten in Grenzen halten, treffen die seit Monaten dauernden Warnstreiks in den Zentrallagern die Lebensmittelhändler umso mehr: Einzelne Artikel oder ganze Produktgruppen sind mal für Tage, mal für Wochen nicht lieferbar.

Nachdem auch die achte Tarifrunde für die rund 300.000 Beschäftigten im Groß- und Außenhandel gescheitert ist, seien „Streiks in der Weihnachtszeit unausweichlich“, erklärte Henrike Eickholt, Fachbereichsleiterin für den Handel in NRW. Die vielen selbstständigen Rewe- und Edeka-Händler sowie die Discounter müssen damit rechnen, dass sie ihren Kundinnen und Kunden auch vor dem Fest nicht das volle Sortiment bieten können. Das beschert den Frauen und Männern, die in den Märkten die Waren in die Regale räumen, derzeit jede Menge Fragen von der Seite, wann denn der Reibekäse, die Salzbrezeln oder das Klopapier wieder zu haben seien.

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Die Zweifel, ob es in diesem Jahr überhaupt noch einen Abschluss gibt, wachsen mit jeder ergebnislosen Runde – zumal der Ton danach immer unversöhnlicher wird. Am vergangenen Freitag ließ zumindest die mehr als zehnstündige Dauer der Gespräche vermuten, dass beide Seiten auf Ziel verhandeln würden, wie es im Tarifjargon heißt, wenn bis spät in den Abend in großen und kleinen Runden gerungen wird. Nachdem sie dann erneut ohne Einigung auseinander gingen, machten sich Arbeitgeber und Gewerkschaft gegenseitig für das erneute Scheitern verantwortlich. Verdi habe die Verhandlungen abgebrochen, beklagte der Arbeitgeberverband, die Gewerkschaft das Gegenteil.

Verbessertes Angebot reichte Verdi nicht

Die offiziellen Mitteilungen von Verdi und Großhandels-Arbeitgeberverband ließen Außenstehende noch nicht einmal klar erkennen, ob und was denn nun angeboten wurde. Ihr sei „weiterhin offiziell kein verbessertes Angebot“ vorgelegt worden, kritisierte Verdi-Verhandlungsführerin Silke Zimmer. Ihr Gegenüber Michael Grütering erklärte dagegen, eine Erhöhung um 7,0 Prozent ab Dezember plus 1000 Euro Inflationsprämie geboten zu haben. Im Mai hätten die Tarife um weitere 3,1 Prozent steigen und 200 Euro Inflationsausgleich hinzukommen sollen. „Zum Entsetzen der Arbeitgeberkommission“ habe Verdi dieses Angebot abgelehnt.

Die Gewerkschaft nannte dieses neue Angebot nicht, weil es nicht offiziell, sondern nur in den Sondierungen vorgelegt worden sei, wie unsere Redaktion auf Nachfrage erfuhr. Es entstünde das Bild, „dass die Arbeitgeber nur einen Tarifabschluss tätigen wollten, der für die Beschäftigten weitere hohe Reallohnverluste zur Folge gehabt hätte“, heißt es in der Verdi-Mitteilung.

Stimmt das? Die Antwort ist nicht einfach. Die meisten Arbeitgeber zahlen seit September freiwillig 5,1 Prozent mehr – nach vier Nullmonaten von Mai bis August. Die sieben Prozent von Dezember bis April würden auf zwölf Monate gerechnet im Durchschnitt rund 4,2 Prozent monatlich bedeuten. Tabellenwirksam blieben freilich die 7,0 Prozent, was sich in den Folgejahren positiv auswirken würde.

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Für die Reallohnentwicklung muss man die Teuerung gegenrechnen. Die Inflationsrate in NRW ist von Mai bis November von 5,7 auf 3,0 Prozent gesunken, die Prognosen gehen davon aus, dass sie im neuen Jahr unter drei Prozent sinken wird. Bliebe sie bis April konstant bei drei Prozent, läge sie im Tarifzeitraum Mai 2023 bis April 2024 durchschnittlich knapp über vier Prozent, aber unter den durchschnittlich gebotenen 4,2 Prozent. Auch die 3,1 Prozent ab Mai 2024 sollten den Prognosen zufolge knapp über der Teuerungsrate liegen.

Arbeitgeber: Ohne schnelle Einigung kein Inflationsprämie mehr in diesem Jahr

Wie es nun weitergeht in den Tarifgesprächen, ist offen. Die Arbeitgeber erklärten, ihr Angebot gelte noch bis Freitag, 8. Dezember. Nur dann sei es möglich, die angebotene Inflationsausgleichprämie, die der Staat von allen Steuern und Abgaben befreit, noch im Dezember auszuzahlen. Gleichzeitig warnen sie, den Tarifkonflikt bis ins nächste Jahr zu tragen, weil sich die wirtschaftliche Lage zusehends verschlechtere.

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Verdi-Verhandlungsführerin Silke Zimmer klang jedoch nicht so, als würde sie sich unter Druck setzen lassen: „Die Beschäftigten im Groß- und Außenhandel sind wütend. Sie warten seit acht Monaten auf einen Tarifabschluss und damit auf eine nachhaltige Verbesserung ihrer Einkommen“, erklärte sie nach der gescheiterten achten Runde. Es sind ihre vorerst letzten Tarifverhandlungen in NRW, nachdem sie in den Bundesvorstand der Gewerkschaftszentrale in Berlin aufgestiegen ist.