Berlin/Frankfurt. Der Leiter der Privatkundenbank bei der Postbank über Fehler beim IT- und Service-Chaos – und Entschädigungen von betroffenen Kunden.

Hinter der Postbank liegen einige sehr schlechte Monate. Bei der Übertragung der Postbank-IT auf die Systeme der Deutschen Bank gab es erhebliche Pro­bleme. Die Folge: Kunden konnten teilweise nicht auf ihre Konten zugreifen, der Kundenservice war kaum erreichbar. Nach monatelangem Ärger und Tausender Kundenbeschwerden prüft mittlerweile die Finanzaufsicht Bafin, "ob aufsichtlich relevante Mängel" bestehen. Nicht nur eine seltene, sondern in der Form auch ungewöhnlich harsche Rüge der Bonner Wächterbehörde. Im Interview erklärt Lars Stoy, Chef der Privatkundenbank der Deutschen Bank und Postbank in Deutschland, was schief gelaufen ist und ob Kunden auf Entschädigungen hoffen können.

Herr Stoy, viele tausend Postbank-Kunden ärgern sich seit Monaten über den schlechten Service der Postbank. Der Chef der Bankenaufsicht BaFin hat "tiefgreifende Störungen im Kundenservice" angeprangert und diese als "inakzeptabel"kritisiert. Was sagen Sie zu dieser verbalen Ohrfeige?

Lars Stoy: Da gibt es nichts zu beschönigen. Wir bedauern es sehr, dass wir den Erwartungen vieler Kundinnen und Kunden zuletzt nicht gerecht geworden sind. Wir haben Ende Juli die größte IT-Migration im Bankensektor abgeschlossen, die es jemals in Deutschland gegeben hat. Technisch hat diese Migration sehr gut geklappt, und 19 Millionen Verträge von 12 Millionen Kunden mit über 50 Milliarden Datensätze wurden fehlerlos übertragen. Wir haben uns aber rückblickend nicht genug damit beschäftigt, welche Auswirkung die veränderten Prozesse im Nachgang auch auf unsere Kundinnen und Kunden haben, und hätten sie noch umfassender informieren müssen.

Bis wann glauben Sie, die Probleme zu beheben?

Stoy: Wir werden die Kundenprozesse im Laufe des vierten Quartals, spätestens bis Jahresende, wieder normalisieren. Das bedeutet, dass wir dann wieder überall bei den gewohnten Bearbeitungszeiten liegen. Dafür setzen wir zusätzlich mehrere hundert Mitarbeitende und Dienstleister ein, und wir nutzen auch neue IT-Lösungen. Dabei werden Bereiche, die für Kunden besonders kritisch sind, priorisiert. Zum Beispiel bei Pfändungen: Die Bearbeitungszeiten, die aktuell zu lange sind, werden wir bis Mitte Oktober auf durchschnittlich zwei Werktage reduzieren.

Wo sehen Sie noch Herausforderungen?

Stoy: Wir sehen im Moment noch zu lange Bearbeitungszeiten bei unserer Konzernmarke DSL Bank. Hier brauchen wir derzeit noch zu lange, um zum Beispiel Auszahlungen aus Baufinanzierungen umzusetzen. Aber durch die deutliche Aufstockung des Personals werden wir auch da bis Ende Oktober wieder gut dastehen. Als konkretes Beispiel: Wenn Sie eine Baufinanzierung haben und eine Auszahlung anstoßen, um Handwerker zu bezahlen, dann benötigen wir zurzeit durchschnittlich zehn Arbeitstage – und in einzelnen Fällen hat es in den vergangenen Monaten leider noch deutlich länger gedauert. Ab Ende Oktober werden wir solche Auszahlungen wieder durchschnittlich innerhalb von fünf Werktagen abschließen, wie es die Kunden von uns gewohnt waren. Wir sehen, dass die ergriffenen Maßnahmen wirken.

Lars Stoy, Leiter Privatkundenbank in Deutschland der Deutschen Bank und Postbank, im Interview über die jüngsten Probleme der Bank.
Lars Stoy, Leiter Privatkundenbank in Deutschland der Deutschen Bank und Postbank, im Interview über die jüngsten Probleme der Bank. © FUNKE Foto Services | Sergej Glanze

Die Bafin droht sogar mit Strafen, sollten diese Probleme nicht behoben werden. Werden Sie diese umgehen können?

Stoy: Wir sind mit der Bafin seit längerer Zeit im Austausch zur aktuellen Situation. Das sind konstruktiv-kritische Gespräche. Wir haben mit der Bafin einen detaillierten Maßnahmenplan vereinbart, um die Rückstände konsequent abzuarbeiten. Maßnahmen und Wirkung werden von der Aufsichtsbehörde strikt überwacht. Wir setzen alles daran, diese Verabredungen einzuhalten oder sogar zu übertreffen.

Wie viele Kunden waren betroffen?

Stoy: Wir nennen keine absoluten Zahlen, um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Denn es kann einerseits um Kunden gehen, die auf eine Zweitschrift eines Kontoauszugs länger warten, andererseits um die Probleme mit der Aufhebung einer Kontopfändung, die zu persönlichen Zahlungsschwierigkeiten führen können – das sind zwei verschiedene Dinge mit ganz unterschiedlicher Dringlichkeit. Dennoch ist jede Beschwerde eine zu viel und wir geben wirklich alles und arbeiten unermüdlich daran, in allen Servicebereichen unsere Kunden wieder zufriedenstellen zu können.

Wie viele Kündigungen gab es wegen der jüngsten Probleme?

Stoy: Wir sehen derzeit keine besonders auffälligen Veränderungen bei unseren Kundenzahlen im Vergleich zum Vorjahr.

IT-Probleme sind die eine Sache – was aber auch viele Kunden verärgert hat, war der schlechte Kundenservice. Wie konnte das passieren?

Stoy: Ja, die Kritik müssen wir uns gefallen lassen. Wir haben die Menge der Kundenreaktionen, die im Rahmen der Migration auf uns zukam, falsch eingeschätzt und sie zunächst in der Kommunikation nicht richtig abgeholt. Wir haben Kunden zwar per Brief frühzeitig über die bevorstehenden Veränderungen informiert, die wurden aber oft nicht gelesen. Dadurch kam es zu vielen Rückfragen, die dazu beigetragen haben, dass wir derzeit einen Rückstau haben, den wir bewältigen müssen.

Was haben Sie daraus gelernt?

Stoy: Wir hätten unsere Kunden anders – besser – informieren müssen. Das haben wir über den Zeitverlauf verbessert und zum Beispiel im Onlinebanking verstärkt über Pop-up-Fenster gearbeitet, die ganz offen auf Einschränkungen hingewiesen haben. Vor allem für digitalaffinere Kunden, die das Onlinebanking oder eine App nutzen, war das ein richtiger Schritt. Wir haben aber auch gelernt, dass Umfang und Inhalt der Rückfragen nach so einem IT-Wechsel nicht zu unterschätzen sind. So hatten wir am Anfang der Migration auch unsere Callcenter nicht so besetzt, dass wir den vielen Eingaben und Nachfragen unserer Kunden in einer akzeptablen Zeit gerecht werden konnten.

Probleme bei der IT-Umstellung: „Es gibt nichts zu beschönigen“.
Probleme bei der IT-Umstellung: „Es gibt nichts zu beschönigen“. © dpa | Monika Skolimowska

Was bedeutete das?

Stoy: Die Wartezeiten waren in unseren Callcentern schlicht zu lange, oder man musste auf die Beantwortung seiner E-Mail zu lange warten. Hier haben wir bereits über die vergangenen Monate personell deutlich aufgestockt. Hier sehen wir deutliche Fortschritte: Die durchschnittliche Wartezeit am Telefon im Callcenter liegt jetzt bei fünf Minuten. Aber auch fünf Minuten können lang sein, deshalb werden wir bis Ende Oktober die Kapazitäten weiter erhöhen.

Werden Sie Kunden für den schlechten Service entschädigen?

Stoy: Das lässt sich nicht pauschalisieren, aber wir werden jeden Fall prüfen, ob es einen berechtigten Anspruch gegen die Bank gibt. Wo das der Fall ist, werden wir dafür auch geradestehen.

Wird es personelle und strukturelle Konsequenzen in Ihrem Konzern geben?

Stoy: Unser voller Fokus liegt gerade auf den Verbesserungen unserer Bearbeitungszeiten und dem Abbau des Rückstands. Solange es im Servicebereich nicht so läuft, wie unsere Kundinnen und Kunden das von uns zu Recht erwarten, werden wir zudem den Personalbestand weiter aufstocken. Wir wollen wieder in normales Fahrwasser kommen. Wir werden darüber hinaus auch weiter in unsere Technologie investieren. Die Intention der IT-Migration war, die Postbank und die Deutschen Bank technologisch zusammenzuführen und damit eine einheitliche technologische Plattform zu haben, die dann die Basis für Modernisierungen ist.


Zur Person:

Lars Stoy hat eine klassische Bankerkarriere hingelegt. Nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann, einem Studium der Betriebswirtschaft in Frankfurt/Main und in Colorado (USA) startete er seine Managerlaufbahn bei der Commerzbank, wechselte dann zur BHW Holding. Er übernahm die Kapitalmarktkommunikation der Postbank und leitete den Bereich Investor Relations. Seit Mai 2021 ist der Vater zweier Töchter nun Leiter des deutschen Privatkundengeschäfts der Deutschen Bank, wozu unter anderem auch die Postbank gehört.