Berlin/Stockholm. Einst war Klarna eines der wertvollsten Fintechs. Dann kam die Talfahrt. CEO Siemiatkowski spricht über Krisen und die Zukunft.

Früher sah man ihn fast immer im lässigen Pulli. Heute hat er sein Markenzeichen gegen ein weißes Hemd getauscht. Die Ärmel sind hochgekrempelt und wenn ihm seine dunkelblonden Haare ins Gesicht fallen, streicht er sie energisch zurück. Sebastian Siemiatkowski will anpacken. Das sieht man ihm an. Und das muss er auch. Denn der CEO und Co-Gründer von Klarna will sein Unternehmen, das einst als eines der wertvollsten Fintechs der Welt galt und dann eine rasante Talfahrt erlebte, zurück an die Spitze führen. Eine Annäherung an einen Mann, der von sich selbst sagt, dass er vor allem in Krisenzeiten Spaß hat – aber auch zum Psychiater geht.

Lange Zeit ging es für Siemiatkowski immer nur bergauf. Der Sohn polnischer Einwanderer wurde in Schweden geboren, jobbte neben seinem Studium in Stockholm bei Burger King – und gründete im Alter von 23 Jahren das Unternehmen, das ihn einige Jahre später zum Multimillionär machte. 18 Jahre ist es nun her, dass er gemeinsam mit zwei Freunden Klarna erfand und damit den Ratenkauf im Internet revolutionierte.

Kometenhafter Aufstieg: Klarna revolutioniert Internet-Shopping

Die Firma bietet sich als Zahlungsdienst beim Online-Shoppen an. Entscheiden sich die Kunden für Klarna,können sie entweder sofort bezahlen oder später nach Erhalt der Ware auf Rechnung oder in Raten - wenn sie sicher sind, dass sie diese auch behalten wollen. Mehr als 150 Millionen Menschen nutzen Klarna heute weltweit. „Die Reise bis hierhin war fantastisch“, sagt der 41-Jährige im Gespräch mit dieser Redaktion.

Dass der Rückblick so positiv ausfällt, mag vor allem an Siemiatkowskis Optimismus liegen. Denn die vergangenen 18 Jahre waren nicht immer „fantastisch“.

Sebastian Siemiatkowski, CEO and Gründer von Klarna, sagt von sich selbst, dass er vor allem in Krisenzeiten Spaß hat, aber auch zum Psychiater geht.
Sebastian Siemiatkowski, CEO and Gründer von Klarna, sagt von sich selbst, dass er vor allem in Krisenzeiten Spaß hat, aber auch zum Psychiater geht. © picture alliance / TT NEWS AGENCY | Magnus Hjalmarson Neideman/SvD/TT

Das Handelsblatt nannte Siemiatkowski einst den „Bankenschreck”, weil sein digitales Unternehmen im Geschäft mit Krediten und Konten zur echten Konkurrenz für die Finanzriesen der analogen Welt aufstieg. Mit einer Bewertung von fast 46 Milliarden Dollar war Klarna zeitweise mehr wert als die Deutsche Bank. Doch auf den kometenhaften Aufstieg folgte ein ebenso rasanter Absturz. Die Bewertung des Unternehmens brach auf 6,7 Milliarden Dollar ein. Dennoch sagt der CEO: „Ich habe keine schlaflosen Nächte.“

Klarna-CEO scheut keine Krise

Tatsächlich scheinen Siemiatkowski ruhige Fahrwasser zu langweilen. Ohne Krise, sagt er, wäre er wie ein Fußballspieler, der keine Ambitionen hätte, Champions League zu spielen. „Ich möchte aber genau diese Spiele spielen. Ich möchte herausgefordert werden. Das ist es, wofür ich angetreten bin. Wenn ich verkaufen und am Strand in Thailand sitzen wollen würde, hätte ich das bereits vor Jahren tun können.“

Die Herausforderungen der „Champions League“ hat er im vergangenen Jahr ausgiebig zu spüren bekommen: 2022 war das bisher schwierigste Jahr für Klarna und seinen CEO. Die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die steigende Inflation verschlechterten die Geschäftsbedingungen massiv. Klarna wickelt weltweit für große und kleine Händler die Zahlungen ab und kassiert dafür eine Provision. Das Unternehmen verdient vor allem dann, wenn Menschen auch Geld ausgeben. Doch die Welt rutscht gerade von einer Krise in die nächste – mit der Folge, dass die Leute ihr Geld lieber auf dem Konto oder in der Spardose behalten.

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Zehn Prozent seiner Mitarbeiter musste Siemiatkowski vergangenes Jahr entlassen, etwa 700 waren das. „Das war hart“, räumt der 41-Jährige ein. „Es gab viele Situationen, in denen ich mich verloren fühlte und den Tränen nahe war. Ich möchte das nicht herunterspielen oder so tun, als ob das keinen Einfluss auf mich hätte.“ Die Entscheidung bereue er jedoch nicht. „Ich musste sie treffen, weil sie wichtig für unsere Kunden, für unsere Partner und für die restlichen 6000 Mitarbeiter war.“

So sieht die Zukunft von Klarna aus

Tatsächlich: Es geht wieder aufwärts. Klarna konnte im ersten Halbjahr 2023 seine Verluste um zwei Drittel reduzieren und auf Monatsbasis schwarze Zahlen schreiben nach einem Minus von über 500 Millionen Euro im Vorjahr. Das ehemalige Start-up ist nach 18 Jahren erwachsen geworden.

Und Siemiatkowski kann durchaus optimistisch in die Zukunft blicken. Trotz oder gerade wegen der Höhen und Tiefen hat sich Klarna bewiesen. Das schrille Start-up ist ein Big Player geworden und wird von der Bildfläche so schnell nicht mehr verschwinden, sind sich Expertinnen und Experten einig. 2022 wurden über die Plattform Käufe mit einem Volumen von 74 Milliarden Euro abgewickelt, Klarna kam auf Erträge von 1,6 Milliarden Euro mit weltweit 150 Millionen Käufern und rund 500.000 Handelspartnern. Marktforscher schätzen, dass der Markt für „buy now, pay later“-Dienste (Kaufe jetzt, bezahle später) bis 2030 jedes Jahre um bis zu 20 Prozent wachsen könnte.

Siemiatkowski: Ich will ständig an mir selbst arbeiten

Klarna kann man mittlerweile in 45 Ländern nutzen. Die konsumfreudigen USA haben Deutschland zuletzt als größten Markt abgelöst. Siemiatkowskis Denken passt zur amerikanischen Kultur: Einen Fehler zu machen, so sagt er, sei wichtig und gehöre dazu. Man müsse nur sicherstellen, den gleichen Fehler kein zweites Mal zu begehen. Das gelte auch für ihn persönlich. „Ich habe viel gelernt und arbeite kontinuierlich an mir selbst“, erzählt er. „Ich bin zum Psychiater gegangen, ich bin zur kognitiven Verhaltenstherapie gegangen, ich habe mit Coaches gearbeitet.“

Früher war der lässige Pulli das Markenzeichen von Sebastian Siemiatkowski.
Früher war der lässige Pulli das Markenzeichen von Sebastian Siemiatkowski. © picture alliance / TT NEWS AGENCY | Magnus Hjalmarson Neideman/SvD/TT

Siemiatkowski ist trockener Alkoholiker. Dem schwedischen Fernsehsender TV4 sagte er Anfang des Jahres: Er sei „betrunkener als alle anderen“ gewesen und habe Gedächtnislücken gehabt. Für seine Frau Nina, mit der er seit 2014 verheiratet ist, habe er mit dem Trinken aufgehört. Das ist jetzt elf Jahre her. Gemeinsam haben sie mittlerweile drei Kinder. Sie seien der Grund, warum er seine Mittagspause am Schreibtisch und nicht in schicken Restaurants verbringt. „Wenn ich ins Büro gehe, will ich die Zeit dort nicht zum Essen, sondern für die Arbeit nutzen“, sagt er. „Das gibt mir zu Hause mehr Zeit, meinen Kindern eine Gute-Nacht-Geschichte vorzulesen.“

Klarna setzt in Zukunft auf KI und ChatGPT

Noch mehr Zeit und Effizienz möchte der 41-Jährige mit Künstlicher Intelligenz (KI) gewinnen. Die wolle er zukünftig verstärkt im Unternehmen einsetzen. Eine enge Kooperation ist er jüngst mit dem KI-Unternehmen ChatGPT eingegangen. „Wir wollen die Besten sein und dazu brauchen wir KI“, erklärt Siemiatkowski. Deshalb beschäftige er sich intensiv mit der Frage, wie sich die neue Technologie auf verantwortungsvolle Weise einsetzen lässt – um Klarna wieder zum Strahlen zu bringen.

Siemiatkowski ist in den vergangenen 18 Jahren mit seinem Unternehmen erwachsen geworden. Seine Ambitionen sind aber noch die gleichen wie früher. „Ich werde immer überambitioniert sein. So bin ich einfach. Ich möchte einen echten Unterschied machen und die Finanzbranche verändern. Das wird immer mein ehrgeiziges Ziel sein“, sagt er.

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