Essen. Der neue Thyssenkrupp-Chef López legt seine erste Zwischenbilanz vor. Angesichts schrumpfender Gewinne plant er ein „Performance-Programm“.

Die erste Zwischenbilanz des neuen Thyssenkrupp-Chefs Miguel López ist gespickt mit Minuszeichen. Thyssenkrupp hat in den Monaten April bis Juni deutliche Rückgänge im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verbucht. Die Auftragseingänge fielen niedriger aus, Umsatz und Gewinn gingen zurück. Insbesondere gefallene Stahlpreise wirkten sich negativ aus, so das Unternehmen. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen („bereinigtes Ebit“) im dritten Geschäftsquartal schrumpfte von 721 Millionen Euro im Vorjahr auf 243 Millionen Euro – allerdings „wie erwartet“, wie bei Thyssenkrupp betont wird.

Der neue Vorstandschef López, der seinen Job erst Anfang Juni von seiner Vorgängerin Martina Merz übernommen hat, bezeichnet die Entwicklung von Thyssenkrupp als „robust“. Schon vor Monaten hatte sich das Management auf ein schwieriges konjunkturelles Umfeld eingestellt. Mit Blick auf die angestrebten Ergebnisse für das gesamte Geschäftsjahr, das bei Thyssenkrupp traditionell bereits im September endet, zeigt sich der Thyssenkrupp-Vorstand nun sogar etwas zuversichtlicher und strebt für den Betriebsgewinn („bereinigtes Ebit“) einen Wert im hohen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich“ an. Bisher war lediglich von einem „mittleren bis hohen dreistelligen“ Millionensumme die Rede. Beim Jahresüberschuss erwartet Thyssenkrupp einen „mindestens ausgeglichenen Wert“.

Erster Spanier an der Spitze von Thyssenkrupp

Zwei Erfolge konnte López in seiner noch kurzen bisherigen Amtszeit verbuchen. Der Dortmunder Wasserstoff-Tochterfirma Nucera ist ein Start an der Börse geglückt, und die Thyssenkrupp-Stahlsparte hat sich eine milliardenschwere staatliche Förderung für den Umbau des Standorts Duisburg gesichert. „Beide Erfolge unterstreichen unsere Rolle als Wegbereiter und Gestalter der grünen Transformation“, kommentiert dies der neue Thyssenkrupp-Chef López.

Der Manager, der mit vollständigem Namen Miguel Ángel López Borrego heißt, ist der erste Spanier an der Spitze des Essener Traditionskonzerns, der knapp 100.000 Menschen beschäftigt. Im Unternehmen wird López wahlweise „hessischer Spanier“ oder „spanischer Hesse“ genannt. Denn der langjährige Siemensianer hat zwar die spanische Staatsbürgerschaft, sein Geburtsort ist aber Frankfurt am Main.

Einen positiven Effekt für die Jahresbilanz erwartet das Thyssenkrupp-Management insbesondere aus dem Börsengang der Wasserstoff-Tochter Nucera. Mit dem Verkauf von Anteilen am Unternehmen, das Elektrolyse-Anlagen zur Wasserstoff-Produktion herstellt, kommt viel Geld in die Kasse. Infolge des Börsengangs erhält Nucera Unternehmensangaben zufolge einen Bruttoerlös von rund 526 Millionen Euro. Etwa 52 Millionen Euro könne Thyssenkrupp zusätzlich im Zusammenhang mit der Transaktion verbuchen. „Beide Beträge werden sich im vierten Quartal positiv auf das Netto-Finanzguthaben von Thyssenkrupp auswirken“, erklärt das Unternehmen in seiner Zwischenbilanz.

„Performance“ für López ganz oben auf der Liste

In den vergangenen Jahren ist bei Thyssenkrupp allzu oft Geld aus der Kasse geflossen – und zu wenig reingekommen. López will eine Trendwende erreichen. „Drei Themen stehen bei mir ganz oben: die Weiterentwicklung des Konzerns, Performance und die grüne Transformation“, hatte López unserer Redaktion schon kurz vor seinem Start als Thyssenkrupp-Chef gesagt. „Hinzu kommt noch die Digitalisierung, die ebenfalls von entscheidender Bedeutung ist.“

Ähnliche Töne schlägt López nun bei seiner ersten Zwischenbilanz an. Die „Verbesserung der Performance“ habe „allerhöchste Priorität“ und sei maßgeblich für die weitere strategische Ausrichtung des Unternehmens. Derzeit werde „ein neues, ganzheitlich angelegtes Performance-Programm“ erarbeitet. Das Ziel sei, die „Leistungsfähigkeit der Geschäfte weiter zu steigern“. Der Vorstand werde sich dabei Sparte für Sparte anschauen. Im Fokus stünden unter anderem „eine striktere Ausrichtung aller Geschäfte am Wettbewerbsniveau“ sowie „strengere Rendite- und Wertschöpfungskriterien für Investitionsentscheidungen“. Das Programm solle „zeitnah ausgerollt“ werden.

Betriebsbedingte Kündigungen? López lässt das offen

Auf Nachfrage lässt López bei einer Telefonkonferenz viele wichtige Details offen. Ob es Stellenabbau gebe? Ob betriebsbedingte Kündigungen möglich seien? Dazu gibt es von López zu diesem Zeitpunkt keine Antwort. Der Vorstand werde „zu gegebener Zeit informieren“, sagt der Thyssenkrupp-Chef.

Dem Vernehmen nach plant das Unternehmen für Mitte September eine Aufsichtsratssitzung. Dann dürfte auch der Performance-Plan von López thematisiert werden. Am 1. Oktober beginnt schon das nächste Geschäftsjahr von Thyssenkrupp. Traditionell im Herbst steht die erste Bilanzpressekonferenz für den neuen Chef an.

Schon in den vergangenen Jahren hat es massiven Arbeitsplatzabbau im Konzern gegeben. Finanzchef Klaus Keysberg berichtet auf Nachfrage, von den 13.000 Stellen, die bekanntermaßen wegfallen sollten, seien mittlerweile rund 11.000 Jobs abgebaut worden. „So weit sind wir da“, sagt Keysberg.

Der neue Konzernchef López jedenfalls macht Druck. Thyssenkrupp müsse aufschließen zu den Wettbewerbern, betont er. Aus den Worten des neuen Thyssenkrupp-Chefs lässt sich heraushören, dass er den Eindruck habe, in vielen Bereichen hinke der Essener Traditionskonzern hinterher. In diesem Zusammenhang verweist López auch auf Gespräche, die er mit Investoren geführt habe. Bevor er angetreten sei, habe es „kein umfassendes Performance-Programm“ in den vergangenen Jahren gegeben, so López – ein Satz der sich auch als indirekte Kritik an seiner Vorgängerin Martina Merz lesen lässt.

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