Essen. Nach Warnstreiks am Freitag geht Galeria-Manager Mager auf die Gewerkschaft Verdi los. Die kontert: Gehaltserhöhungen seien „keine Lotterie“.
Kurz vor der nächsten Tarifverhandlungsrunde am 15. Juni verschärft der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof den Ton. Arbeitsdirektor Guido Mager wirft der Gewerkschaft Verdi vor, mit immer neuen Warnstreiks die Gesundung des Essener Unternehmens zu gefährden. Der Flächentarifvertrag, den Verdi auch für Galeria fordert, bezeichnet der Manager als „nicht mehr marktüblich“. Verdi kontert: Gehaltserhöhungen seien „keine Lotterie“.
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Erst am Freitag waren wieder mehrere Hundert Galeria-Beschäftigte unter anderem in Dortmund, Bochum, Essen, Mülheim, Duisburg und Oberhausen dem Aufruf ihrer Gewerkschaft gefolgt und hatten die Arbeit niedergelegt. Der Verkauf in den Filialen sei aber ohne Einschränkung weitergegangen, hatte ein Unternehmenssprecher erklärt. Dennoch nimmt Arbeitsdirektor Guido Mager die Protestaktionen zum Anlass für eine Generalabrechnung mit Verdi.
Galeria-Manager: Flächentarifvertrag „nicht mehr marktüblich“
„Verdi verlangt Bezahlung nach Flächentarifvertrag – wer zahlt eigentlich noch nach diesem Flächentarifvertrag?“, fragt der Geschäftsführer rhetorisch in einem Mitarbeiterbrief, der unserer Redaktion vorliegt, und gibt selbst die Antwort: „Im Wesentlichen nur noch die Lebensmittelhändler. Lebensmittel wurden auch in der Pandemie und Energiekrise gekauft. Die Lebensmittelhändler sind wirtschaftlich deutlich besser aufgestellt und daher nicht mit uns vergleichbar“, schreibt Mager.
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Während Verdi immer wieder argumentiert, es müsse endlich damit Schluss sein, dass Galeria-Beschäftigte seit Jahren auf bis zu 5500 Euro jährlich verzichten müssten, erzählt der Arbeitsdirektor eine ganz andere Geschichte. „Selbst nach Aussagen der gewerkschaftsnahen Böckler-Stiftung liegen die durchschnittlichen Gehälter bei Vollzeit-Verkäufern/Verkäuferinnen mit zehnjähriger Berufserfahrung bei 2340 Euro. Bei uns liegen diese Gehälter über 2600 Euro. Damit zahlen wir mehr als der Durchschnitt in unserer Branche“, erklärt Mager und fügt hinzu. „Der Flächentarifvertrag ist für unsere Branche nicht mehr marktüblich.“
Der Galeria-Manager verweist auf die „fast 75 Prozent der Einzelhandelsunternehmen“, die nicht mehr tarifgebunden seien. „Selbst Unternehmen, denen es wirtschaftlich deutlich besser geht als uns, zahlen keine Gehälter nach dem Flächentarifvertrag.“ Und wenn es die Möglichkeit gebe, sonntags zu öffnen, klage Verdi „diese Chance oft genug einfach weg“, setzt Mager seine Abrechnung mit Verdi fort.
Angesichts der Warnstreiks während und nach dem gerade beendeten Insolvenzverfahren stellt der Geschäftsführer infrage, ob das im Interesse der Mitarbeitenden bei Galeria sei. „Das entzieht dem Unternehmen Geld und hilft niemandem.“ In der Phase des Neustarts sei es „fatal, wenn immer wieder zu Streiks aufgerufen und Halbwahrheiten verbreitet werden. Dadurch werden unsere Arbeitsplätze erneut gefährdet“, droht Mager und verweist darauf, dass Galeria bereits im November eine einmalige steuerfreie Sonderzahlung von 300 Euro plane. „Die Beteiligung am Erfolg wollen wir auch in den nächsten Jahren beibehalten: Die Tarifgehälter werden unter Berücksichtigung unseres wirtschaftlichen Erfolgs erhöht und/oder es soll weitere Sonderzahlungen geben“, stellt er in Aussicht.
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Galeria biete an, dass auch die Standort- und Beschäftigungssicherung weitere Jahre gelte und der Konzereigner René Benko darauf verzichte, „jedwede Mittel“ dem Unternehmen zu entnehmen. Mager: „Unser Ziel bleibt, dass Galeria wieder nachhaltig erfolgreich am Markt operieren kann, unsere bestehenden Arbeitsplätze gesichert werden und wir für unsere Kundinnen und Kunden in den deutschen Innenstädten auch künftig ihre geschätzte Einkaufs- und Erlebnisstätte sind.“
Verdi-Verhandlungsführer Marcel Schäuble weist den Angriff auf die Arbeitnehmervertreter ebenso scharf zurück. „Keine verbindliche Entgeltsteigerung in den nächsten vier Jahren – mehr auf dem Gehaltszettel höchstens, bei hohen Gewinnsteigerungen! So will das Galeria-Management die Beschäftigten abspeisen. Wir sind doch nicht in der Lotterie!“, sagte der Gewerkschafter unserer Redaktion.
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Beschäftigte, die jahrelang auf rund 5500 Euro Lohn für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze verzichtet haben, hätten mehr verdient. Dass der Handel immer stärker in die Tariflosigkeit abgleitet, zeige, wie wenig immer mehr von ihnen soziale Verantwortung tragen wollen. Schäuble: „Wenn Galeria auch in diese Richtung abgleiten will, dann ist klar, dass das Management nur weiter auf dem Rücken der Beschäftigten Profit machen will. Da machen wir nicht mit! Das hat mit Würde und Anstand nichts zu tun!“
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Bei einer Kundgebung in Essen hatte Silke Zimmer, Einzelhandelschefin von Verdi NRW, am Freitag erklärt, dass gerade Galeria-Beschäftigte „einen guten tariflichen Abschluss über der Inflationsrate“ benötigten. „Die Rekordinflation trifft die Kolleginnen und Kollegen schließlich umso härter, denn der Reallohnverlust führt dazu, dass die allermeisten kaum noch Geld haben, über das sie frei verfügen können.“ Zudem gehe es bei den Tarifverhandlungen darum, „mit gut bezahltem und ausreichend vorhandenem Personal“ das Warenhaus der Zukunft auf den Weg zu bringen. Zimmer: „Leider akzeptieren die Arbeitgeber dies nicht am Verhandlungstisch und daher müssen wir dafür den Druck auf der Straße bringen.“