Hamminkeln. Die innovative Biogasanlage von Marc Siemen und Hermann Krusen in Wertherbruch hat alle Erwartungen übertroffen. Das ist das Geheimnis.

Als Marc Siemen und Hermann Krusen vor etwa fünf Jahren zum ersten Mal ihre Köpfe zusammensteckten und ihre Idee durchspielten, waren sie sich ihrer Sache eigentlich schon sicher. „Wir waren immer überzeugt davon“, betont Marc Siemen. Nämlich, dass hier am Schlehenweg in Wertherbruch etwas ganz Großes, etwas ganz Besonderes entstehen kann. Die Milchviehhalter suchten ursprünglich Lagerflächen für die Gülle ihrer Kühe - und entschieden sich deshalb zum Bau einer gemeinsamen Biogasanlage.

Heute nun können sich die beiden Nachbarn zufrieden die Hände reiben. Denn ihre insgesamt 280 Kühe liefern pausenlos - und sorgen mit ihrem Mist dafür, dass die Gülle-Biogasanlage alle Erwartungen übertreffen konnte. Drei Jahre nach Inbetriebnahme - Herzstück ist ein integrierter Festbett-Fermenter - werden fortlaufend 100 Kilowatt stündlich produziert - fast der dreifache Biogas-Ertrag herkömmlicher Anlagen. Deshalb ist sich das Trio sicher: Keine andere Biogasanlage in Deutschland bringt ähnlich hohe Erträge. Der entscheidende Unterschied: Am Schlehenweg werden nur Gülle und Futterreste vergärt anstatt wie sonst Feststoffe, also Mais und Rüben.

Drei Elemente in einem Behälter

Dabei hatten den beiden Landwirten zahlreiche Berater, auch von der Landwirtschaftskammer, dringend vom Bau abgeraten. „Und auch mein Vater hatte mir gesagt, ich solle lieber die Finger davon lassen“, schmunzelt Marc Siemen. Hat der 41-Jährige nicht getan - und ist damit gut gefahren, wie sich heute zeigt. Der Clou: Fermenter, Nachgärer und Güllelager befinden sich in einem einzigen Silobehälter - und sind nicht wie sonst separat aufgebaut. In der Mitte des mit einer Folie ausgelegten Fermenters befindet sich der Upflow-Downflow-Festbettreaktor (UDR), ein beschichteter Zylinder mit drei Metern Durchmesser und neun Metern Höhe.

Stündlich wird in den Fermenter Gülle eingebracht. Im Festbett bleiben die Mikroorganismen haften, sie leben länger. Aus den flüchtigen Fettsäuren wird direkt Biogas generiert - die sonst übliche Wasserstoffphase wird umgangen. Das Silo ist etwa 5000 Kubikmeter groß, mit einer speziellen Folie ausgelegt. Ein Generator in der Schaltanlage neben dem Silo verwandelt das Gas in Strom. Ein Teil der Energie wird ins Netz eingespeist, der andere als Restwärme für die eigenen Wohnhäuser genutzt.

Der Motor der Biogasanlage.
Der Motor der Biogasanlage. © FUNKE Foto Services | Markus Joosten

„Wir stehen hier vor einer Welturaufführung“, sagt Wilhelm Gantefor, der das neuartige System entwickelt und als Patent angemeldet hat. „Das ist echte Pionierarbeit.“ Grüner Strom aus Gülle - die Vorteile sind für den Biogas-Experten aus Heiden bahnbrechend: Hohe Gaserträge, optimale Heizwärme-Ausnutzung, geringer Energieverbrauch, geringer Arbeitsaufwand, einfache Bedienung, gute Wirtschaftlichkeit, CO-Reduzierung. „Den beiden Landwirten gebührt allerhöchste Anerkennung für den Mut zum Bau dieser innovativen Biogasanlage“, sagt Wilhelm Gantefort. „Damit haben sie absolutes Neuland betreten, aber auch einen Quantensprung bei der Biogastechnologie ermöglicht. Was die Beiden machen, ist purer Klimaschutz.“ Das untermauern die Zahlen, denn pro Jahr werden rund 3000 Tonnen CO2 eingespart.

Die Genehmigungsphase hat etwa ein Jahr in Anspruch genommen, den Bau hat die Firma Wopereis aus dem niederländischen Doettinchen übernommen. Was hinten bei den Kühen rauskommt wird über unterirdische Rohre aus dem Stall direkt in die Anlage befördert. Nach der Verarbeitung - die Hamminkelner Firma Buschmann hat das Rührwerk geliefert - gelangt die Gülle über Rohre wieder in ein Lager, wo es als Düngemittel für die rund 160 Hektar Felder genutzt wird. Der Dünger ist deutlich flüssiger und geruchsneutraler.

Biogas aus Gülle hat großes Potential

Marc Siemen und Hermann Krusen können sich komplett auf ihren Arbeitsalltag konzentrieren, denn ein Mitarbeiter übernimmt die Kontrolle der Anlage - auch über sein Smartphone. „Wir sind aber schon alle überrascht davon, wie viel Gas letztendlich produziert wird“, sagt Hermann Krusen. „Da kann man schon fast von etwas Revolutionärem sprechen.“ 700.000 Euro hat die Anlage gekostet, bei dem prognostizierten Gewinn hätte sich die Anlage nach knapp acht Jahren amortisiert. Pro Jahr liefert sie rund 850.000 Kilowattstunden, der Eigenverbrauch der Anlage beträgt etwa zehn Prozent.

Die allgemeine Kritik an Biogasanlagen, Aufwand und Ertrag ständen in einem Missverhältnis, kann hier am Schlehenweg nicht gelten. Und doch könnten die beiden Landwirte deutlich mehr einspeisen, wobei dem durch das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) auch politische gewollte Grenzen gesetzt sind. „Dabei wird hier auf engstem Raum Energie produziert und auch verbraucht“, findet Hermann Krusen. „Biogas aus Gülle soll nicht wirtschaftlich genug sein? Wir sagen: Doch, ist es. Was da an Potenzial verschenkt wird, ist schon ärgerlich.“ Und irgendwie passt diese Anlage auch in das Weltbild der beiden Landwirte: „Landwirtschaft macht man mit Herzblut oder gar nicht.“