Wesel. Der ambulante Kinder- und Jugendhospizdienst in Wesel benennt sich in „Ankerplatz“ um. Am Samstag will das Team seine Arbeit bekannter machen.

Grüne Bänder flattern an Bäumen und Laternenpfählen und erinnern an den Tag der Kinderhospizarbeit am Samstag, 10. Februar. Seit zehn Jahren gibt es den ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst in Wesel. Daher wird dessen Koordinatorin Annegret Marquardt und Ehrenamtlern aus dem 30-köpfigen Team am kommenden Samstag an einem Stand vor Galeria Kaufhof in der Fußgängerzone ihre Arbeit vorstellen und bekannter machen. Zum Jubiläum stellt die Weseler Initiative aber auch ihren neuen Namen vor: Ankerplatz.

Waltraud Brands-Böken hat in ihrem Berufsleben an der Werkbank gestanden. Vor zehn Jahren entschloss sie sich, den damals ersten Kurs für die ambulante Kinder- und Jugendhospizarbeit in Wesel zu absolvieren. „Es war genau die richtige Entscheidung. Ich habe jetzt einen ganz anderen Blick auf das Leben“, resümiert die Ehrenamtlerin. Gerne denkt sie an ihre erste Begleitung, an einen schwerst behinderten Jungen, den sie sieben Jahre betreute. Sie weiß: „Wir waren ein gutes Team.“ Wie groß war das Glück, wenn es ihr gelang, ein Zeichen von Freude oder gar Lachen in sein Gesicht zu zaubern.

Kinder- und Jugendhospiz in Wesel: Bedarf in Familien ist groß

Annegret Marquardt weiß, wie groß der Bedarf an Unterstützung in betroffenen Familien ist. Sie weiß aber auch, wie viel Überwindung es kostet, den Hospizdienst zu kontaktieren. Denn immer noch kursiert in den Köpfen der Menschen die Vorstellung, dass man in dem Moment, in dem man Kinderhospizarbeit in Anspruch nimmt, sich mit seinem Kind auf dessen letzten Weg begibt. Dem ist nicht so und um diese Gedanken erst gar nicht aufkommen zu lassen, nennt sich die Initiative nun „Ankerplatz“.

Vom Lateinischen übersetzt ist Hospiz ein Rastplatz, eine Stelle, an der man ausharren und Kraft tanken kann. Genau das wollen die Ehrenamtler den Familien bieten. Sie wollen entlasten, indem sie die kranken Kinder zwei bis vier oder mehr Stunden in der Woche betreuen, sie unterhalten, mit ihnen spielen, etwas unternehmen, ihnen vorlesen, sie auf andere Gedanken bringen, aber auch mit ihnen reden und Sorgen teilen. In den Zeiten der Begleitung können Eltern entspannen, versäumten Schlaf nachholen, in Ruhe einkaufen oder einfach etwas für sich selbst zu tun. „Wir sind sozusagen Paten auf Zeit“, beschreibt Annegret Marquardt die Arbeit der Ehrenamtler.

Ehrenamtliche aus Wesel betreuen auch einzelne Kinder

Wie an einem Ankerplatz halten sich die Betroffenen und ihre Begleiter eine Zeitlang fest. „Wir müssen aber auch loslassen können. Im besten Fall, wenn das erkrankte Kind nach einer Chemotherapie wieder gesund wird und uns nicht mehr braucht“, nennt die Koordinatorin ein Beispiel. Ehrenamtler in der Hospizarbeit sind Menschen mit Herz und Zeit. Sie müssen zuverlässig sein, Schmerz und Abschiednehmen aushalten können. Doch viel öfter erleben sie Freude und Dankbarkeit und das Gefühl, gebraucht zu werden.

Auch einzelne Kinder werden betreut, wie derzeit vom Friedensdorf Oberhausen zwei Jungen aus Afghanistan, um die sich Ehrenamtlerin Doris Prazeus kümmert. Eine Aufgabe, die die technische Zeichnerin sehr erfüllt. Die Jungen wurden im evangelischen Krankenhaus operiert und sind vier Wochen zu Nachbehandlung hier.

Die Arbeit des Ankerplatzes

Wenn der Verdacht besteht, dass ein Kind sich nicht so entwickelt wie andere, dass die Lebenserwartung verkürzt ist, das Kind unter einer schweren chronischen Erkrankung leidet, es schwerst oder mehrfach behindert ist, dann kommt der kostenlose Kinderhospizdienst ins Spiel, um die Familie zu unterstützen und zu begleiten, sei es das Kind selbst, die Geschwisterkinder oder auch ein Elternteil. „Im Erstgespräch schauen wir, welche Bedürfnisse da sind und welche Unterstützung Sinn macht“, erklärt Annegret Marquardt. Dann schaut sie, wer aus ihrem Team in die Familie passen könnte. Am Samstag, 10. Februar, steht das Team Ankerplatz von 10 bis 16 Uhr an einem Stand vor dem Kaufhof und informiert persönlich und mit Broschüren über seine Arbeit.

Pflegekräfte sind kaum zu bekommen, Eltern führen endlose Kämpfe mit Krankenkassen. Gerade bei alleinerziehenden Elternteilen ist die finanzielle Situation oft angespannt. Da ist die kostenlose, unbürokratische Unterstützung vom Ankerplatz mehr als hilfreich. Derzeit betreut der Kinderhospizdienst elf Familien, vier Geschwisterkinder, sechs erkrankte Kinder, zwei Abschied nehmende Kinder und zwei Mütter, die selbst schwer erkrankt sind und die von den beiden Koordinatorinnen begleitet werden. Die Kinder haben hypoxische Hirnschädigungen, unheilbare Stoffwechselerkrankungen, fortschreitende muskuläre Erkrankungen oder genetische Leiden.

Niemand kann am Bett eines kranken Kindes Wunder bewirken. Doch Annegret Marquardt nennt ein Zitat aus dem Kinderbuch von Astrid Lindgren, „Ronja Räubertochter“, das die Hospizarbeit nicht besser beschreiben könnte: „Lange saßen sie dort und hatten es schwer, doch sie hatten es gemeinsam schwer und das war der Trost. Leicht war es trotzdem nicht.“