Wesel. Im Kinder- und Jugendhospizdienst wird kranken Kindern Zuwendung, Freude und Abwechslung geschenkt, den Betroffenen selbst oder den Geschwistern.
Elisabeth Hanf
„Das wichtigste, was man mitbringen muss, ist ganz viel Liebe“, weiß Annegret Marquardt um die Kernkompetenz ehrenamtlicher Mitarbeiter, die die Kinderhospizarbeit über zehn Jahre ihres Bestehens hinweg getragen haben. Als Koordinatorin für den ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst bringt sie ehrenamtlich tätige Menschen mit Zeit und Einfühlungsvermögen mit Familien mit unheilbar erkrankten Kindern oder Jugendlichen, die Unterstützung und Begleitung wünschen, zusammen.
Die Begleitung beginnt oftmals kurz nach der Diagnosestellung
Annegret Marquardt erlebt immer wieder, dass die Arbeit des Kinderhospizdienstes wenig bekannt ist. Anders als bei der Hospizbegleitung von Erwachsenen, die meist erst im letzten Lebensabschnitt einsetzt, beginnt die Begleitung von Kinder und Jugendlichen mit unheilbaren, lebensverkürzenden Erkrankungen meist schon kurz nach der Diagnosestellung. Plötzlich wird die Familie vor ungeahnten Problemen und Belastungen gestellt, viel Zeit, Kraft und Energie fließen in die medizinische oder pflegerische Betreuung, das Familienleben, die Freuden im Alltag bleiben auf der Strecke.
Der Hospizdienst orientiert sich an den individuellen Bedürfnissen
Hier setzt der Hospizdienst an. Er orientiert sich ganz individuell an den Wünschen und Bedürfnissen der Familie. Brauchen die Eltern oder die Mutter Auszeiten, in denen jemand das kranke Kind betreut, sollen dem Kind Wünsche erfüllt werden, möchte es, dass man ihm vorliest, etwas spielt oder einen Ausflug unternimmt. Ober bleiben die Geschwisterkinder auf der Strecke, müssen ihnen schöne Erlebnisse geboten werden, die sie vom Alltag mit dem schwer erkrankten Geschwisterkind ablenken. Oder ist es die alleinerziehende Mutter, die aufgefangen werden muss.
Zwölf geschulte Mitarbeiter sind aktuell in der Betreuung eingesetzt
Annegret Marquardt nennt Beispiele: „Zurzeit begleiten zwölf speziell geschulte ehrenamtliche Mitarbeiter zehn Frauen und zwei Männer, sieben erkrankte Kinder, vier Geschwister, eine Mutter und einen 14-jährigen Jugendlichen, dessen Mutter lebensverkürzt an Krebs erkrankt ist.“ Weitere vier Ehrenamtler halten sich bereit, um erkrankte Kinder im Krankenhaus zu besuchen oder Ausflüge mit dem Kooperationspartner „Löwenzahn und Pusteblume“ zu begleiten.
„Kalle, das ist was für dich!“
Karl-Heinz Kuhn, der selbst eine schwere Zeit durchlitt, hatte sich damals zum Ziel gesetzt: „Wenn ich nicht mehr berufstätig bin, möchte ich ehrenamtlich tätig werden.“ Dann las er im Jahr 2019 die Ankündigung eines Ausbildungskurses für den Kinderhospizdienst. „Kalle, das ist was für dich“, war seine erste Reaktion. Dieser Wunsch bestätigte sich im Vorgespräch mit Annegret Marquardt, das immer einer Ausbildung vorangeht. Diese absolvierte er und empfindet sie heute als wichtige Erfahrung für die eigene Biografie und der Auseinandersetzung mit Tod und Trauer.
Wenn neue Ehrenamtler die dreimonatige Ausbildung durchlaufen haben, schaut die Koordinatorin, wer wohl zu welcher Familie passt. Denn eine Begleitung setzt ein Vertrauensverhältnis voraus, die Chemie muss stimmen, die Betreuung sollte zuverlässig und möglichst beständig erfolgen.
Einmal in der Woche Bahnfahren ist das größte Vergnügen
Annegret Marquardt legte Karl-Heinz Kuhn einen 17-jährigen Jungen ans Herz, ein Autist mit einer geistigen Behinderung und epileptischen Anfällen, der kaum verständlich kommunizieren kann. „Er ist sehr schwer zu verstehen, aber er liebt das Zugfahren“, erzählt der 64-jährige Kuhn. So fahren beide einmal in der Woche mit dem Zug, mal nach Dortmund oder Essen, gerne nach Köln zum Hauptbahnhof und Dom. „Aber ebenso mag er den Weseler Flugplatz, wenn hier Flugzeuge landen oder in die Luft gehen, oder Schiffe auf dem Rhein“, erzählt Kuhn. Und wenn er über die Begeisterung des Jungen spricht, leuchten auch seine Augen. Jetzt hatte er eine neue Idee: Da sein Schützling gerne die Sendung mit der Maus schaue, macht auch er es. So hat er ein Gesprächsthema, über das er am nächsten Tag mit dem Jungen reden kann.
Ehrenamtler Martin Tschackert besucht regelmäßig Kjell. Der Junge hat in Martin einen begeisterten Mitspieler an der Spielkonsole gefunden. Kjell freut sich, auf dem Plakat um Ehrenamtler werben zu dürfen.
Annegret Marquardt möchte die Sorge nehmen, im Hospizdienst nur Kinder, die an Schläuchen hängen und künstlich beamtet werden, betreuen zu müssen. Oftmals sind es die Geschwisterkinder, die dankbar sind, wenn sie im Garten ihrer Betreuerin in den Ferien zelten dürfen oder sie mit ins Schwimmbad nimmt. Genauso werden auch Kinder von lebensbedrohlich erkrankten Eltern betreut.
Nicht nur die Wünsche der betroffenen Familien, auch die der ehrenamtlichen Mitarbeiter fließen in das individuelle Betreuungskonzept ein, so dass es für beide Seiten passt. Willkommen sind insbesondere auch junge Menschen, die mit ihrer jugendlichen Frische den Kindern und Jugendlichen gut tun. Gerne auch junge Männer, betont das Hospizteam.
Auch Familien können sich melden
Gesucht werden nicht nur Ehrenamtler, die sich für den Kinderhospizdienst ausbilden lassen wollen, sondern auch Familien, die sich bisher gescheut haben, diese kostenfreie und unabhängig von Nationalität und Religion angebotene Hilfe in Anspruch zu nehmen. Karl-Heinz Kuhn zitiert was, was Hospizarbeit ausmacht: „Nicht dem Leben mehr Tage, sondern dem Tag mehr Leben geben“.
>>> Infoabend für ehrenamtliche Mitarbeiter am 21. August
Der ambulante Kinder- und Jugendhospizdienst der Hospiz-Initiative Wesel lädt ein zum Infoabend am Samstag, 21. August, von 9.30 bis 11.30 Uhr im Gemeindehaus an der Gnadenkirche, Wackenbrucher Straße 80 in Wesel, Voranmeldung erbeten unter 0281/ 1062870 (von 9 bis 13 Uhr) oder 0281/ 44299054.
Voraussetzung für die ehrenamtliche Mitarbeit ist die Teilnahme an einem Vorbereitungskurs. Gesucht werden Menschen von 20 bis 70 Jahren, die regelmäßig und kontinuierlich einmal wöchentlich etwa drei bis vier Stunden Zeit im Nachmittags- oder Abendbereich haben. Sie werden engmaschig begleitet in Teamtreffen, Supervisionsgruppen, Einzelgesprächen und Fachseminaren. Der Vorbereitungskurs umfasst 70 Stunden an 16 Terminen ab September.