Wesel. Für viele Stammkundinnen ist es ein Schock: Renate Feldmann macht ihre Boutique „Gibsy“ dicht. Grund ist nicht die wirtschaftliche Situation.

Ein großes rotes Banner über der Tür verkündet, dass an der Brückstraße in Wesel eine Veränderung ansteht: „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ steht dort über dem Eingang der Boutique „Gibsy“, Inhaberin Renate Feldmann wird Ende Februar die Türen schließen. Damit endet eine Ära, denn das kleine Modegeschäft gibt es seit fast 50 Jahren an dieser Stelle.

Anfang der 2000er-Jahre hat Renate Feldmann die Boutique von einer Freundin übernommen. „Jetzt ist mal Zeit für was anderes“, hält sie nun, nach mehr als 20 Jahren, fest. Im Frühjahr wird sie 67 Jahre alt, sie gibt ihr Geschäft aus Altersgründen auf, nicht aus wirtschaftlichen. Dennoch sieht sie die Lage für kleine, inhabergeführte Geschäfte bedroht: „Wenn ich weiter machen würde, müsste ich mir ein etwas anderes Konzept überlegen.“

Lage für den stationären Handel ist schlecht

Denn die Zeiten für den stationären Einzelhandel sind denkbar schlecht. Auf lange Sicht – so glaubt Renate Feldmann – wird es in den Innenstädten kleiner Orte wie Wesel einsam werden, zumindest was den Handel angeht: „Das wird im Grunde so wie in Amerika.“ Damit meint sie: Große Malls in großen Städten, in denen große Modeketten ein großes Angebot bieten. Dazu kommt der Online-Handel, der den Kundinnen und Kunden alles bequem nach Hause liefert. „Wenn ich noch zehn Jahre davon leben müsste, wäre es ohne Online-Shop nicht gegangen“, ist sie sicher.

Konkurrenz dieser Art haben kleine Boutiquen nicht erst seit gestern. „Das ist eine Entwicklung, die halten wir nicht auf“, hält Renate Feldmann dazu recht nüchtern fest. Bei ihr kam sie jedoch erst während der Corona-Pandemie an. Und mit der folgenden Wirtschaftskrise wurde es verständlicherweise auch nicht besser.

Boutique-Besitzerin kennt die Schränke ihrer Stammkundinnen

Dennoch konnte sich „Gibsy“ in Wesel gut halten, als eine der letzten inhabergeführten Boutiquen. Das liegt vor allem an Renate Feldmann selbst, denn sie bietet hier Service und Beratung, die es bei den Großen eben nicht gibt. „Ich betreue meine Kundinnen seit mehr als 20 Jahren“, hält sie fest. Deshalb weiß sie ziemlich genau, welche Garderobe bei ihren Stammkundinnen im Schrank hängt und was zu deren Stil passt. Schon beim Einkaufen der Waren wusste sie deshalb stets, für wen sie welche Stücke ordern musste. Den Stil insgesamt beschreibt sie als „lässig-chic und ausgefallen, ein bisschen anders.“

Lässig-chic und ausgefallen – so ist die Mode, die Renate Feldmann in der Boutique „Gibsy“ verkauft.
Lässig-chic und ausgefallen – so ist die Mode, die Renate Feldmann in der Boutique „Gibsy“ verkauft. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Doch ob dieses Modell eines für die Zukunft ist? Renate Feldmann bezweifelt es. Denn neben der bereits genannten Konkurrenz-Situation durch große Ketten und Online-Shops hat sich auch die Kundschaft verändert. Über ihre Kundinnen sagt Feldmann, sie seien mit ihr alt geworden. Und bei den jüngeren Frauen fällt ihr auf, dass es modisch sehr uniform zugeht, einen eigenen Kleidungsstil zu haben, ist bei ihnen zumindest nicht mehr die Regel.

Dennoch wird die Schließung der Boutique „Gibsy“ einige Weselerinnen in Bedrängnis bringen. Ihre Stammkundinnen hätten schon gefragt „wo sie denn kaufen sollen, es gäb ja nichts mehr in Wesel“, berichtet Renate Feldmann. Und auch ihr selbst fällt es zunehmend schwer, in der Stadt fündig zu werden.