Wesel. Nach vielen Jahren macht das Geschäft Blumen Terlinden in Wesel dicht. Die Inhaber rechnen vor, wie heftig die Energiepreise sie treffen.
Wenn man Arnd Lohmeier zuhört, dann mag man sich kaum ausmalen, wie seine Gemütslage in ein paar Wochen, am 30. September, und in den Tagen danach aussehen wird. „Es ist doch ein toller Job, mit diesen vielen Farben.“ Seine Augen strahlen und funkeln, das Lächeln wird breiter und breiter, wenn er von „seinen“ Blumen spricht. „Ich bin mit Leib und Seele Gärtner, hab es immer mit Vollgas gemacht.“
Wie oft ist Arnd Lohmeier in den vergangenen 25 Jahren nachts aufgewacht, hat aufs Thermometer geschaut, was ihn und seine Blumen wohl am kommenden Tag erwartet. Ist dann am frühen Morgen in den Arbeitstag gestartet, sieben Tage die Woche, auch an den Feiertagen. Sein Geschäft, Blumen Terlinden, ist mehr als eine Institution in der Weseler Feldmark, speziell für die beiden Kulturen Hornveilchen und Eisbegonien, aber auch Geranien und die so beliebten Weihnachtssterne. Doch am 30. September ist Schluss am Mühlenweg, dann machen Delia und Arnd Lohmeier nach 25 Jahren ihr Blumengeschäft und den Gärtnereiverkauf dicht. „Man macht nicht so einfach zu“, glaubt Arnd Lohmeier. „Da wird mehr als eine Träne verdrückt.“ Auch bei den vielen Stammkunden in der Umgebung, bei den langjährigen Mitarbeitern, den vielen Auszubildenden der vergangenen Jahre.
Aber, so ist sich der 57-Jährige im gleichen Atemzug sicher, sei die Entscheidung nach reiflicher Überlegung gefallen und auch zum richtigen Zeitpunkt gekommen. Es seien einige Faktoren zusammengekommen. Vor allem die steigenden Energiepreise haben den Lohmeiers die Begeisterung fürs Geschäft geraubt. „Wenn die nicht wären, säßen wir heute nicht hier, das schwöre ich Ihnen“, sagt der Gärtnermeister nachdenklich. Denn die seien zuletzt ins Unermessliche gestiegen. In einem Winter verheize er in den Gewächshäusern so viel, wie ein Privathaushalt in 20 Jahren verbraucht. Vor vier Jahren erst hatte Arnd Lohmeier für viel Geld einen neuen Gaskessel eingebaut.
Blumen Terlinden in Wesel: Hohe Energiekosten, keine Nachfolger
Ein weiterer Grund, aus dem sich die Lohmeiers Anfang des Jahres zu Aufgabe entschlossen haben: Tochter und Sohn sind heute in anderen Berufen erfolgreich, es gibt also keinen Nachfolger. „Wir haben das aber auch nie forciert, auch wenn sie als kleine Kinder immer dabei waren und gerne auf der Topfmaschine gesessen haben“, schmunzeln die Eltern. Und Bruder Jörg betreibt in Obrighoven ebenfalls eine Gärtnerei, ist dort gut ausgelastet.
Ein schwerer Schicksalsschlag war zudem der Tod von Vorgänger Franz Terlinden im vergangenen Dezember. Von im hatte Arnd Lohmeier zum 1. Januar 1999 den Betrieb übernommen, bei ihm auch die Ausbildung gemacht. „Schon nach sechs Wochen hat er mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, mal den Betrieb zu übernehmen“, erinnert sich Arnd Lohmeier. „Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis.“
Die Corona-Jahre waren für den Blumenhandel und die Gärtnereien allerorts wirtschaftlich gesehen eine rentable Zeit. „Doch wir wussten, dass es danach wieder anders wird“, verrät Delia Lohmeier, die unter anderem für die Buchhaltung zuständig ist. In den acht Wochen der jährlichen Pflanzsaison, von Mitte April bis Mitte Juni, war die Blüte-Zeit für die Terlindens, vor dem Geschäft standen die Kunden Schlange, die Autos stauten sich auf der Straße. 80 Prozent des Umsatzes wurden da gemacht.
„Auf der einen Seite steigen die Kosten, auf der anderen gehen die Umsatzzahlen zurück“, sagt Delia Lohmeier, gelernte Bankkauffrau und halbtags noch bei einem anderen Weseler Unternehmen beschäftigt. „Da muss man vorsichtiger werden.“ Und keiner sehe, wie lange das Produkt in der Entstehung benötige, so Arnd Lohmeier. Auch die Zeit der Gräberkränze, der Gestecke für Feiern sei längst vorbei. „Der Druck wird größer, die kleineren Gärtnereien werden verschwinden. Es ist ein Wahnsinnsaufwand.“
Weseler Familienunternehmen gibt es seit über 120 Jahren
Um 1900 herum hat Wilhelm Terlinden das Familienunternehmen gegründet – zunächst konzentrierte man sich auf den Gemüseanbau. Arnd Lohmeier zeigt einen originalen Lehrvertrag aus dem Jahre 1948, in dem der Lehrmeister dem Gärtnerlehrling bei „Gewährung von gesunder und ausreichender Kost, gesunder und sauberer Unterkunft sowie bei Reinigung der Leibwäsche“ im ersten Lehrjahr wöchentlich eine D-Mark zahlte.
Alle drei Kinder von Wilhelm Terlinden wurden Gärtner, Franz übernahm den Betrieb am Mühlenweg. Rund 100 Lehrlinge wurden hier ausgebildet – „und alle sind irgendwo untergekommen“, wie Arnd Lohmeier stolz betont. „Zu vielen habe ich noch Kontakt.“ Bis im kommenden Jahr hält Arnd Lohmeier den Gärtnereibetrieb noch offen. Was danach kommt, was mit den Gewächshäusern passiert, ist noch offen. „Wir hören aber absolut gesund auf. Ich kann einen Betrieb in voller Blüte übergeben.“