Herne/Wesel. Zwischen Ruhrgebiet und Wesel geht auf der Zugstrecke fast nichts mehr. Was Pendlerinnen und Pendler über den Schienenersatzverkehr berichten.
- Seit vergangenem Wochenende fahren keine Züge aufgrund der Bauarbeiten zwischen Wesel und Oberhausen.
- Viele Pendler müssen den Schienenersatzverkehr nutzen.
- Ein NRZ-Reporter ist am Montag mit dem Zug und dem Ersatzverkehr zwischen Herne und Wesel gefahren.
An diesem sommerlichen Montag kämpft die Sonne damit, sich ihren Weg durch die grauen Wolken zu bahnen, während zahlreiche Pendlerinnen und Pendler am Gleis 1 des Herner Bahnhofs stehen. Jeder von ihnen hat eine eigene Reiserichtung. Einige werden in Gelsenkirchen aussteigen, andere planen, pünktlich um 9.18 Uhr in Oberhausen umzusteigen, um von dort aus weiter nach Wesel zu fahren.
Seit dem vergangenen Wochenende stehen Bahnreisenden erneut erhebliche Beeinträchtigungen bevor. Aufgrund der geplanten Bauarbeiten ist die Strecke am Niederrhein für mehrere Wochen teil- oder vollgesperrt. Pendlerinnen und Pendler müssen währenddessen auf den Schienenersatzverkehr umsteigen, der zwischen Oberhausen, Dinslaken, Wesel, Emmerich, Bocholt und Arnheim fährt – wobei die Zuverlässigkeit dieses Ersatzverkehrs nicht immer gewährleistet ist.
Am Oberhausen Hbf steht Ali, ein Wanne-Eickeler, der nicht fließend Deutsch spricht. Kurz vor halb zehn versucht er verzweifelt, mithilfe eines Screenshots aus der DB-App den richtigen Zug nach Wesel zu finden. „Ich habe in Wesel einen wichtigen Termin, deshalb muss ich dorthin fahren“, erklärt er. Allerdings zeigt die Anzeigetafel, dass der RE5 heute nicht nach Wesel weiterfährt. Alis Plan B wäre der RE19 gewesen. „So steht in meinem Screenshot“ sagt er und ergänzt: „Ich muss nach Dinslaken fahren und dann mit dem Bus nach Wesel.“
RE19 nach Wesel: Eine Bahnfahrt geht nicht ohne Gleiswechsel
ie Verspätung beträgt bisher acht Minuten, doch eine Bahnfahrt geht nicht ohne plötzliche Gleiswechsel. Kurz vor der Abfahrt müssen Ali und die anderen Pendlerinnen und Pendler in der allerletzten Minute vom Gleis 9 auf Gleis 6 wechseln. Als sie da angekommen sind, bricht eine weitere Durchsage jedoch die vorherige ab und verkündet, dass der RE19 nun doch planmäßig von Gleis 9 abfahren soll. „Sie spielen mit uns“, sagt Ali und eilt so schnell wie möglich, um den bereits wartenden Zug zu erreichen.
Es ist fünf vor 10 Uhr als der RE19 nach Dinslaken abfährt. Ali steigt ein und setzt sich vor den Info-Monitor im Zug, um die Haltestellen im Auge zu behalten. „So kann ich genau verfolgen, wo ich bin.“ Mittlerweile schweben viele Fragezeichen über Alis Kopf: Wie soll er danach weiterfahren? Wo steht der Bus? Der Plan des Schienenersatzverkehrs bleibt für Ali unklar, auch in der Bahn-App gibt es keine Infos dazu. Erst kurz vor Dinslaken kommt die erste Durchsage zu den Ersatzbussen: „Dieser Zug endet in Dinslaken. Sie haben die Möglichkeit, den Schienenersatzverkehr nach Wesel zu nutzen.“
Pendler aus Duisburg kann auf sein Auto nicht verzichten
In Dinslaken steigen Pendlerinnen und Pendler aus, die in Richtung Wesel weiterfahren möchten. Am Busbahnhof kritisiert ein Mann die aktuelle Situation. Er pendelt täglich zwischen Duisburg und Friedrichsfeld. „Mit dem Auto dauert die Fahrt nicht mehr als 40 Minuten. Allerdings, wenn ich mit der Bahn fahre, bin ich nicht nur heute, sondern seit Monaten wegen Bauarbeiten und Verspätungen mehr als zwei Stunden unterwegs“, sagt der Duisburger. Deshalb kann er auf sein Auto nicht verzichten.
In einem vollen Bus fahren Ali und die anderen Pendler in Richtung Wesel. Zwei junge Männer stehen, ein Kleinkind sitz neben seiner Mutter und lacht über den Klingelton eines Handys, währenddessen setzt ein Mann sich seine Brille auf und scrollt mit dem Zeigefinger auf seinem Smartphone. Die Busfahrt nach Wesel mit Zwischenstopps in Voerde und Friedrichsfeld dauert etwa 30 Minuten. Dort kommt Ali nach etwa zweistündiger Fahrt erschöpft an und stellt fest: „Ich kann mir gerade die Rückfahrt nach Wanne-Eickel nicht vorstellen.“
Hätte Ali bloß gewusst, dass am Nachmittag alles glatt läuft: Um 17.30 Uhr ist Feierabend. Ein junger Mann fragt den Busfahrer: „Fahren Sie nach Oberhausen?“. „Ja“ antwortet er. Sieben Fahrgäste steigen danach in den Bus am Weseler Bahnhof ein und fahren ohne Zwischenstopps über die A3 in Richtung Oberhausen. Nach etwa 30 Minuten kam der Bus am hinteren Eingang des Oberhausener Hauptbahnhofs. Mit etwa 12 Minuten Umsteigezeit schafft man es locker mit der RE3 nach Herne weiterzufahren.