Wesel. Ulrich Gorris startet mit seiner Frau von Obrighoven aus die kombinierte Zug- und Radtour bis zur Ostseeinsel Rügen. Über 300 Kilometer im Sattel
Verrückte Sachen hat Ulrich Gorris schon sein Leben lang gemacht. Bereits in den 80er Jahren seien er und seine Freunde „alle links, öko und ein Teil der Friedensbewegung“ gewesen, erzählt der heute 60-Jährige schmunzelnd, aber noch immer voller Überzeugung. Natürlich habe er auch schonmal Flugreisen unternommen, doch dabei auch immer ein schlechtes Gewissen gehabt, weil er um den enormen CO2-Ausstoß von Flugzeugen weiß. Der Fraktionschef der Grünen in Wesel versucht, bei all seinem Handeln möglichst wenig die Umwelt zu belasten. Für sich selber ist der Lehrer überzeugt: „Ich könnte auch fast komplett aufs Auto verzichten.“
Er berichtet allerdings auch von den wenigen Ausnahmen, wenn er beispielsweise für seinen Technikkurs 100 Kilogramm schwere Betonteile oder über zwei Meter lange Holzbretter transportieren muss: „Dafür müsste ich sonst zwei oder dreimal im Monat Car-Sharing machen“, so Gorris.
Er versucht, immer möglicht viele Strecken per Fahrrad zurückzulegen, doch in diesem Sommer startet er zum ersten Mal zusammen mit seiner Frau Eva zu einem 18-tätigen Sommerurlaub per Fiets von zu Hause aus. Damit stimmt das Weseler Lehrer-Ehepaar mit jenen 24 Prozent der Kreis Weseler Bevölkerung überein, die bei der repräsentativen Umfrage im Auftrag der NRZ die Frage „Verändert die Klimadiskussion Ihre Urlaubsplanung?“ mit „Ja“ beantwortet haben. Zwar waren die Fahrräder auch in vergangenen Jahren im Urlaub von Familie Gorris mit dabei – doch diesmal bleibt das Auto komplett in der Garage, um die Umwelt zu schonen. Das bedeutet allerdings eine gründliche Vorbereitung – und extreme Beschränkung vor allem beim Gepäck.
Die Kunst, sparsam zu packen
Ulrich Gorris selber versucht lediglich sieben bis acht Kilogramm in seine Satteltaschen zu verstauen, seine Frau, die mit dem E-Bike im Urlaub unterwegs sein möchte, wird etwa zehn Kilogramm mitnehmen. Da der 60-Jährige nicht zum ersten Mal tagelang mit dem Rad unterwegs ist, beherrscht er die „Kunst der Beschränkung“ bereits. Schon in den Vorjahren hat er teilweise „Urlaub auf dem Zweirad“ gemeistert, wie im vergangenen Sommer, als er zunächst mit seiner Frau im Allgäu war, sich dann aber auf dem Rückweg samt Fahrrad in Wiesbaden hat absetzen lassen – auf drei Tage verteilt ist er dann an der Lahn und dem Rhein entlang zurück bis nach Wesel geradelt.
Einen Kurzurlaub hat Ulrich Gorris, der als 24-Jähriger das erste Mal als Grüner in den Weseler Stadtrat eingezogen ist, mit seiner Frau bereits mit dem Rad unternommen: Die beiden sind die Römer-Lippe-Route von der Mündungsstadt Wesel bis zur Quelle in Bad Lippspringe gefahren - danach mit dem Zug zurückgekehrt. „Eine herrliche Tour, die ich jedem Weseler, der gerne Fahrrad fährt, nur empfehlen kann. Vor allem das erste Stück über Hünxe und Schermbeck bis Haltern und der letzte Abschnitt von Lippstadt über Paderborn sind einfach toll!“, so Gorris.
In diesen Sommerferien ist nun Binz, das Seebad auf der Ostseeinsel Rügen, Ziel der beiden Weseler. Sie wollen sich in Obrighoven auf den Sattel schwingen und nach wenigen Kilometern am Weseler Bahnhof in den Zug steigen – nach einem Umstieg in Duisburg geht es weiter per Bahn bis nach Lübeck. Rund 55 Kilometer weiter ist dann Travemünde direkt an der Ostsee das nächste Zwischenziel. Die folgenden rund 250 Kilometer durch Mecklenburg-Vorpommern teilen die beiden sich so auf, dass sie täglich vier bis fünf Stunden gemütlich radeln – etwa 70 bis 80 Kilometer müssten dann zu schaffen sein, ist sich Gorris sicher.
Kleine Ungewissheit durchs 9-Euro-Ticket
Die Unterkünfte sich gebucht – überall besteht auch die Möglichkeit, die Fahrräder sicher unterzustellen. Zwei Ungewissheiten gibt es aus Sicht von Ulrich Gorris allerdings noch, die mit der Einführung des 9-Euro-Tickets zusammenhängen. „Für die Rückfahrt von Binz nach Hamburg konnte ich vorab keine Fahrradtickets buchen – ich hoffe, wir können die Räder trotzdem mitnehmen“, erklärt der Weseler. Gleiches gelte für die erste kleinere Strecke mit dem Zug von Wesel nach Duisburg, doch diese könnten er und seine Frau zur Not auch direkt per Rad zurücklegen.
Apropos Radfahren: Der 60-Jährige ist begeisterter Teilnehmer am Stadtradeln, hat auch bei der jüngsten Aktion in den vergangenen drei Wochen rund 900 Kilometer gestrampelt. „Etwa ein Drittel waren Dienstfahrten, ein zweites Drittel Training und das dritte sonstige Alltagsfahrten wie zum Einkaufen“, berichtet er und lobt neben dem Klimaschutzgedanken auch das Konzept dahinter: „Das Phänomen ist ja: Wenn alle Rad fahren, fahren einfach alle mehr Rad.“
Hoffnung auf möglichst viele Nachahmer
Und mit dem Rad in den Urlaub? „Wir kennen einige weitere Leute in unserem Freundes- und Bekanntenkreis, die das auch machen. Andere lassen sich vielleicht von uns inspirieren und es wäre ja schön, wenn viele das einfach mal ausprobieren. Aber alleine schon für den Urlaub in Deutschland zu bleiben, würde die Umwelt entlasten.“