Schermbeck. Zwei Frauen aus der Ukraine haben mit ihren Kindern in Altschermbeck eine neue Bleibe gefunden. Jetzt suchen sie Kontakt zu anderen Geflohenen.

Es sind Bilder, die derzeit die Welt erschüttern. Frauen und Kinder, die vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine aus ihrer Heimat fliehen. Ihnen schlägt eine Welle der Hilfsbereitschaft entgegen – auch in der Gemeinde Schermbeck.

Anfang März haben fünf Flüchtlinge nach einer langen Odyssee Schermbeck erreicht. Bei ihrer Flucht hatten die beiden Familien großes Glück. Jetzt kommen sie langsam zur Ruhe und versuchen, sich einzuleben so gut es geht. Dabei erhalten sie jede erdenkliche Unterstützung von ihrer Gastfamilie. Trotzdem ist es für alle nicht einfach. Immer noch sind sie, besonders die drei Kinder, von der langen Flucht und den Erlebnissen traumatisiert. Um die schlimmen Erfahrungen auch mit Leidensgenossen aufarbeiten zu können, suchen sie Kontakt zu anderen Menschen aus der Ukraine.

Die lange Reise startete in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Dort flohen Maria (40) und Katharina (42) mit ihren Kindern Timothy (9), Marina (10) und Bogdan (15) mit dem Auto. Alles, was ihnen am Herzen liegt – Haus, Freunde und ihre Ehemänner – mussten sie hinter sich lassen.

Tränenreicher Abschied an der Grenze

Als die beiden Frauen Kiew mit dem Ziel Frankfurt verließen, hörten sie ständig die Bomben im Hintergrund einschlagen. Bis zur Grenze nach Polen wurden die Ärztin und die Leiterin eines Logistikzentrums von ihren Ehemännern in einem zweiten Auto begleitet. Kurz vor der polnischen Grenze dann der tränenreiche Abschied. Die Männer fuhren nach Kiew zurück, um ihre Heimat zu verteidigen. Auf die Frauen und die Kinder warteten quälend lange Tage, bevor sie endlich sicheres Territorium erreichen konnten.

Zwei Tage und Nächte standen sie mit ihrem Auto in der Warteschlange. In dieser Zeit lebten und schliefen sie in ihrem Auto. Dann endlich konnte die Fahrt Richtung Frankfurt fortgesetzt werden. Geplant war, in der Main-Metropole bei Verwandten unterzukommen. Doch bis sie schließlich dort ankamen, waren die zur Verfügung stehenden Räume bereits von anderen Flüchtlingen belegt.

Ein Zufall führte sie nach Altschermbeck

Auch die nächste Hoffnung, bei einer Familie in Düsseldorf unterzukommen, zerplatzte wie eine Seifenblase – in der gesamten Landeshauptstadt fand sich keine Unterbringungsmöglichkeit. Nur durch einen großen Zufall bekamen die völlig erschöpften Flüchtlinge den Kontakt zu einer Altschermbecker Familie. Nach einem Anruf erklärte sich diese sofort bereit, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Kurzerhand wurde die Wohnung für die Gäste vorbereitet. Es musste Platz geschaffen werden, es wurde geschoben, geputzt und alles Brauchbare vom Dachboden geholt und aufgebaut.

Flucht aus Kiew: Senioren liefen 70 Kilometer zu Fuß

„Das Schlimmste ist, dass wir nicht wissen, was morgen kommt“, sagt Marina. Schlimm seien auch die zwei Tage Warten an der Grenze gewesen, berichtet Katharina, die Ärztin. Eine Woche später kamen auch die Eltern von Katharina in Schermbeck an. Das Ehepaar Tatjana (71) und Michael (72) ist von der Flucht immer noch stark traumatisiert. Tatjana kann ihre Tränen nicht zurückhalten, als sie von der Flucht aus ihrer Heimatstadt Kiew erzählt. Beide wollten eigentlich nicht fliehen, aber binnen weniger Stunden mussten sie ihre Wohnung und ihre Heimat verlassen. Ein Verwandter hatte ihnen Fahrkarten für den Zug besorgt. Bis Lwiw konnten sie die Bahn nutzen. Den restlichen Weg bis zur Grenze, rund 70 Kilometer, mussten die älteren Herrschaften zu Fuß zurücklegen. Dort wurden sie von Bekannten abgeholt und nach Tschechien gebracht. Von dort ging es weiter über Wien und Düsseldorf.

Kinder brauchen dringend Kontakte

Was die Zukunft bringt, könne niemand sagen, aber in einer Sache sind sich alle einig: „Wir möchten so schnell wie möglich wieder zurück in die Ukraine!“ Für die nahe Zukunft haben sie vor allem einen Wunsch: Den Kontakt zu Gleichgesinnten, die ihr Schicksal teilen und aus eigenem Erleben verstehen. „Das gilt mehr noch für die Kinder als für die Erwachsenen“, fügt Maria hinzu. „Ihnen würde die Abwechslung und der Kontakt zu Gleichaltrigen guttun.“