Wesel. In Wesel werden immer mehr Fahrradstraße ausgewiesen. Doch ein Radfahrer sagt: Viele Autofahrer kennen die Regeln nicht. Die Stadt reagiert.
Immer mehr Menschen sind mit dem Fahrrad unterwegs – nicht nur in der Freizeit, sondern genauso im Alltag. Das hat auch die Stadt Wesel erkannt, die von einem Verband erst kürzlich wieder offiziell als fahrradfreundliche Kommune eingestuft wurde. Um den unmotorisierten Verkehr auf zwei Rädern zu stärken, setzen Politik und Verwaltung seit einigen Jahren auf die Einrichtung von sogenannten Fahrradstraßen. Zuletzt wurden im Herbst rund 20 neue Straßen eingeweiht, auf denen Radler und Radlerinnen Vorrang haben. Nur: Weiß die Mehrheit der Autofahrerinnen und Autofahrer überhaupt, welche Regeln dort gelten?
Ein Treffen mit Matthias Arnemann. Es ist ein kühler Freitagvormittag, der Regen der vergangenen Tage hat für ein paar Stunden Pause gemacht. Der 44-Jährige ist natürlich mit dem Rad zur Straße Am Blaufuß in Schepersfeld gekommen. Die Verbindung zwischen der Friedenstraße und der Nordstraße direkt an der Bahnlinie führt durch ein Gewerbegebiet und gehört zu den Straßen, die seit November als neue Fahrradstraße ausgewiesen sind.
Am Blaufuß in Wesel: „Das war schon immer eine Rennstrecke“
Radfahrer und Radfahrerinnen haben Vorrang. Theoretisch dürfen Autos oder Lastwagen dort gar nicht fahren – in der Praxis sind die Straßen jedoch meistens für sie freigegeben, so wie am Blaufuß. Mehr als 30 Kilometer pro Stunde darf niemand auf dem Tacho haben, es können also nur langsam fahrende Radler mit großem Abstand überholt werden. Außerdem ist es erlaubt, dass Radfahrer nebeneinander fahren. Zu erkennen sind Fahrradstraßen an den quadratischen, weißen Schildern mit dem blauen Fahrrad-Symbol in der Mitte. Darunter ist der Schriftzug „Fahrradstraße“ zu lesen.
Matthias Arnemann kennt den Blaufuß gut, fährt regelmäßig mit dem Fahrrad dort lang. „Das war schon immer eine Rennstrecke“, sagt der Weseler, der beobachtet hat, dass sich nach der Umwidmung in eine Fahrradstraße viele Autofahrer nicht an das vorgeschriebene Tempolimit halten. Immer wieder gebe es zudem Situationen, in denen Radler in geringem Abstand überholt werden. „Und wenn man nebeneinander fährt, wird man angehupt oder sogar beschimpft“, erzählt Arnemann.
Für ihn ist klar: Viele wissen einfach nicht, welche Regeln in den Radstraßen gelten. „Am Blaufuß übersieht man das Schild leicht, wenn man von der Friedenstraße abbiegt“, sagt der 44-Jährige, er habe ähnliche Situationen jedoch auch an der Julius-Leber-Straße und dem Holzweg in der Feldmark erlebt. Aus seiner Sicht braucht es eine großangelegte Infokampagne, um die Fahrradstraßen bei allen Verkehrsteilnehmern ins Bewusstsein zu bringen.
Fahrradstraßen: Stadt Wesel stellt bald neues Konzept vor
Diese Problematik sieht man auch bei der Stadt. Nachdem sich mehrere Bürgerinnen und Bürger mit Anregungen gemeldet haben, wurden zwei Plakate entworfen, auf denen die wichtigsten Regeln kompakt dargestellt werden. Die Schilder stehen seit der vergangenen Woche Am Blaufuß und am Krudenburger Weg und sollen alle paar Wochen den Standort wechseln.
In den vergangenen Monaten hat die Verwaltung ein Konzept zu den Fahrradstraßen erarbeiten lassen, es wird Anfang März im Ausschuss für Stadtentwicklung der Politik vorgestellt. Dabei wurde unter anderem untersucht, wie sich die Radstraßen sinnvoll ins Verkehrskonzept einbauen lassen. „Es geht auch darum, dass alle Verkehrsteilnehmer wissen, was Sache ist“, sagt Michael Blaess, Mobilitätsbeauftragter der Stadt. So könnten etwa Piktogramme auf dem Asphalt auf die Fahrradstraßen hinweisen, so ist es bisher zum Beispiel schon am Holzweg.
Über die Details wird die Politik dann ab März diskutieren, am Ende sollen die Fahrradstraßen ein Teil des neuen Weseler Mobilitätskonzeptes werden. So oder so: Matthias Arnemann wird weiterhin mit seinem Drahtesel in der Hansestadt unterwegs sein – und empfiehlt allen Entscheidern den Blick in die Niederlande. Dort haben „Fietsen“ bekanntlich schon lange und oft Vorfahrt.
Diese neuen Fahrradstraßen wurden 2021 in Wesel eingerichtet:
Holzweg (ab Mühlenweg bis Grünstraße), Julius-Leber-Straße (ab Molkereiweg bis Beginn verkehrsberuhigter Bereich Dietrich-Bonhoeffer-Straße sowie ab Emmericher Straße bis Konrad-Duden-Straße), Krudenburger Weg (ab Schermbecker Landstraße bis Am Schornacker), Kiek in den Busch (ab In der Luft bis zum Parkplatz der Kindertageseinrichtung; ab dort bis zum Beginn des verkehrsberuhigten Bereichs erfolgte die Ausweisung als reine Fahrradstraße), Bagelstraße, Wackenbrucher Straße (ab Bagelstraße bis Kurt-Kräcker-Straße), Am Blaufuß, Eichenstraße, Kirchturmstraße (ab Eichenstraße bis Schafweg) sowie Holunderhain (ab Haltepunkt Blumenkamp bzw. Westfalenweg, weiter über Bruchweg, Huwenweg, Auf dem Heiken, Konrad-Duden-Straße, Am Schwan, Schafweg, Kirchturmstraße bis vor Schermbecker Landstraße/B 58).