Wesel. Der FDP-Abgeordnete Bernd Reuther aus Wesel spricht im Interview über die Pläne der Ampel – und was sie den Menschen hier bringen könnten.
Wenn an diesem Mittwoch Olaf Scholz in Berlin zum neuen Bundeskanzler gewählt wird, dann gibt auch Bernd Reuther seine Stimme ab. Der FDP-Bundestagsabgeordnete aus Wesel gehört zum ersten Mal zur Regierungskoalition. Im Interview mit Robin Brand spricht Reuther über die Pläne der Ampel, Perspektiven für den ländlichen Raum und die Erfolge bei FDP in den Koalitionsverhandlungen.
Herr Reuther, was bringt die Ampel den Menschen in Wesel?
Reuther: Ich mache das mal an meinem Fachbereich der Verkehrspolitik fest, wo die FDP jetzt den Verkehrsminister stellt. Bei der Infrastruktur gibt es große Probleme, ich denke zum Beispiel an die maroden Schleusen im Kreis Wesel. Beim Ausbau der Betuwe-Linie hakt es an allen Ecken und Enden. Da gibt es genügend Punkte, wo wir ansetzen können. Beim Thema Wolf wollen wir den Ländern die Möglichkeit zu einem aktiven Wolfsmanagement an die Hand geben.
Was kann der Bund beim Wolf überhaupt machen?
Die Länder haben immer gesagt, dass sie einen klaren Rahmen brauchen. Da werden wir jetzt klare Bedingungen und Rechtssicherheit auf Bundesebene schaffen.
Der ländliche Raum gerät aus der Perspektive von Berlin-Mitte schnell mal aus dem Blick. Was muss passieren, damit der Kreis nicht vergessen wird?
Wir müssen die Infrastruktur im ländlichen Raum ausbauen, insbesondere den ÖPNV – und dabei auch mal neue Wege gehen. Private Taxianbieter wie Uber werden immer nur mit Metropolen verbunden, aber warum sollte ein solches Geschäftsmodell nicht auch auf dem Land funktionieren? Ganz wichtig ist der Ausbau des 5G-Netzes, damit Unternehmen weiterhin gerne in den Kreis Wesel kommen.
5G und schnelles Internet klingt gut – doch es gibt hier durchaus Ecken, wo die Anwohner mit 4G schon glücklich wären.
Absolut. Wenn ich mit dem Zug von Wesel nach Duisburg fahre, habe ich da drei Funklöcher und fange gar nicht erst an, zu telefonieren. Da müssen wir einfach besser werden, sonst kommen die Menschen nicht in den ländlichen Raum, um hier eine Firma zu gründen.
Fahren Sie meist mit dem Zug nach Berlin? Mit dem Auto ginge es ja auch schnell, so ohne Tempolimit.
Ich nehme meistens den Zug, da kann ich nebenher arbeiten. Das Auto kommt für die Strecke eigentlich nicht in Betracht. Die Debatte ums Tempolimit war sehr ideologisch aufgeladen, ich halte da selbst nichts von.
Das ist Bernd Reuther
Bernd Reuther ist in Wesel geboren und seit 1990 Mitglied der FDP. Von 2014 bis 2020 war er Mitglied der Fraktion im Rat der Stadt, von 2014 bis 2017 deren Vorsitzender. Seit 2018 ist Chef der FDP im Kreis Wesel. Bei der Bundestagswahl 2017 zog er erstmals über die Landesliste seiner Partei in den Bundestag ein, im September gelang ihm der Wiedereinzug ins Parlament.
Ihre Position hat sich bei diesem Punkt durchgesetzt. Ist die FDP grundsätzlich der große Gewinner der Koalitionsverhandlungen?
Das wird gerne so kolportiert. Ich glaube, dass es ganz viele Bereiche gibt, wo wir unsere Punkte gemacht haben, aber auch die Grünen beim Klima- und Umweltschutz oder der Landwirtschaft. Gleiches gilt für die SPD zum Beispiel beim Mindestlohn. So ein Koalitionsvertrag ist für keinen Partner die reine Lehre, jeder muss am Ende für ihn wichtige Punkte drin verankert haben.
Sie sprechen die Landwirtschaft an. Viele Bauern würden gerne ökologisch umbauen, nur das bezahlt ihnen niemand.
Da muss auch ein Umdenken bei den Menschen stattfinden. Man kann nicht sagen, dass man mehr ökologische Landwirtschaft will und dann beim Discounter ganz unten ins Regal greifen. Das ist ein gesellschaftliches Thema: Gute, regional erzeugte Lebensmittel haben ihren Preis und kosten mehr als Fleisch aus einem Massenbetrieb. Der Umbau darf aber auch nicht dazu führen, dass die Landwirte bei uns nach und nach aufgeben. Ihnen müssen faire Preise bezahlt werden.
Das Thema Corona beschäftigt uns weiter massiv. Sind die verschärften Maßnahmen der richtige Weg?
Man kann über einzelne Maßnahmen sicher streiten, aber in Summe sind sie in Ordnung. Ich bin froh, dass eine Impfpflicht in Alten- und Pflegeheimen auf den Weg gebracht wird. Was eine allgemeine Impfpflicht angeht, bin ich aktuell noch skeptisch. Das wird auch schwierig umzusetzen sein und die absoluten Impfgegner wird auch ein Bußgeld nicht stören. Der behördliche Aufwand ist extrem hoch. Wir müssen stattdessen beim Impfen, besonders bei den Boosterimpfungen, viel schneller werden. Im Kreis Wesel ist das bisher nicht wirklich gut organisiert im Vergleich zu anderen Kreisen und Städten. Da fehlen mir Kreativität und pfiffige Ideen.
An diesem Mittwoch soll Olaf Scholz zum Bundeskanzler gewählt werden – die Ampel legt dann richtig los. Wie gespannt sind Sie auf den Start?
Das ist schon noch mal ein ganz neues Gefühl, Teil einer Regierungskoalition zu sein. Das wird ein ganz anderes Arbeiten als bisher in der Opposition. Man geht ja in die Politik, weil man etwas gestalten will und nicht, um nur zu kritisieren. Ich freue mich sehr, dass es los geht.