Wesel. Die RSV-Welle fällt in diesem Jahr besonders heftig bei Kindern aus. Das Marien-Hospital in Wesel musste bisher aber keine Patienten abweisen.
Die Lage ist angespannt, das Krankenhauspersonal am Limit. In der Kinderklinik des Weseler Marien-Hospitals ist aber nicht Corona der Grund, sondern eine andere Atemwegskrankheit: Das Respiratorische Synzytial-Virus, kurz RS-Virus. Es trifft vor allem Kleinkinder und Säuglinge – in diesem Jahr grassiert es schon früher als sonst und mehr Kinder stecken sich an.
Normalerweise ist die Hochsaison der Erkrankung im Januar und Februar. „Jetzt gab es aber schon im September die ersten Fälle und Anfang Oktober ist es richtig los gegangen“, sagt Dr. Simon Flümann, leitender Oberarzt auf der Kinderklinik des Marien-Hospitals. „Wir richten uns darauf ein, dass es den gesamten Winter über so weitergeht.“
Das RS-Virus ist ein weltweit verbreiteter Erreger akuter Erkrankungen der Atemwege. Eine Infektion kann vor allem kleine Kinder schwerer treffen. Typische Warnzeichen sind hohes Fieber, Atemschwierigkeiten mit knisternden Geräuschen beim Atmen, Probleme beim Füttern oder bläuliche Lippen und Nägel. Dazu kommen Schnupfen, Husten und Halsschmerzen.
Bei schweren Verläufen kommt oft es zu einer Bronchitis, Bronchiolitis oder einer Lungenentzündung. In der Weseler Kinderklinik leiden rund zwei Drittel der kleinen Kinder, die dort derzeit dort wegen einer Erkrankung der Atemwege behandelt werden, an RSV. Deutlich seltener müssen hingegen junge Patienten mit Corona-Infektionen ins Krankenhaus, wie Flümann berichtet.
RS-Virus in Wesel: Keine Abweisungen am Marien-Hospital
Dass die Krankheit in diesem Jahr früher und heftiger wütet, könnte mit den Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus zusammenhängen. Weil Kitas lange geschlossen waren, Hygieneregeln streng befolgt wurden, kamen viele kleine Kinder nicht wie sonst mit Viren in Kontakt. „Es gibt sehr sicher einen Nachholeffekt“, sagt Flümann. Dafür spreche auch, dass viele der behandelten Kinder älter sind als üblich. Zudem gebe es auch schwere Verläufe bei Kindern, die nicht zur Risikogruppe gehören. Das sind eigentlich Säuglinge und Kinder mit Vorerkrankungen.
Normalerweise haben Kleinkinder im Jahr zwischen acht und zehn Atemwegsinfektionen, wie Flümann erklärt. Dadurch erlangen sie in der Regel eine Immunität, die vor schweren Verläufen bei Erkrankungen wie dem RS-Virus schützt. Wegen der Corona-Maßnahmen haben viele Kinder diesen Widerstand gegen Erreger nicht aufbauen können – die Erkrankungen werden nun geballt nachgeholt, was die angespannte Situation in diesem Herbst erklären könnte.
Vielen Kinderkliniken in Nordrhein-Westfalen schlagen aufgrund der Lage derzeit Alarm, vereinzelt mussten bereits Patienten abgewiesen werden – der Verband „Leitender Kinder- und Jugendärzte und Kinderchirurgen Deutschlands“ befürchtet gar den Kollaps auf den Kinderstationen. „Wir arbeiten auch in Wesel am Limit, sind aber noch nicht darüber“, sagt Simon Flümann. Bisher sei es zu keinen Abweisungen gekommen am Marien-Hospital. „Es ist uns bisher gelungen, alle Notfallpatienten zu versorgen. Eltern müssen sich keine Sorgen machen, dass sie abgewiesen werden“, betont der Mediziner.
Marien-Hospital in Wesel nimmt an Studie teil
Im Marien-Hospital in Wesel werden Atemwegskrankheiten bei Kindern derzeit wissenschaftlich untersucht. Die Kinderklinik nimmt seit Oktober an der „Pediatric Airway Pathogen Incidence“ (PAPI)-Studie teil, dabei geht es um die Dynamik von Atemwegsinfektionen vor, während und nach der Corona-Pandemie.
Während der aktuellen Infektionssaison werden in der Studie systematisch Daten über Häufigkeit, Verlauf und Erreger von Atemwegserkrankungen bei Säuglingen und Kleinkindern bis 24 Monaten erhoben. Deutschlandweit sind acht Kinderkliniken und vier Kinderarztpraxen teil der Studie der medizinische Hochschule in Hannover. Aus Nordrhein-Westfalen ist nur das Weseler Krankenhaus dabei.