Kreis Wesel. Im Kreis Wesel häufen sich die Fälle von Telefonbetrug. Die Täter setzen ihre Opfer teilweise stundenlang unter Druck, wie ein Ermittler erzählt.

Ihre Methoden sind gemein und ausgefeilt: Kriminelle machen die Hilfsbereitschaft und Schutzlosigkeit älterer Menschen zum Geschäftsmodell. Ganze Callcenter im Ausland sind darauf spezialisiert – und sie verdienen gut.

Frank Baschke ist Kriminaloberkommissar beim KK12 in Wesel und ermittelt kreisweit in diesen Fällen. „Ein solches Callcenter führt 50 bis 100 Telefonate pro Tag“, sagt er. Man rechne, dass etwa ein Prozent der Anrufe erfolgreich sind. Doch es gibt Wege, die Betrüger zu erkennen und nicht zum Zuge kommen zu lassen.

Senioren sollten ihren Telefonbucheintrag löschen lassen

Baschke rät Senioren: „Lassen Sie Ihren Eintrag aus dem Telefonbuch löschen. Ihre Freunde und Verwandten kennen Ihre Rufnummer.“ Die Kriminellen durchsuchen die Telefonbücher nach Vornamen wie Adalbert, Brunhilde, Margarete – Namen älterer Menschen eben. Die rufen sie dann gezielt an, häufig ganze Straßenzüge. Falsche Polizisten melden sich meist aus Südeuropa, der Enkeltrick kommt häufig aus Osteuropa.

Wie kann es sein, dass diese Masche noch immer funktioniert? „Die Angerufenen vermuten nichts böses“, erläutert Baschke. „Das ist eine Generation, die der Polizei vertraut, man betrügt nicht im Namen der Polizei.“ Und in einer Familie hilft man einander, daher wirken Schockanrufe immer wieder. Manchmal gibt es Mitschnitte – deutlich ist darauf zu hören, wie überfordert die Menschen sind. Und wie sehr sie professionell unter Druck gesetzt werden.

Der Ermittler nennt die geläufigsten Maschen: Da gibt es den falschen Polizisten, der über Einbrüche und Überfälle in der Nachbarschaft berichtet. Man habe die Adresse bei einigen Tätern gefunden. Wie das denn sein könne? Haben Sie Bargeld, Schmuck? Auf diese Weise horchen sie ihre Opfer aus.

Viele Geschichten, am Ende geht es immer um Geld

Oder der „Enkel“ hat am Amtsgericht bei einer Zwangsversteigerung ein Haus gekauft und benötigt jetzt sofort Geld von der lieben Oma. „Die Telefonate fangen häufig damit an, dass jemand fragt ‘weißt Du nicht, wer dran ist?’ Die Reaktion ist häufig, dass die Angerufenen die Namen ihrer Lieben nennen.“

Weitere, perfide Masche: Der Schockanruf. Eine weinerliche Stimme - männlich oder weiblich – gesteht, einen schweren Unfall verursacht zu haben, mit Todesopfern. Sie reichen das Telefonat an einen vermeintlichen Polizisten weiter – eine Kaution muss gezahlt werden, sonst droht Gefängnis. Wahlweise gab es einen Unfall unter Alkoholeinfluss und die Geschädigten erklären, sie würden gegen Geld auf eine Anzeige verzichten - und dem Angehörigen das Gefängnis oder den Führerscheinverlust zu ersparen. Besonders bösartig ist die Geschichte, dass ein Angehöriger mit Corona auf der Intensivstation liegt und zum Überleben sofort ein teures Medikament benötigt.

Die Varianten der Betrüger sind groß. „Solche Telefonate dauern mitunter drei bis fünf Stunden“, sagt Baschke. Die Opfer werden angewiesen, Schmuck und Geld vor die Tür zu legen - die Polizei, wahlweise eine Angestellte des Gerichts oder ein Staatsanwalt, werde es sicherstellen. Oder jemand wird dazu genötigt, hohe Summen bei der Bank abzuheben. „Die Täter erfragen die Handynummer ihrer Opfer und halten das Telefonat aufrecht“, erläutert Baschke, „so können sie die Opfer überwachen“.

Die angeblichen Polizisten lassen sich die Seriennummern der Geldscheine vorlesen, um sicher zu gehen, dass tatsächlich Geld abgehoben wurde, schicken sie mitunter ein zweites Mal zur Bank, weil dort Kriminelle am Werk seien, denen man auf die Schliche kommen wolle. Es gab schon Senioren, die unter dem Druck pausenloser Forderungen die EC-Karte samt Pin vor die Tür gelegt haben: Viele sind in diesem Moment einfach überfordert.

Viele Opfer schämen sich und gehen nicht zur Polizei

Nicht jeder, der den professionellen Kriminellen auf den Leim gegangen ist, zeigt die Tat auch an. „Die Scham ist groß“, erläutert der 46-Jährige. Und der Druck ist enorm. Ein aufgezeichnetes Gespräch zeigt, wie alte Menschen in Angst und Schrecken versetzt werden – der Täter hatte mitbekommen, dass eine Frau die Polizei benachrichtigt hat. Er fordert, seinen Anweisungen zu folgen. „Wenn nicht, dann ziehe ich Ihnen einen Baseballschläger über den Schädel. In ein paar Tagen, wenn niemand mehr da ist!“ Für die Ermittler ist es wichtig, dass die Taten angezeigt werden. Nur dann können Verdächtige auch vor Gericht gebracht werden.

Manche Täter werden gefasst – Geld und Schmuck sind allerdings verloren

Dass die Täter - die neuerdings auch schonmal per Whatsapp des Weges kommen – im Ausland sitzen, schützt sie nicht unbedingt vor Strafverfolgung. „Wir arbeiten gut mit den dortigen Behörden zusammen“, erklärt Baschke. Doch selbst wenn die Kriminellen gefasst sind: Geld und Schmuck sind in der Regel unwiederbringlich verschwunden. „Schmuckstücke haben häufig einen sehr individuellen Wert.“

Auch für die Polizei haben diese Aktivitäten unangenehme Folgen. „Wenn ich in einer Ermittlung jemanden anrufe und mich mit Kriminalpolizei Wesel melde, glaubt mir kein Mensch“, hat Baschke festgestellt. Das erschwert die Arbeit der Ermittler.