Hünxe. Noah ist schwerstkrank, doch es findet sich im Pflegenotstand niemand, der die Mutter von fünf Kindern stundenweise in der Pflege unterstützt.
Noah hat schulfrei. Lehrerausflug. Schade für ihn, denn er freut sich auf die Schule, seine Klassenkameraden und seine nette Lehrerin Frau Richter, die den Kindern so gut erklärt hat, dass Noah eine schwere Krankheit hat und deswegen manchmal ganz schnell den Unterricht verlassen muss. Noah weiß, dass er nie wieder gesund wird und alle anderen auch.
Krankenpfleger musste krankheitsbedingt aufhören
Bis vor sechs Wochen kam ein Kinderkrankenpfleger mit in die Schule, half Noah, wenn er zu schwach wurde, ging mit ihm aus dem Klassenraum, wenn sich der Stoma-Beutel löste und Noah schnell versorgt werden musste. Doch nun ist der Pfleger der Johanniter selbst erkrankt. Björn Berger, Pflegedienstleiter des ambulanten Kinderkrankenpflegedienstes der Johanniter NRW mit Sitz in Ratingen, sucht händeringend Personal. Er springt sogar selbst ein, wenn die Not am größten ist. Doch stehen aktuell zehn Kinder in der ambulanten Obhut der Johanniter, deren ambulante Kinderkrankenpflege schwerstkranken Mädchen und Jungen eine medizinische Versorgung zuhause ermöglicht. Dort, wo sie sich am wohlsten fühlen.
Besonders Kinder leiden unter dem Pflegenotstand
„Überall ist zu lesen, dass es in der Altenbetreuung Pflegenotstände gibt, aber es gibt sie auch bei Kindern“, berichtet Björn Berger. Er weiß von vielen Kindern, die wochen-, monatelang in Kliniken verbleiben müssen, obwohl eine ambulante Pflege möglich wäre, aber sich kein Personal dafür findet. Ein Notstand, der aktuell alle ambulanten Pflegedienste trifft. „Wir haben uns schon lange vom Konkurrenzdenken verabschiedet, inzwischen versuchen wir, uns untereinander zu helfen, um die in den Familien erforderlichen Stunden leisten zu können.“ Doch der Hilferuf verhallt.
Tag und Nacht muss die Mutter verfügbar sein
Noah Hennen ist als Frühchen auf die Welt gekommen, das Leben meinte es nicht gut mit ihm. Doch er hat sich bis hierhin durchgekämpft, dank seiner Familie, insbesondere seiner Mutter Nadine, die nicht nur für Noah da sein will, sondern auch für seine vier Geschwister im Alter von 16, 15, 13 und zehn Jahren. Da Nadine Hennen selbst Krankenschwester ist, kann sie die pflegerische Aufgabe stemmen, aber nicht immer, am frühen Morgen, während des Schulunterrichtes, am Nachmittag, am Abend und in der Nacht.
Noahs Erkrankung ist lebensverkürzend, sie heißt CIPO, ist eine unheilbare Darm-Verschluss-Erkrankung. Mindestens 50 Bauch-OPs musste der Achtjährige über sich ergehen lassen, sein Bauch verheilt nicht mehr, die Stoma-Beutel halten nicht. Erleichterung findet er, wenn er in Kamillosan badet.
Es gab ein Jahr, in dem Noah nichts mehr essen durfte. Das war für den kleinen Mann unerträglich. Dank des künstlichen Darmausgangs darf er wieder essen, nicht alles, aber immerhin. Doch er verdaut es nicht, weswegen er künstlich ernährt wird, über Infusionen, die 16 Stunden laufen, durch die er auch Schmerzmittel verabreicht bekommt. Er hat wunderbare Geschwister, die auf ihn Rücksicht nehmen, in seiner Gegenwart nicht das essen, was er nicht darf. Was gar nicht so leicht in einer Vier-Zimmer-Wohnung ist.
Bereits der erste Pflegedienst gab mangels Personal auf
Zwei Jahre klappte das gut mit einem Pflegedienst aus Geldern, bis dieser in Ermangelung von Pflegekräften kündigen musste. Also begleitete Nadine Hennen ihren Sohn zur Schule. Da sie wegen Corona nicht im Klassenraum verbleiben durfte, wartete sie auf dem Innenhof der Schule, immer sprungbereit, um Noah medizinisch versorgen zu können. Von August 2019 bis Januar 2020. Danach fand Nadine Hennen für eine kurze Zeit eine ambulante Betreuung beim Pflegedienst der Lebenshilfe, der allerdings, da defizitär, wieder eingestellt wurde. Noahs Zustand verschlechterte sich wieder, fast ein Jahr wurde er in Spezialkliniken stationär versorgt. Seine Mutter ließ sich immer mit einweisen. Wie glücklich waren alle, als die Johanniter einsprangen!
Doch wie kann man der Familie helfen? Eine Integrationskraft für den Schulunterricht, auch für Noah besteht Schulpflicht, würde die Mutter nur bedingt entlasten, denn sie müsste weiterhin sofort erreichbar sein. Zumal, so die Rechtslage, wenn eine Pflegeassistenz von der Krankenkasse genehmigt ist, darf der Kreis keinen Integrationshelfer bezahlen. Nur – einen Pfleger gibt es nicht. Kreis und Krankenkassen wären zu einem Kompromiss bereit. Doch ohne Krankenpfleger?
Noah akzeptiert seine Krankheit nicht
Nun geht Nadine Hennen wieder mit zur Schule, sitzt ab morgens 8 bis 11.20 Uhr im Auto vor der Schule. Wenn Noah sie braucht, ruft die Lehrerin sie an, dann ist sie sofort zur Stelle. Im Kopf hat sie ihre Einkäufe, was sie schnell zu Mittag kocht, wie sie es schafft, am Nachmittag Arzttermine wahrzunehmen oder die Kinder zu chauffieren. Und immer muss sie Noah mitnehmen. „Er akzeptiert seine Krankheit nicht“, sagt sie traurig. Es gibt Tage, da will er nicht mehr leben. Und versucht es!
Er ist kein Kind, das nur an Schläuchen hängt, das beatmet werden muss. Er kann fröhlich sein, sich freuen, am Leben teilnehmen, aber leider auch viele Stunden matt im Bett liegen. Warum ist die Suche so schwer? Es ist für eine examinierte Pflegekraft eine Aufgabe, die zu schaffen ist. Die Unterstützung der gesamten Familie und der medizinische Hintergrund durch die Johanniter, ein Palliativ-Team der Uni Essen und eine 24-Stunden-Hotline werden garantiert. „Vielleicht finden wir ja eine Mutter, die Krankenschwester ist, deren Kinder morgens in der Schule sind und die dann ein paar Stunden für uns die Pflege übernimmt“, hofft Nadine Hennen. Sie ist am Limit – nach einer Nacht, in der Noah, wie so häufig, wegen Bauchschmerzen und Übelkeit nur eine Stunde schlafen konnte.
>>> Welche Voraussetzungen eine Pflegefachkraft mitbringen sollte
Für zehn Stunden am Tag hat die Krankenkasse einen Pflegedienst für Noah genehmigt. Aber auch wenn es weniger Stunden sind, wäre Nadine Hennen schon begeistert.
Björn Berger erklärt, was konkret benötigt wird: „Wir stellen examinierte Pflegefachkräfte ein, bieten regelmäßige Fort- und Weiterbildungen, sowie eine strukturierte Einarbeitung. Die Pflegekräfte haben jederzeit die Möglichkeit bei Fragen oder Notfällen die Rufbereitschaft zu kontaktieren. Für Fragen oder Bewerbungen: Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., ambulante Kinderkrankenpflege NRW, Hr. Björn Berger, Mühlenstr. 1, 40885 Ratingen, 02102 / 700 70 40. kinderkrankenpflege.nrw@johanniter.de