Wesel. Thomas Kutschaty, Fraktionsvorsitzender der NRW-SPD, besuchte die Weseler Lebenshilfe. Deren Geschäftsführer wünscht sich besseren Austausch.

Keine Kürzungen im sozialen Bereich, mehr Wertschätzung und einen regelmäßigeren Austausch nach einer „mehr als herausfordernden Coronazeit“, in der sich die Lebenshilfe Unterer Niederrhein von der Politik meist „allein gelassen“ fühlte: Das forderte Geschäftsführer Mike Stefan Töller gestern beim Besuch des Fraktionsvorsitzenden der NRW-SPD, Thomas Kutschaty, und des SPD-Bundestagskandidaten Rainer Keller in den Weseler Behindertenwerkstätten der Lebenshilfe.

Beim Rundgang durch die verschiedenen Produktionsbereiche, in denen gerade zum Beispiel Adventskalender bestückt werden, betonte Töller, wie viel die vergangenen eineinhalb Jahre der Leitung, den Mitarbeitern mit und ohne Handicap sowie den Bewohnern der Lebenshilfe-Einrichtungen abverlangt haben. „Plötzlich waren die Werkstätten für drei Monate zu, es galt Betretungsverbot“, schildert er. „Wir haben aber Verträge mit der freien Wirtschaft, Waren mussten geliefert werden.“ Nur, weil die Lebenshilfe kreativ wurde, konnten die Aufträge abgearbeitet werden. „Die Erzieherinnen unserer Kitas, die ebenfalls geschlossen waren, stellten die Ware fertig“, so Töller.

Viele Menschen mit Handicap zogen wieder zu ihren Eltern

Christa Niehuis, Geschäftsbereich Wohnen, wies auf die großen Probleme in den Wohneinrichtungen hin. „Den Bewohnern, die sonst einen geregelten Tagesablauf haben, fehlte mit der Schließung der Werkstätten die Struktur“, so Niehuis. „Das war eine Rieseneinschränkung für sie. Sie waren auf einmal den ganzen Tag zuhause, wir hatten aber nicht mehr Personal zur Verfügung.“ Und neben den ständig neuen Verordnungen sei auch die finanzielle Lage schwierig gewesen, erklärt Niehuis.

Viele Sorgeberechtigte holten ihre Angehörigen nach Hause, so dass die Auslastung in den Wohneinrichtungen teils nur bei 75 Prozent lag. Hinzu kam die unklare Regelung bei den Sonderzahlungen fürs Pflegepersonal. „Die Enttäuschung war riesengroß, als feststand, dass die Zahlungen nicht auch für die Einrichtungspflege gelten“, sagt Niehuis.

Insgesamt, so Töller, sei man trotzdem vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen, „weil alle ihr Bestes gegeben und sich an die Regeln gehalten haben.“ Kein Mitarbeiter sei am Virus gestorben, mittlerweile seien 90 Prozent geimpft. Auch was die Auftragslage betreffe, sei man wieder beim gleichen Stand wie vor der Pandemie. „Manche Kunden haben ihre Aufträge aber abgezogen, weil sie fürchten, dass die Werkstätten noch einmal geschlossen werden“, so Töller.

Auftragslage wieder wie vor Corona

Für die Zukunft wünsche er sich deswegen mehr Wertschätzung und Respekt. „Wenn wir als Gesellschaft Inklusion ernstnehmen wollen, müssen wir die Werkstätten als Teil der Wertschöpfungskette, als Arbeitsplatz, den man nicht so einfach schließen kann, betrachten.“

Dazu gehöre ein ständiger Austausch mit der Politik, bestenfalls einmal im Quartal. Und auch, dass trotz der Milliardenausgaben zur Bewältigung der Coronakrise keine Kürzungen im sozialen Bereich vorgenommen würden. SPD-Politiker Kutschaty betonte, dass dies für ihn nicht in Frage komme.

--> Lebenshilfe hat 400 Beschäftigte in Wesel

Die Lebenshilfe Unterer Niederrhein GmbH beschäftigt insgesamt knapp 1200 Menschen mit und ohne Handicap an den Standorten in Wesel, Alpen-Veen und Rees. In der Werkstatt in Wesel arbeiten rund 400 Beschäftigte.

Die Produktionsbereiche, zu denen unter anderem Metall, Kunststoff sowie Elektromontage gehören, sind eng vernetzt.