Wesel. Die römischen Marschlager in Flüren sind Teil des Niedergermanischen Limes. Sie liegen fast unsichtbar im Wald, sind aber historisch wertvoll.

Wer den Heuweg im Wald bei Flüren entlangläuft, der muss die Augen schon sehr weit öffnen. Unebenheiten oder kleinere Hügel sind im Wald nichts besonderes, hier schon – zumindest einige von ihnen: Am Wegesrand zeigt sich an einigen Stellen ein kaum wahrnehmbarer kleiner Wall. Laut der Bodenkarte, die Archäologe Steve Bödecker vom LVR-Amt für Denkmalpflege in Bonn erstellt hat, ist das der Rest eines der Marschlager, die nun als Teil des Niedergermanischen Limes zum Unesco-Welterbe erklärt wurden. Vier solcher Lager hat Bödecker durch ein damals neues Verfahren 2012 entdeckt. „Wir müssen nun überlegen, wie wir sie präsentieren“, sagt Barbara Rinn-Kupka, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Städtischen Museum. Erste Ideen gibt es, doch klar ist: Ausgegraben wird im Wald nichts. „Damit zerstört man das Bodendenkmal.“

Ein Welterbe erlebbar zu machen, das seit Jahrhunderten vom Wald bedeckt wird, ist nicht ganz leicht. Die vier rechteckigen Felder, die in Flüren entdeckt wurden, zeigen die Umrisse der Manöverfelder. Das sind Lager, die die Römer zu Übungszwecken anlegten, aber auch um Macht auf der rechten Seite des Stroms zu demonstrieren, wie Barabara Rinn-Kupka weiß.

Römer waren am linken Niederrhein sehr präsent

Dass die Römer linksrheinisch bei Xanten sehr präsent waren – auch schon vor der Gründung der Stadt Colonia Ulpia Traiana (CUT) – weiß man. Es gab zum Beispiel die befestigten Hauptlager Vetera I und II bei Xanten, letzteres wurde vom Rhein überspült, dort ist heute die Bislicher Insel. „Bis zu 50.000 Römer waren hier“, so Rinn-Kupka. Und sie haben zwischen Xanten und Wesel auch den Fluss überquert – das machen die rechtsrheinischen Funde militärischer römischer Präsenz so besonders, denn sie sind selten.

Reste der rechteckigen Strukturen zeigen die Umrisse der ehemaligen Marschlager im Wald. Unten im Bild verläuft der Flürener Weg, rechts führt der Heuweg in Richtung Norden, rechts davon ist eines der größeren Lager zu sehen.
Reste der rechteckigen Strukturen zeigen die Umrisse der ehemaligen Marschlager im Wald. Unten im Bild verläuft der Flürener Weg, rechts führt der Heuweg in Richtung Norden, rechts davon ist eines der größeren Lager zu sehen. © LVR-Amt für Bodenpflege

14 Marschlager wurden im Bereich Bislich/Flüren gefunden, acht davon in Flüren. Vier Stätten lassen sich nur noch als leichte Verfärbungen auf Luftbildern von Feldern nahe des Waldes am Flürener Weg erkennen. Die heute im Wald liegenden Lagerflächen konnten erst über das Leader-Scan-Verfahren sichtbar gemacht werden, das Unebenheiten im Boden präzise zutage fördert. Bis zu 50 Zentimeter hoch sind die Reste der Wälle an einigen Stellen heute noch, teilweise sieht man aber nichts. Wann genau die Römer dort ihre Zelte aufgeschlagen haben, ist schwer zu sagen: Bödecker geht von einem Zeitraum zwischen 27 vor Christus zum zweiten Jahrhundert nach Christus aus.

Marschlager in Flüren boten Platz für bis zu sechs Kohorten

Aber was zog sie über den Rhein bei Wesel? Barbara Rinn-Kupka hat eine Erklärung: Der Rhein hatte damals einen nördlichen Nebenarm nahe Flüren. „Der Altrheinarm war eine bequemere Zufahrt in die Lippe als der Hauptstrom.“ Somit lag Flüren strategisch günstig.

Ausgegraben werden die 1,1 bis 2,4 Hektar großen Lager aber nicht. Nicht nur, um die Bodendenkmäler zu schützen: „Die Fundstärke ist eher gering, das weiß man aus Erfahrung“, weiß Rinn-Kupka. Denn die Marschlager wurden nur zeitweise genutzt, feste Gebäude aus Stein gab es nicht. Umgeben waren die Lager von Erdwällen, auf denen Schanzpfähle standen, sowie von Gräben. Die beiden kleineren Lager boten vermutlich Platz für zwei bis drei Kohorten mit jeweils 480 Soldaten, die beiden größeren Manöverfelder konnten fünf bis sechs Kohorten beherbergen.

Pläne für Präsentation des Unesco-Welterbes in Wesel

Eine Weseler Lenkungsgruppe für die Welterbestätte, die Barbara Rinn-Kupka koordiniert, wird sich nun Gedanken darüber machen, wie das eher unsichtbare Bodendenkmal und seine Bedeutung für die Menschen gemeinsam mit den anderen Fundplätzen sichtbar gemacht werden kann. Wander- und Radrouten mit Schildern sind da eine Idee, weitere werden erarbeitet. Erste Vorschläge will die Lenkungsgruppe der Politik im September vorstellen, dann soll ein Kooperationsvertrag mit den anderen NRW-Kommunen entlang des Niedergermanischen Limes geschlossen werden.