Wesel/Hamminkeln. „Korn B“ heißt das anspruchsvolle EU-geförderte Projekt, bei dem mit alten Getreidesorten neue Felder eröffnet werden sollen.

Der „Gelbe Igel“ hat die regnerisch-windige Nacht zum Montag bestens überstanden. Steht wie eine Eins auf der Ackerfläche am Huwenweg in Blumenkamp. Nicht ganz so gut lief es für den Chevalier. „Die Gerste hat sich über Nacht hingelegt“, schmunzelt Landwirt Walter Buchmann. „Aber nicht so schlimm, sie wächst weiter.“ Die beiden Sommer-Getreidesorten gehören zu dem vor etwas mehr als einem Jahr gestarteten Projekt mit dem Namen „Korn B“.

Ziel des mit 500.000 Euro von der EU geförderten Vorhabens, für das sich die Stadt Hamminkeln und der Kreis Wesel zu einer Kooperationsgemeinschaft zusammengefunden haben, ist es, alte, traditionelle Getreidesorten anzubauen und für das Brau- und Backhandwerk zu nutzen. Das Projektteam aus drei Landwirten, zwei Bäckern, zwei Brauern sowie Wissenschaftlern und Studenten der Hochschule Geisenheim will in der knapp dreijährigen Laufzeit bis Ende 2022 bestimmte Getreidesorten identifizieren, die sich am Niederrhein für den Anbau und für das Backen und Brauen im Speziellen eignen.

Erfahrungswerte bei alten Getreidesorten fehlen

In der Theorie sind alte Getreidesorten oft krankheitsresistenter, können lange Trockenphasen besser überstehen, tragen zum Wasserschutz durch Nitratbindung und zur besseren Stickstoffbindung durch den Zwischenfruchtanbau bei. Dass sich in der Praxis aber auch wie erwartet im ersten Jahr einige Probleme dazu gesellt haben, wollte Thomas Michaelis, Projektleiter bei der Stadt Hamminkeln, gestern bei einem Treffen mit den Teilnehmern auf dem Hof von Walter Buchmann nicht verhehlen: „Die Schwierigkeit war, dass wir keine Erfahrungswerte mit alten Getreidesorten haben. Alle Teilnehmer fangen bei Null an. Das Malz ist uns nicht so gut gelungen. Wir müssen aus den Erfahrungen lernen.“

So gab es im vergangenen Jahr aufgrund der längeren Hitzeperiode einen überschaubaren Ertrag – und auch in diesem Jahr könnte es wieder ein Problem geben. Wintergetreide bringt erfahrungsgemäß weit höhere Mengen. „Wir hoffen, dass wir in diesem Jahr drüber liegen“, sagt Landwirt Buchmann. „Am Ende muss der Ertrag passen, damit es Spaß macht.“ Auch Christian Dorsemagen betont: „Geld verdienen müssen wir alle.“ Der Landwirt beklagte das Fehlen der Zwischenstufe vom Erzeuger hin zur Produktion des Bieres oder Brotes. So gebe es in der Region keine kleinen Mälzereien oder Mühlen.

Mälzer war schwierig zu finden

Ein Problem, mit dem auch die Brauer Wilhelm Kloppert und Walter Hüsges leben mussten. Es fand sich keine Mälzerei, die Mengen von nur 500 Kilogramm verwertet. „Es war uns klar, dass es schwierig wird, aber nicht so schwierig“, gab Walter Hüsges offen zu. Am Ende fand man doch einen Mälzer, dem aber die Erfahrung fehlte – und so wurde es aus den ersten Versuchen nichts. „Aus dem Getreide kann man aber durchaus ein gutes Bier machen“, glaubt Wilhelm Kloppert. So setze man nun auf die diesjährige Ernte und könne vielleicht im Oktober ein leckeres Bier präsentieren. Das Probebacken des Dinkelbrotes lief indes erfolgreicher, hier könnte es in der Bäckerei von Matthias Winkelmann im September die ersten Exemplare zu kaufen geben – sofern es eine passende Mühle gibt.

Landrat Ingo Brohl freute sich über das Projekt insgesamt sowie die damit verbundene Wertschätzung der Landwirtschaft und ihrer Produkte: „Wir brauchen neue Ideen, um die Landwirtschaft nach vorne zu bringen, und da hilft es auch manchmal, in die Vergangenheit zu gehen.“ Das gelte besonders vor dem Hintergrund, wie viele Arbeitsplätze von der Landwirtschaft abhängen.

Geste hat gute Eigenschaften

Um die Wertschöpfung insgesamt zu erhöhen, habe sich der Kreis Wesel mit dem Kreis Kleve als Öko-Modellregion NRW beworben. „Wir wollen deutlich machen, dass die Landwirtschaft Richtung Zukunft geht und sich öffnet.“ Ziel sei es auch, das Projekt „Korn B“ bei der Grünen Woche im kommenden Jahr zu präsentieren.

Thomas Michaelis allerdings weiß, dass die Projektteilnehmer mit dem Budget von insgesamt 500.000 Euro für drei Jahre nicht kostendeckend arbeiten können. „Da ist viel Herzblut erforderlich, wir sind glücklich, die Unternehmer dafür gefunden zu haben. Für sie ist es ein Hobby. Aber ganz klar, nach drei Jahren muss es einen Ertrag bringen.“ Das Projekt mache Spaß, aber es sei auch anspruchsvoll und komplex. Hoffnung machten indes die Studenten der Hochschule Geisenheim: „Die Gerste ist zum Backen und Brauen geeignet, sie hat gute Eigenschaften.“