Wesel. In einer Siedlung am Waldrand in Wesel sind nicht nur die Straßen nach Tieren benannt, die Menschen leben auch wirklich mit ihnen.

Antje Müller kann sich noch genau erinnern, wie sie vor rund zehn Jahren auf ihr schmuckes Haus am Waldesrand aufmerksam geworden war. „In der Anzeige stand: ,Wohnen, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen‘“, berichtet die 51-Jährige lachend. Das sei ja schon mal sehr ansprechend gewesen und sie habe es bisher noch nicht einmal bereut, dann wirklich an den Hasenweg gezogen zu sein. „Hier ist es super!“, schwärmt sie und bestätigt, dass ihr beim Spazierengehen mit ihrem Hund Hugo auch öfter Hasen begegnen. Doch der zweijährige Labrador gehorcht aufs Wort, lässt die Hasen laufen, berichtet sein Frauchen und stellt die These auf: „Fast alle Anwohner hier am Hasenweg haben einen oder sogar mehrere Hunde.“

Und gibt’s auch Hasenbesitzer in einem der rund 30 Häuser? „Ja, wirklich! Ein paar Häuser weiter die Nachbarn hatten mal einen Langohr-Hasen“, erinnert sich Müller schmunzelnd. Doch dem ist kürzlich ein Raubtier zum Verhängnis geworden: „Den hat ein Mader gekillt!“, berichten seine Besitzer.

Hühner leben in Flüren gefährlich

Überhaupt geht es teilweise aus Sicht der Menschen etwas grausam zu am Hasenweg, bestätigt der zehnjährige Jonas Pünchera: „Der Fuchs hat zwei unserer Hühner getötet, das fand ich gemein.“ Zwei weitere Hühner fielen dem Hühnerhabicht zum Opfer. Das ist aber der natürliche Kreislauf hier am Hasenweg, denn Fuchs und Habicht wollen ja auch leben.

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Und zum Trost von Jonas und seinen Brüdern Emil (8) und Anton (6) leben bei ihnen im umgebauten ehemaligen Bauernhof ja noch einige weitere Tiere: zwei Katzen, drei Pferde und jetzt noch acht Hühner. „Hasen und Rehe sehen wir hier auch fast täglich“, bestätigt ihre Mutter Astrid (38), die genau in dem Haus aufgewachsen ist, wo sich Hasen- und Fuchsweg kreuzen.

Lob für Lage, Kritik am Straßenzustand

Klaus Klink ist bewusst vor 20 Jahren aus Duisburg hier an den Wald gezogen. Er sagt: „Das ist hier Natur pur, hier lässt es sich wunderbar leben!“. Der 75-Jährige strahlt, als er bei schönstem Frühlingswetter in seinem Garten von seinem Wohnort regelrecht schwärmt.

Doch dann verfinstert sich plötzlich sein Gesicht, als sei ihm eine Laus über die Leber gelaufen: „Eines ist allerdings ganz schlimm hier: Der Hasenweg ist der von Wesel am meisten verachtete Weg überhaupt. Schlagloch an Schlagloch, wenn es regnet, saufen sie hier ab“, berichtet er.

Und mit dieser Meinung ist er nicht allein: So ähnlich hatte es kurz zuvor auch seine Nachbarin Antje Müller kritisiert.

Nina Lipka (29) kommt gerade mit Hund und Kind zurück nach Hause. Sie meckert jedoch nicht über den Zustand der Straße, sondern betont die Ruhe, die Natur und die wilden Tiere, die man hier dauernd zu Gesicht bekommt. Gerade jetzt vor Ostern sind auch immer wieder Feldhasen auf den Pferdekoppeln und Wiesen der Kühe. Der Hasenweg mache seinem Namen also wirklich alle Ehre. Geht es nach den angrenzenden Straßennamen, tummeln sich dort aber noch andere Tiere, wie der Fasanen- und der Biberweg vermuten lassen.

Alles wirkt hier harmonisch und überaus friedlich – und sollte sich doch mal ein Tier ernsthaft verletzen: Im Fuchsweg gibt es passenderweise eine Tierarztpraxis.

Flüren ist „tierisch“

Eine reine „Vogel-Siedlung“ findet man übrigens ein paar hundert Meter weiter Richtung Ortskern: Hier weisen die Straßennamen auf Finken, Lerchen, Drosseln, Schwalben, Stare, Meisen, Sperlinge, Kiebitze, Amseln und Nachtigallen hin. Flüren ist offenbar in Wesel ein besonders tierischer Ortsteil.