Kreis Wesel. Die Polizei Wesel hat die Kriminalitätsstatistik vorgestellt. Schutz der Kinder vor Gewalt und der Senioren vor Betrug sind zwei Schwerpunkte

Kriminalität hat immer Opfer - besonders empörend ist es für Landrat Ingo Brohl, den Leitenden Polizeidirektor Rüdiger Kunst und Kriminaldirektor Volker Flaß, wenn die Opfer schutzbedürftig sind wie – Kinder und alte Menschen.

Jetzt stellten Landrat und Polizeiführung die Kriminalitätsstatistik 2020 vor: 23.955 Straftaten im Kreis Wesel weist sie auf, etwas mehr als 2019 - aber im Jahr 2011 waren es noch 34.719. Damit zeigen sich die Ermittler durchaus zufrieden. Auch die Aufklärungsquote präsentieren sie stolz, sie lag bei 50,1 Prozent. Allerdings: Bei Gewalttaten liegt sie deutlich höher.

Hochprofessionelle Täter betrügen Senioren um ihr Geld

„Für mich persönlich ist der Betrug zum Nachteil älterer Menschen eines der schlimmsten Delikte“, sagt Polizeidirektor Kunst. „Diejenigen, die unser Land nach vorn gebracht haben, werden für ihre Gutheit bestraft.“ Kunst betonte, wie professionell sich Anrufer die Hilfsbereitschaft älterer Menschen zunutze machen, sich als Polizeibeamte, Enkel oder andere Personen ausgeben und Druck aufbauen. Wer hier Opfer wird, muss weder demenzkrank noch besonders naiv sein, sagt Volker Flaß, „es sind auch ehemalige Polizisten und Staatsanwälte darunter“. Die Professionalität der Täter bezeichnet er als erschreckend.

Doch auch bei diesem Thema greift Aufklärung: 1028 Versuche, älteren Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, gab es im vergangen Jahr. 57 waren erfolgreich. Allerdings befürchtet Rüdiger Kunst eine Dunkelziffer: Viele Menschen melden solche Anrufe nicht. Und wer hereingefallen ist, schämt sich häufig. Landrat Ingo Brohl betont: „Die Opfer haben keine Schuld.“

Mehr Personal für den Kampf gegen Kinderpornografie

Die Polizei klärt auf: nicht nur die Senioren, sondern auch Bankmitarbeiter und die Kinder der Senioren. Broschüren liegen im Impfzentrum und in Apotheken aus. Hier können sich Ältere im geschützten Raum schlau machen, die Apotheker seien häufig Vertrauenspersonen.

Weiterer Schwerpunkt der Polizeiarbeiten sind Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, vor allem, wenn Kinder die Opfer sind. 64 Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern wurden 2020 im Kreis Wesel gezählt, es gab zudem 101 Fälle unter dem Stichwort Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung kinderpornografischen Materials.

Lügde, Gladbeck, Münster und Gelsenkirchen seien keine Ausnahmen, „das Problem gibt es weltweit und überall“. Kunst und Brohl appellierten an die Bürger aufzupassen, damit Kindern das nicht widerfährt. „Innenminister Reul hat es zum Topthema gemacht und uns personelle Unterstützung gegeben“, so Brohl. Volker Flaß betonte, dass Anzeigeverhalten und Ermittlungsintensität sich deutlich gesteigert hätten. Zwar werden die Delikte später in Duisburg weiter ermittelt, die Auswertung digitaler Datenträger liege aber bei der Kreispolizei. Brohl sprach den Beamten, die dieses Material sichten müssen „höchsten Respekt und höchste Anerkennung“ aus. Die Aufklärungsquote liegt bei mehr als 90 Prozent.

Bei Gewaltverbrechen spielen Messer häufig eine Rolle

Mord, Totschlag und der Versuch kommen im Kreis Wesel eher selten vor. Dennoch gab es im vergangenen Jahr drei Mordversuche, von denen einer fehl schlug. Zudem sieben Fälle von Totschlagsversuch, zwei Menschen verloren ihr Leben. In diese Statistik eingeflossen ist noch der Fall in Voerde, als eine Frau vor die Bahn gestoßen wurde, die Brandstiftung mit Todesopfer im Hamminkelner Saunaclub, ein versuchtes Tötungsdelikt in Alpen, eine Messerstecherei am Bahnhof Dinslaken im November 2019, bei der ein 13-Jähriger verletzt wurde.

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Der Moerser, der am 12. Juli ein Auto angezündet und seine Nachbarn mit dem Messer bedroht hatte, verletzte niemanden, kommt aber in der Statistik vor. Ebenso das Projektil, das in der Silvesternacht eine Scheibe in einem Moerser Mehrfamilienhaus durchschlagen hat und ein 18-Jähriger, der in Neukirchen-Vluyn von hinten umfasst und ins Schlüsselbein gestochen wurde. In Dinslaken versuchte ein Mann, den Freund seiner Schwester zu töten und verletzte ihn am Hals. In Voerde kam es nach dem Streit eines Vaters mit seinem erwachsenen Sohn zu dem Versuch, einander umzubringen und schließlich fand ein Säugling, der in einer Plastiktüte im Keller abgelegt wurde, Eingang in die Aufzählung, obschon man von einer Fehlgeburt bei dem Moerser Fall ausgeht.

Häusliche Gewalt auf dem niedrigsten Stand seit zehn Jahren

Während in der Coronazeit NRW-weit die häusliche Gewalt angestiegen ist, ist sie im Kreis Wesel auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren gesunken, doch die Polizei vermutet auch hier viele nicht gemeldete Fälle. Seit ein paar Jahren können die Täter der Wohnung verwiesen werden, „davon machen wir Gebrauch“, so Flaß. Zehn Tage darf der Täter - in wenigen Fällen auch die Täterin - sich in der eigenen Wohnung nicht sehen lassen. Das werde kontrolliert. Rüdiger Kunst betont: „Häusliche Gewalt ist kein gesellschaftliches Klassenproblem, es kommt in allen Schichten vor.“

Wohnungseinbrüche, in den vergangenen Jahren ein Riesenthema, sind um mehr als die Hälfte zurückgegangen. 657 Einbrüche oder versuchte Einbrüche wurden im vergangenen Jahr gezählt, 2015 waren es 1515. Die Ermittler führen das auf ihre Präventionsarbeit zurück: Immer mehr Menschen nutzen das Angebot, sich bei der Polizei schlau zu machen, wie sie ihr Heim sichern können. Kurios: Zwar haben die Lockdowns die Zahl der Ladendiebstähle gesenkt. Dennoch gab es 1009, somit nur etwa zehn Prozent weniger als im Vorjahr. Und es gab mehr Betrugsfälle - die Kriminellen haben sich aufs Onlinegeschäft umgestellt.