Kreis Wesel. Corona: Superintendent Thomas Brödenfeld hält Präsenzgottesdienste an Weihnachten für nicht vertretbar. Bistum Münster ist anderer Meinung.

Ein Weihnachtsfest ohne den feierlichen Gottesdienst in der heimischen Gemeinde ist für viele Menschen kaum vorstellbar – und doch könnte genau das in diesem Jahr in einigen Gemeinden Realität werden. Der Superintendent des Kirchenkreises Wesel, Thomas Brödenfeld, richtet angesichts der hohen Infektionszahlen an die Gemeinden die dringende Bitte, auf Präsenzgottesdienste an Weihnachten und Silvester zu verzichten. Das Bistum Münster hält dagegen noch an Gottesdiensten in seinen Katholischen Kirchengemeinden fest.

Man respektiere zwar die Empfehlung der Evangelischen Kirche, orientiere sich aber an dem, was die Wissenschaft sagt. Und vor allem die Nationale Akademie Leopoldina habe zuletzt betont, dass die beiden großen Kirchen zu den „besonders regelkonformen Institutionen“ im Hinblick auf die Hygieneauflagen gehören. Stefan Sühling, Kreisdechant der Katholischen Kirchengemeinden im Kreisdekanat Wesel, will dennoch das Gespräch suchen: „Wir werden uns mit den evangelischen Kollegen absprechen, denn es sind ja auch einige ökumenische Gottesdienste geplant.“

Dringende Empfehlung: Keine Präsenz-Gottesdienste

Indes räumt Superintendent Brödenfeld ein, dass ihm die dringende Empfehlung nicht leicht falle: „Dazu aufrufen, Gottesdienste an Weihnachten nicht stattfinden zu lassen, hätte ich mir zu keinem Zeitpunkt meines Dienstes vorstellen können.

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Die jetzige Notsituation ist allerdings so außergewöhnlich und dramatisch, dass ich mich dem dringenden Rat vieler Ärztinnen und Ärzte, Virologen und Epidemiologen anschließe, auf jegliche Ansammlungen von Menschen und entsprechende Veranstaltungen, zu denen auch Gottesdienste gehören, zu verzichten“, schreibt er an die Pfarrerinnen und Pfarrer.

Kirchenbesuch: „Ein Restrisiko bleibt immer“

Im NRZ-Gespräch erklärt er: „Ich kann mir im Moment nicht vorstellen, einen Präsenzgottesdienst zu feiern. Ein Restrisiko bleibt immer.“ Auch die Kirchenbesucher sehen das offenbar so: In der Kirchengemeinde Wesel lag die Zahl der Anmeldungen für die Weihnachtsgottesdienste nur bei zehn Prozent der üblichen Besucherzahlen. Die Menschen, die sich angemeldet haben, werden die Absage verstehen, ist Thomas Brödenfeld sicher.

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Die Pfarrerinnen und Pfarrer bittet er, gemeinsam mit den Presbytern die Beschlüsse über den Ausfall der Gottesdienste zu fassen. Anordnen kann der Superintendent den Schritt laut Kirchenordnung der rheinischen Landeskirche nicht, jedoch eine dringende Bitte aussprechen. In welcher Form sich die Gemeinden statt dessen an die Menschen wenden, sollte dann jeweils vor Ort beraten werden. Brödenfeld erinnert daran, dass die Gemeinden im Frühjahr bereits viele kreative Formen entwickelt hatten. Viele Gemeinden hatten zum Beispiel Gottesdienste aufgezeichnet und im Internet ausgestrahlt.

Die rheinische Landeskirche gibt keine einheitliche Empfehlung ab und unterstützt Entscheidungen gegen Präsenzgottesdienste, hält sie aber auch unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen für vertretbar. Die westfälische Landeskirche dagegen empfiehlt allen Kirchengemeinden dringend, alle Präsenzgottesdienste zu Weihnachten abzusagen.

Pfarrgemeinde St. Ulrich singt mit Abstand

Kreativ zeigt man sich auch in der Katholischen Pfarrgemeinde St. Ulrich, die aus der kirchlichen Not eine Tugend macht und mit den evangelischen Kirchengemeinden in Alpen, Bönninghardt und Büderich zu einer Aktion aufruft. Sing mit auf Abstand – und doch gemeinsam, so heißt das Motto an Heiligabend. Ein Lied soll die coronabedingten Distanzen überwinden und die Menschen verbinden. Denn ein Weihnachtsfest ohne „Stille Nacht“ kann sich niemand vorstellen.

Um Punkt 21 Uhr an Heiligabend werden die Kirchenglocken der evangelischen und katholischen Kirchen auch in Büderich und Ginderich läuten und dazu einladen, vor der Haustür, auf dem Balkon oder im Garten das Lied „Stille Nacht“ zu singen und vielleicht auf einem Instrument zu spielen – und so einen übergreifenden Chor mit Orchester entstehen zu lassen.

Bistum Münster: Gottesdienste sind in Zeiten von Corona wichtig

Ein Flyer auf der Homepage von St. Ulrich liefert die Noten und den Text. „So kann vielen Menschen Hoffnung und das Gefühl von Weihnachten geschenkt werden, wenn sie sich an Heiligabend nicht allein, sondern als Teil eines großen Chores fühlen“, findet Pfarrer Dietmar Heshe.

Vielleicht werde der Niederrhein zum Hot-Spot einer internationalen, musikalischen Aktion.

In der Öffentlichkeit werde die Entscheidung für Präsenzgottesdienste sehr kritisch gesehen, betont das Bistum Münster. Dabei werde aber übersehen, dass Gottesdienste gerade in dieser Zeit für die Menschen, ein wichtiges Zeichen der Solidarität, des Trostes, der Hilfe und Geborgenheit sind.