Hünxe. Rund zwei Millionen Bäume verlassen jährlich die Forstbaumschule Selders. Der Klimawandel verändert die Nachfrage. Neue Sorten sind gefragt.

Lastwagen für Lastwagen rollt auf den Hof der Forstbaumschule Selders in Drevenack. Es ist Hochsaison: Junge Rotbuchen, als Hecke oder Waldbaum gleichermaßen beliebt, stapeln sich in der Halle von Felix und Yvonne Klein-Bösing, Stieleichen und fast 70 weitere heimische Gehölze warten auf ihre Abnehmer.

Es duftet satt nach feuchter Erde, Winter und Wald. Drei Jahre sind die Jungbäume alt, mit nackten Wurzeln warten sie auf ihre Abnehmer. Trocknen die nicht aus? Felix Klein-Bösing schüttelt den Kopf. Nein, zwei bis drei Tage könne man die Bäumchen so lagern, sagt er und kratzt ein wenig an einer Wurzel.

Saftiges Leben kommt darunter zum Vorschein, die Pflanzen sind vital. Und das, obwohl das braune Laub Laien wohl verschreckt hätte. „Sie vertragen aber keinen Zug, deshalb schließen wir so schnell wie möglich die Tore. Was jetzt nicht verkauft wird, kommt ins „Regal“: Die Bäumchen liegen auf dem Acker, die Wurzeln mit Erde bedeckt. Bis Mai halten sie sich so.

Frost schadet Jungpflanzen kaum

Ist die Zeit nicht schlecht, um Bäume zu pflanzen? Zu spät, zu nahe am Winter und drohenden Frost? „Viele Leute kaufen und setzen ihre Bäume im Frühjahr“, sagt Klein-Bösing mit Blick auf den dann einsetzenden Run auf die Gartencenter. „Die optimale Zeit, um Bäume zu setzen, ist aber zwischen dem Abfallen des Laubs und dem neuen Austrieb.“

Yvonne und Felix Selders inmitten junger Bäume. 70 heimische Gehölze sind in Hünxe im Angebot.
Yvonne und Felix Selders inmitten junger Bäume. 70 heimische Gehölze sind in Hünxe im Angebot. © FUNKE Foto Services | Markus Joosten

Also jetzt und in den kommenden Wochen, und das gelte nicht nur für Waldbäume. Frost bedrohe die Jungpflanzen kaum, „die Zellen in den Wurzeln lagern das Wasser aus und sind so gut geschützt“. Clevere Natur.

Ob aus den rund 1,20 Meter hohen Bäumchen mal mächtige Riesen im Wald werden, darüber entscheide nicht zuletzt der Wilddruck. Schon in der Baumschule gibt es unliebsamen Besuch von Rehen. Sie knabbern die zarten Spitzen ab oder Krähen holen die frisch ausgekeimten Eicheln. „Die wissen inzwischen genau, wann hier keiner mehr ist und warten ab“, sagt Yvonne Klein-Bösing.

Andere Baumarten sind wegen der Dürre gefragt

Neben Wild entscheidet auch die Trockenheit über die Lebenschancen der vorgezogenen Bäume. Ein Thema, das die Klein-Bösings und ihre Kundschaft nun schon ein paar Jahre umtreibt. In guten Jahren wären die Jungbäume mit 1,50 bis 1,70 Meter deutlich höher in diesem Alter. „Wir haben auch gelernt“, sagt Yvonne Klein-Bösing.

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Die Erle beispielsweise, sei als feuchtigkeitsliebender Baum bekannt. „Die stand in der Dürrezeit überraschend gut da. Das ist etwas, das Gärtner anders lernen.“ Und es werden allmählich andere Baumarten nachgefragt als in früheren Jahren. Solche, die besser mit dem neuen niederrheinischen Sommer fertig werden.

Monokulturen sind Geschichte

Die amerikanische Roteiche beispielsweise wird deutlich häufiger bestellt, weil ihre Wurzeln sehr tief reichen. Douglasie und Küstentanne stehen häufig auf dem Einkaufszettel, vor Jahren waren es traditionell Fichte und Rotbuche.

Klar ist für die Klein-Bösings: Die Fichte ist tot. „Allerdings wird ihr Holz gebraucht, es ist unklar, wie das weitergeht. Ich wollte jetzt aber auch keine Fichten haben.“

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Monokulturen sind auch Geschichte. „Wer Fördergelder bekommen will, muss Mischkulturen pflanzen,“, sagt Klein-Bösing. In einer Halle stapeln sich Säcke voller Eicheln. Arbeit, die auf die Klein-Bösings und ihre Mitarbeiter wartet. „Sie lassen sich nicht gern lagern.“ Heißt: Die Säcke wollen ausgepackt sein, die Eicheln gewendet und schnell in die Erde gesteckt sein. 10 bis 15 Tonnen davon kauft der Betrieb, wenn sie zu haben sind. Es sind hiesige Eicheln, sie haben quasi eine Geburtsurkunde.

Stapelweise Bäume.
Stapelweise Bäume. © FUNKE Foto Services | Markus Joosten

Es geht darum, die Genetik des Waldes zu schützen: Aufgeforstet wird mit Bäumchen nicht von irgendwo her, sondern von hier. Das bringt eine Menge Papierkram mit sich, gehört aber zum Geschäft. Rund zwei Millionen Bäume verlassen jährlich die Forstbaumschule Selders. Sie sind der Wald von morgen – wahlweise die Hecke des Nachbarn. Denn Corona hat sich auch hier bemerkbar gemacht. „Die Leute kümmern sich wieder mehr um ihr Zuhause“, sagt Yvonne Klein-Bösing, Heckenpflanzen sind gefragt wie selten. Jetzt ist die Zeit, sie zu pflanzen. Aber: „Stellen sie die Wurzeln nicht stundenlang ins Wasser. Bäume sind keine Wasserpflanzen!“