Hünxe. . Klein-Bösings betreiben die Forstbaumschule Selders in Drevenack. Bäume züchten ist eine Wissenschaft für sich – spannend und exakt reglementiert
- Yvonne und Felix Klein-Bösing sind Gärtnermeister und ziehen ausschließlich Bäume
- Es ist eine Arbeit, die eng an die Gesetze der Natur gebunden sind
- Kunden, die nach Drevenack kommen, sind meist Förster oder Landschaftsgärtner
Gärtnermeister Felix Klein-Bösing hält ein winziges Pflänzchen behutsam zwischen Daumen und Zeigefinger: Es hat einen fingerlangen dünnen Stängel und oben drauf einen Pinsel zarter Nadeln. „Das ist eine Nordmanntanne“, sagt der 37-Jährige. Zumindest will es mal einer der angesagten Weihnachtsbäume werden – und das dauert. Klein-Bösings in Drevenack betreiben mit der Forstbaumschule Selders einen besonderen Betrieb, der im Rheinland und auch darüber hinaus einzigartig ist. Hier, an der Landwehr 2, liegt auf 30 Hektar Land die Wiege des Waldes.
Kommt ein Reh des Weges...
Rund 400 000 Buchen stehen auf einem gar nicht mal großen Feld, winzige Pflänzchen, noch lange nicht für den Verkauf geeignet. Sie warten darauf, pikiert zu werden. Erst mit drei bis vier Jahren sind sie für den Verkauf bereit. Vorausgesetzt, es geht nicht wieder einmal ein Reh an den Reihen längs – die knabbern nur die zarten Spitzen. Das reicht, der Baum ist hin.
Wozu braucht man eine Forstbaumschule – Bäume vermehren sich doch von selbst? Es geht um die nachgewiesene Qualität der Pflanzen, ihre Genetik. Was Felix und Yvonne Klein-Bösing erzählen, erinnert eher an die Zucht teurer Rennpferde: „Wir ernten nicht irgendein Saatgut“, erläutert Klein-Bösing. „Das Forstvermehrungsgutgesetz schreibt vor, dass nur anerkannte Bestände beerntet werden dürfen.“ Jeder Baum hat einen genetischen Fingerabdruck, der sich zurückverfolgen lässt. Jedes der winzigen Pflanzen hat eine Identitätsnummer. Auch in Jahrzehnten noch ist überprüfbar, wo die Mutterpflanzen stehen. Anerkannt ist beispielsweise der Voerder Wohnungswald, hier ernten die Gärtner. Ein gerader Stamm, die Größe und das Alter sind zum Beispiel Kriterien für eine gute Genetik. „Das geht über Generationen. Ob wir es gut gemacht haben, weiß man erst in 100 Jahren.“ Jeder Baum bekommt ein Stammzertifikat, „das ist wie eine Geburtsurkunde“.
Die Samensäcke werden verplombt und gewogen
Um zu ernten, legen die Klein-Bösings in Absprache mit dem Saatgutbeauftragten, in diesem Fall Förster Ulrich Körschgen, Planen unter die ausladenden Äste. Nein, schütteln müssen sie die Bäume nicht – die Bucheckern beispielsweise fallen ganz von selbst herunter. „Die Samensäcke werden vom Förster verplombt und zum Wiegen gebracht.“ Alles gut überwacht, damit kein fremder Samen dazu kommt.
Ist der Samen auf dem Hof, ist Know-How gefragt. Bucheckern beispielsweise müssen ein Jahr liegen, Kälte und Nässe erfahren. Bei Sträuchern sind es mitunter zwei Jahre. Und: Die Beeren werden gewöhnlich von Vögeln aufgenommen und wieder ausgeschieden, Eschen beispielsweise. Fehlt das, kann die neue Pflanze nicht wachsen. „Manchmal müssen wir Vögel spielen“, sagt Yvonne Klein-Bösing und lacht, die Beeren werden behandelt.
Die Rückkehr der Nadelhölzer
Wald, das ist immer auch ein Spiegel der Gesellschaft. In den 50er Jahren wurden Nadelhölzer gesetzt, Kiefern und Fichten. „Das ist schnelles Bauholz und Holz für die Gruben.“ Rund 30 Jahre braucht Nadelholz bis es gefällt werden kann. Seit den 90-er Jahren hat man mehr Laubbäume, in erster Linie Buchen gesetzt. Jetzt allmählich sind Fichten, Kiefern und Douglasien wieder im Kommen.
Es ist ein arbeitsreiches Geschäft, man merkt Felix und Yvonne Klein-Bösing, beide Gärtnermeister, ihre Leidenschaft dafür an. „Die Natur gibt die Regeln vor.“ Obwohl: „Im Moment ist bei uns nichts los, nur Unkrautjäten und Büroarbeit.“ Pflanzzeit, so die Fachleute, das ist im Frühjahr und im Herbst, „auch wenn die Baumärkte den Kunden etwas anderes einreden.“ Im Frühjahr und Herbst brummt der Laden. Die Hälfte der Pflanzen geht an die Forstwirtschaft – so stammen zahlreiche Eichensetzlinge für das Projekt Bodensaure Eichenwälder im Bereich Schermbeck von Selders. Andere Kunden sind Baumschulen, Garten- und Landschaftsbauer, aber auch schon mal ein Bauer, der eine Ausgleichsfläche für einen Stallneubau bepflanzen muss.
Die Forstbaumschule ist kein Gartencenter
Kunden, die eine Buche, eine Tanne oder eine Hainbuche haben möchten, sind bei Selders falsch. Eine Fichte beispielsweise kostet einen Euro, im Bund zu zehn oder 25 Pflanzen Minimum zu haben. „Wer 25 Hektar Wald setzen möchte, zahlt weniger.“ Derzeit allerdings „gibt es bei uns gar nichts“.
Yvonne Klein-Bösing kann erkennen, welche Pflanzen sie selbst gezogen haben. „Man sieht, die sind von uns. Wir kennen die Beschaffenheit und die Farbe.“ Die eigenen Gewächse haben etwas Vertrautes. Ein großes Foto ziert das Büro des Betriebs: Ein zartes Keimblatt schaut aus der Erde hervor und glitzert im Tau, ein neuer Anfang. „Das ist jedes Jahr wieder toll zu sehen“, schwärmt sie von ihrem Lieblingsmoment im Beruf.
2011 haben Felix und Yvonne Klein-Bösing die Forstbaumschule von Peter Selders übernommen, Felix ist sein Stiefsohn. Den Namen des in der Fachwelt gut eingeführten Betriebes änderten die neuen Inhaber nicht. 25 Mitarbeiter zählt der Betrieb in der Saison von Ende Oktober bis zum Austrieb im April, dann sind die Saisonkräfte da. Aktuell arbeiten zehn Mitarbeiter hier. Auf Werbung an der B58 verzichtet die Baumschule bewusst, es würde Kunden auf der Suche nach einem Gartencenter nur in die Irre führen.