Kreis Wesel. Die Bürger wählen am 13. September auch erstmals das Ruhrparlament – 21 Parteien und Wählergruppen stehen zur Auswahl.

Es ist der längste Stimmzettel bei der Kommunalwahl am 13. September: Wer für die Verbandsversammlung des RVR sein Kreuzchen macht, hat die Wahl zwischen 21 Parteien und Wählergruppen. Erstmals werden die 91 Sitze des direkt von den Bürgern gewählt. Für viele Menschen ist die RVR-Versammlung weit weg – doch das Gremium hat als Organ des Regionalverbands Ruhr Einfluss auf Entscheidungen, die auch in Wesel, Hamminkeln, Schermbeck und Hünxe wichtige Auswirkungen haben. Daher hat die Redaktion nachgefragt: Was macht der RVR eigentlich?

Der RVR mit Sitz in Essen ist eine übergeordnete Planungsbehörde, deren Aufgabe es ist, den Regionalplan aufzustellen, erklärt Swen Coralic von der Stadt Wesel. Der wiederum ist Grundlage für Planungen in der Stadt: Wo darf was gebaut werden, wo dürfen Gewerbegebiete eingerichtet werden ?

Und er ist federführend bei der Entwicklung eines regionales Mobilitätskonzeptes. Darin enthalten sind zum Beispiel die Radschnellwege.

Der R1 parallel zur A 40 ist ja zum Teil bereits in Betrieb. Es soll jedoch künftig ein ganzes Netz an Radschnell-Verbindungen entstehen, eins davon auch bis nach Wesel. Außerdem sollen mehrere Verkehrsmittel effizient miteinander verknüpft werden, sodass die Bürger im Verbandsgebiet verschiedene Transportmittel kombinieren können.

Die Anlage von Radschnellwegen wird auch vom RVR mit bearbeitet.
Die Anlage von Radschnellwegen wird auch vom RVR mit bearbeitet. © FFS | Gero Helm

Weiteres Beispiel: Ein wichtiges Thema für Wesel ist der Bau des Kombibades am Rhein. Auch hier spielt der RVR eine wichtige Rolle. Er muss den Bau des Bades genehmigen. Dafür muss der geplante Standort im Regionalplan als Freizeit-Standort ausgewiesen werden. Derzeit ist es ein Hotelstandort. Dafür müssen als Voraussetzung für die Genehmigung zum Beispiel die Auflagen des Hochwasserschutzes erfüllt werden.

Für Verärgerung sorgten in der Vergangenheit die gegen den Willen der Stadt Wesel im Regionalplanentwurf ausgewiesenen Auskiesungsflächen in Obrighoven und Lackhausen. Dort will niemand weitere Abgrabung – auch die Kiesunternehmen nicht. Das Thema Auskiesung ist im gesamten Kreis Wesel eine umstrittene Angelegenheit. Das Inkrafttreten des neuen Regionalplans verzögert sich in erster Linie deshalb, weil es gegen die Auskiesungspläne mehrere Tausend Einsprüche gegeben hat.

Pflege von Infrastrukturprojekte

Auch das Management und die Pflege von Infrastrukturprojekten wie die Route der Industriekultur sowie die Pflege und Entwicklung von Wald- und Grünflächen gehören zu den Aufgaben des RVR. Zum Beispiel betreibt er auch das Naturforum auf der Bislicher Insel.

Bisher wurden die Abgeordneten für die Verbandsversammlung – das Parlament des RVR – von den Städten und Kreisen bestimmt. Die Themen, bei denen der RVR mitredet, sind für die Bürger jedoch präsenter geworden, daher sollen sie durch die Wahl mitreden können, erklärt Swen Coralic.

Auf dem Wahlzettel für die RVR-Verbandsversammlung befinden sich die bekannten Parteien wie SPD, CDU, Grüne, FDP, Linke, AfD oder Die Piratenpartei mit ihren jeweils für Spitzenkandidaten, aber auch unbekanntere Gruppen wie „Die Violetten – für spirituelle Politik“, die „Aktion Partei für Tierschutz“ oder die „Ideengemeinschaft Ruhr“.

Eine Fünf-Prozent-Hürde für die Verbandsversammlung gibt es nicht. Derzeit sitzen folgende Parteien im Ruhrparlament: SPD, CDU, Grüne, Die Linke, FDP, AfD, Piraten, Freie Wähler NRW und Unabhängige-Bürger-Partei.

Zwei Themen für den RVR: Der  Tenderingssee bei Hünxe (vorne) und Windkraftanlagen (im Hintergrund).
Zwei Themen für den RVR: Der Tenderingssee bei Hünxe (vorne) und Windkraftanlagen (im Hintergrund). © Hans Blossey

Für Hünxe ist der RVR wichtig – und zwar in erster Linie als Regionalplanungsbehörde. „Er entscheidet über das Entwicklungspotenzial der Gemeinde, wieviel Wohnbau- und wieviel Gewerbeflächen es gibt“, sagt Klaus Stratenwerth vom Verwaltungsvorstand. „Wir sind durch den RVR mit Bucholtwelmen in den Kooperationsstandort gekommen“, man sei daher ganz zufrieden. Zudem gehört der Tenderingssee dem RVR, er bestimmt über Auskiesungsflächen und hat viel Wald in der Gemeinde. „Irgendwann werden auch die Halden an den RVR übergehen, aber das Thema ist noch nicht reif.“ Und dann wäre ja noch das Thema Olympia in der Metropole Ruhr. Ob Hünxe da etwas von mitbekäme…?

Auskiesung ist natürlich auch in Hamminkeln ein Thema – die Proteste gegen die Pläne in Dingden-Lankern sind noch nicht verstummt. Bürgermeister Bernd Romanski sieht die Wahl zum Ruhrparlament indes ganz pragmatisch – verbunden mit einer kleinen Hoffnung. „Es ist die Behörde, mit der wir bei unseren Planungen klar kommen müssen, die den ländlichen Raum vertritt. Ich hoffe, dass wir uns durch die Wahl mehr Gehör verschaffen, dass unsere Stimme mehr Gewicht bekommt.“ Allerdings bleibe das Ruhrparlament für die Bürger eher ein abstraktes Objekt.

Touristische Attraktionen

Der RVR sei ein „wertvoller Partner“ in Bezug auf viele touristische Attraktionen, erklärt Schermbecks Bürgermeister Mike Rexforth. Dabei denkt er vor allem an den Naturpark Hohe Mark, in dem der Regionalverband unter anderem den Ameisenpfad aber auch Wildbeobachtungsplattformen anbiete. Auch der Unterhalt des Waldes und der Wanderwege sei eine wichtige Aufgabe des RVR.

„Da hoffen wir, dass es so weitergeht. Weitere Strecken zum Radfahren, vielleicht auch Mountainbiken auf gewissen Flächen, wären wünschenswert.“ Darüber hinaus sei der RVR als Planungsbehörde für die Regionalplanung und damit für Wohnungsbau sowie Gewerbeflächen zuständig, so Rexforth.

Er äußert den konkreten Wunsch, „dass der RVR deutlich stärker die ländliche Entwicklung im Blick hat.“ Viele Bürgermeister aus ländlichen Gebieten, fühlten sich zuletzt „zurückgesetzt“, weil der Regionalverband in der Vergangenheit eher „großstädtisch und ruhgebietslastig“ agiert habe. „Wir haben den Wunsch beziehungsweise die Forderung, mehr auf ländliche Belange auch kleinerer Kommunen zu achten. Damit sind wir aktuell nicht zufrieden.“

>>> DER AUFBAU DES REGIONALVERBANDES RUHR:

Organe des RVR sind die Verbandsversammlung, der Verbandsausschuss und die Regionaldirektorin. Zum Verbandsbereich gehören die kreisfreien Städte Bochum, Bottrop, Essen, Dortmund, Duisburg, Gelsenkirchen, Hagen, Hamm, Herne, Mülheim und Oberhausen sowie die Kreise Recklinghausen, Wesel, Unna und Ennepe-Ruhr-Kreis mit insgesamt rund 5,1 Millionen Einwohnern. Mehr als vier Millionen Menschen ab 16 Jahren sind zur Ruhrwahl aufgerufen.

Der RVR flankiert die erste Direktwahl zur Verbandsversammlung mit einer Informations- und Motivationskampagne. Weitere Infos unter www.rvr.ruhr und www.ruhrwahl.de