Wesel. Barbara Wagner (61) ist die Bürgermeisterkandidatin der Linken. Wir waren an ihrem Lieblingsort und stellten ihr Fragen zu Weseler Themen.
Die NABU-Naturarena zwischen Flüren und Bislich hat es Barbara Wagner angetan. „Das ist ein ganz tolles Projekt“, schwärmt die 61 Jahre alte Programmiererin, die für die Linken als Bürgermeisterkandidatin antritt, über ihren Weseler Lieblingsort.
Im Laufe der elf Jahre, in denen es die Arena gibt, sei sie immer wieder erweitert und umgestaltet worden. Hier werde den Menschen die Natur nahe gebracht, und hier habe auch der Naturgarten e.V. immer einen Stand, wenn zum Tag der offenen Tür eingeladen wird. Heimische Pflanzen und Samen seien bei diesem Verein zu haben, in dem Barbara Wagners Ehemann schon seit über 30 Jahren Mitglied ist.
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Mehr Grün statt Beton in den Städten, lautet auch ihre Devise, wobei das anfangs zu erheblichen Problemen mit den Nachbarn geführt habe. Ihr Vorgarten sei als unordentlich bezeichnet worden und sie habe sich jede Menge guter Tipps einer Nachbarin anhören müssen. Den Sauerampfer müsse sie ausstechen, war einer davon. Barbara Wagners Antwort: „Den essen wir.“ Mittlerweile hätten sich auch die Nachbargärten angeglichen, es blühe dort sehr viel bunter. „Das ist zum Teil auch ein Ding des Zeitgeistes.“
Schmetterlingsgarten und Libellenteich
Wenn es irgendwie möglich ist, kommt Barbara Wagner, die den Linken seit der Parteigründung 2007 angehört (vorher WASG = Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative), zu allen Tagen der offenen Tür in die Naturarena. Sie ist große Schmetterlingsliebhaberin und tummelt sich deshalb gern im Schmetterlingsgarten, aber auch die Teiche mit den Libellen mag sie sehr.
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Wichtig sei zudem der Totholzbereich - ein Hinweis, um alte Gärtnergewohnheiten aufzubrechen, wie sie es nennt. Man brauche eine intakte Natur als Lebensgrundlage. Dabei sieht Wagner nicht nur die ökologische Komponente der Naturarena, sondern auch eine soziale. Denn diejenigen, die sich einen teuren Urlaub nicht leisten können, hätten hier ein Areal zum Genießen.
Das Interview
Mit Blick auf die Kommunalwahl am Sonntag, 13. September, haben wir der Kandidatin acht Fragen gestellt:
Warum glauben Sie, dass Sie die Richtige für das Amt der Bürgermeisterin sind?
Durch meine Ausbildung als Mathematisch-technische Assistentin und die jahrzehntelange Berufserfahrung als Softwareentwicklerin bin ich gewohnt, gut zuzuhören, strukturiert und lösungsorientiert zu denken, zu organisieren und erfolgreich im Team zu arbeiten – Fähigkeiten, die in einer Führungsposition immer von Vorteil sind. Auch mein Ziel, Wesel zu einer solidarischen und lebenswerten Stadt für alle zu machen, empfiehlt mich für das Amt. Dafür muss es genug bezahlbaren Wohnraum, einen attraktiven Personennahverkehr und frei zugängliche Beratungs- und Hilfsangebote für Menschen in besonderen Lebenslagen geben, beispielsweise Menschen mit geringem Einkommen, einer Behinderung oder Erkrankung oder einer Zuwanderungsgeschichte.
Welches Thema würden Sie als Erstes angehen, wenn Sie Bürgermeisterin werden?
Die Umsetzung des für Wesel erarbeiteten Stadtbuskonzepts hat für mich eine hohe Priorität, weil sie positive Effekte in vielen Bereichen bringen kann. Ein attraktiver ÖPNV kann zum Verzicht auf die Nutzung privater Pkw und in der Folge zu einer Verringerung der Verkehrsdichte und damit einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes führen. Bessere Luftqualität, weniger Unfälle und mehr Aufenthaltsqualität in der Stadt wären weitere positive Nebeneffekte. Daneben hat ein flächendeckend gut ausgebauter ÖPNV auch eine soziale Komponente, weil so Mobilität für alle Bürgerinnen und Bürger im ganzen Stadtgebiet verfügbar ist.
Wenn die Südumgehung 2025 fertig ist, wird es in der Stadt weniger Verkehr geben. Eine Entlastung der B8 sowie der Schermbecker Landstraße ist aber nicht zu erwarten. Was ist zu tun?
Der Bau der Südumgehung wird nicht zu weniger Verkehr, sondern nur zu anderen Verkehrsströmen führen. Nur eine nachhaltige Verkehrswende mit weitgehender Abkehr vom motorisierten Individualverkehr kann hier Abhilfe schaffen. Anderenfalls schieben wir die „Flaschenhälse“ mit jeder Straßenausbaumaßnahme einfach nur vor uns her an eine andere Stelle.
Die Weseler Schulen sind gut aufgestellt, heißt es immer wieder. Oder gibt es doch das eine oder andere Manko? Und kann sich eine Stadt wie Wesel das fast 100 Millionen Euro umfassende Sanierungspaket überhaupt leisten?
Es zeigt sich deutlich, dass der Bedarf an Ganztagsbetreuung sehr hoch ist. Dem sollte durch einen Ausbau des gebundenen Ganztags mit zwischen Schule und Betreuung abgestimmten Gesamtkonzepten nachgekommen werden. Zur Unterstützung der Lehrkräfte und zur besseren Förderung der Schüler*innen benötigen die Schulen gut ausgebildete Assistenzkräfte, Sozialarbeiter und Schulpsychologen. Mit einer entsprechenden Personalausstattung könnte auch die schulische Inklusion erfolgreich vorangetrieben werden. Das beschlossene Schulraumentwicklungskonzept betrachte ich als dringend notwendig. Jeder in Bildung investierte Euro ist gut investiertes Geld.
Rund um die Aue gibt es viele Möglichkeiten der stillen Erholung. Müsste Wesel noch andere Angebote für Bürger und Gäste schaffen? Und wenn ja, welche?
Angebote rund um die Aue dürfen den Charakter als Naturraum und Naherholungsgebiet für die Weseler Bevölkerung nicht gefährden. Aus diesem Grund lehnen wir eine starke Ausweitung von Freizeitangeboten und deren Kommerzialisierung in diesem Bereich ab. Die letzten Wochenenden haben am Auesee gezeigt, dass das „Anlocken“ von auswärtigen Gästen zum Nachteil für die einheimischen Nutzer*innen werden kann.
Der Handel im Internet macht den Geschäftsleuten immer mehr zu schaffen. Was ist dringend nötig, damit die Innenstadt nicht verödet? Und was passiert, wenn der Kaufhof – zum Beispiel wegen hoher Mietforderungen – doch noch die Hansestadt verlässt?
Der stationäre Handel muss mit seinen Vorteilen gegenüber dem Onlinehandel punkten: man kann die Waren anfassen, bekommt gute Beratung. Daneben sollten auch die Händler vor Ort das Internet als Plattform zur Information über ihr Angebot und zur Werbung für ihre Leistungen nutzen. Ein gemeinsam organisierter Service, der vor Ort gekaufte Waren nach Hause liefert und dabei Synergien durch die Zusammenarbeit nutzt, wäre ein weiterer Pluspunkt für den ortsansässigen Handel.
Es gibt immer mehr Singlehaushalte und ältere Menschen – ist Wesel hier gut aufgestellt? Reichen die Angebote in der Kreisstadt für eine immer älter werdende Gesellschaft aus? Was muss unbedingt getan werden?
In der Corona-Krise hat sich gezeigt, dass spontan viele Menschen bereit waren, anderen zu helfen, beispielsweise älteren Mitmenschen. Soziale Netzwerke, die das Zusammenleben der Generationen fördern, praktische Hilfe und Unterstützung bieten und gegen Vereinsamung wirksam sind, müssen koordiniert und gefördert werden.
Schließt die Schule, stirbt das Dorf, heißt es. Was ist nötig, um das Leben in Wesels Dörfern besonders für junge Familien attraktiv zu machen?
Um als Wohn- und Lebensort attraktiv zu sein, bedarf es in einem Dorf einer guten Infrastruktur vor Ort. Dazu gehören neben Kindertagesbetreuungsangeboten und Schulen für junge Familien auch Einkaufs- und Versorgungsmöglichkeiten, Beratungs-, Hilfs- und Freizeitangebote, bezahlbarer Wohnraum und ein gut ausgebauter preisgünstiger ÖPNV.