Wesel. Ein Projekt hat das Ziel, Rekonstruktionen aus der verschwundenen Stadt, die heute ein Weseler Ortsteil ist, zu zeigen. Erste Bilder sind fertig.

Wer am Gedenkstein an der alten B 58 zwischen der ehemaligen Rheinbrücke und Büderich mit Blick auf grüne Wiesen steht, mag es kaum glauben: Genau hier stand vor 500 Jahren mitten in der Stadt die Kirche St. Peter. Der Ort Büderich war damals eine blühende Siedlung mit dem mächtigen Rheintor, einer Burg, einem Kloster, einer Windmühle und gut 1000 Einwohnern, denen es dank der von den Rheinschiffern kassierten Zolleinnahmen recht gut ging.

Wie dieser Ort, der 1813 auf Napoleons Befehl geschleift und wenige hundert Meter entfernt wieder aufgebaut wurde, sich im Laufe der Zeit entwickelte, zeigt der Bürgerverein Büderich gemeinsam mit den Brüdern Dr. Frank und Prof. Dr. Claus Dießenbacher im Projekt „Zeitreise Büderich“. Die ersten Bilder sind jetzt fertig, bis Ende 2021 sollen viele weitere Rekonstruktionen und ein Film dazu entstehen. Die Bilder von Alt-Büderich erlauben einen realistischen Einblick in die verschwundene Stadt.

Eine blühende Stadt am Rhein

Ein ähnliches Projekt „Zeitreise Wesel“ hat es bereits für die Kreisstadt gegeben, nun wird die Entwicklung Büderichs vom 16. bis ins 19. Jahrhundert anhand virtueller 3-D-Bilder zum Leben erweckt.

Und schon die ersten 37 fertigen Darstellungen zeigen: Hingucken lohnt sich. Denn Büderich war am Ende des Mittelalters eine vergleichsweise große Stadt und befand sich in ihrer Blütezeit, wie das Stadtbild zeigt.

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„Es ist noch ein Zwischenstand“, erklärt Architekt Claus Dießenbacher zu den Bildern. Einiges wird noch bearbeitet, die Fassaden der Wohnhäuser zum Beispiel bestanden vermutlich eher aus Ziegelwerk. Und es ist auch nicht alles nach originalen Darstellungen entstanden – denn die gibt es so detailliert nicht. „Man kennt die Straßengrundrisse“, sagt Mediendesigner Frank Dießenbacher.

Markus Abram (v.l)  mit  Frank und Claus Dießenbacher vor dem Denkmal für das alte Büderich.
Markus Abram (v.l) mit Frank und Claus Dießenbacher vor dem Denkmal für das alte Büderich. © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgiesser

Für die Gestaltung der Gebäude, deren Äußeres nicht genau bekannt ist, wurde auf Vorbilder aus der gleichen Zeit zurückgegriffen.

Vorbilder in Kalkar und Goch

Das Modell für das Stadttor ist beispielsweise das Tor in Geldern, auch in Kalkar gibt es einige Vorbilder für die Rekonstruktion. „Ob die Burg genau so ausgesehen hat, ist unklar“, sagt Claus Dießenbacher. Man orientiere sich an der zeitgenössischen Bauweise. „Wir versuchen, das architektonische Prinzip der Stadt zu übertragen.“

Es gibt einige, wenn auch nicht ausführliche Darstellungen aus dem alten Büderich. Auf eine ist Marcus Abram vom Bürgerverein bei seiner Recherche im Netz gestoßen. Sie stammt von 1672, also gut 100 Jahre später, und wurde von dem niederländischen Maler Adam Frans van Meulen auf Leinwand festgehalten.

Holländisches Gemälde zeigt das alte Büderich

Das Gemälde hängt im Rijksmuseum Amsterdam. Zu dieser Zeit hatte sich das Stadtbild aber durch Kriege und Belagerungen bereits verändert, Büderich war zur Festung ausgebaut worden und hatte einen wirtschaftlichen Niedergang erlebt, was den Gebäuden anzusehen ist.

Blick in die Innenstadt von Büderich mit der Kirche St. Peter.
Blick in die Innenstadt von Büderich mit der Kirche St. Peter. © Diessenbacher

Ebenso wichtig wie Bilder, betont Claus Dießenbach, sind Beschreibungen in Büchern als Quelle für das Vorhaben. Das ist viel Recherchearbeit.

Das gesamt Zeitreise-Projekt umfasst die Rekonstruktion auf vier Zeitebenen: Nach dem 16. Jahrhundert ist das Stadtbild im 17. Jahrhundert dran. Eine Zeit, in der die Stadt durch Belagerungen und Kriege einen verfallenen Eindruck machte, berichten die Dießenbachers. Die dritte Zeitschiene umfasst die Phase nach 1820, als Neu-Büderich schon an der heutigen Stelle entstanden war. 1813 musste der alte Ort aus strategischen Gründen weichen. Die Bewohner hatten nur wenige Tage Zeit, ihr Hab und Gut zu packen, bevor Napoleons Befehl „Dieses Nest muss da weg“ in die Tat umgesetzt wurde.

Das Rheintor in Alt-Büderich.
Das Rheintor in Alt-Büderich. © Diessenbacher

Die letzten Rekonstruktionen werden sich schließlich mit dem Bild Büderichs um 1870 beschäftigen.

Dokumentarfilm zum „Zeitreise Büderich“

Geplant ist zum Projekt auch ein Film, in dem kostümierte Menschen mitwirken. Die Aufnahmen sind für das kommende Jahr geplant. Bis dahin soll die Arbeit an den virtuellen Bildern beendet sein.

Das Spannende an dem Projekt ist, sagt Claus Dießenbacher, dass Büderich ebenso wie Wesel im Laufe seiner Geschichte sein Erscheinungsbild völlig verändert hat – durch Ereignisse wie Festungsbau, Zerstörung, Krieg und Wiederaufbau. Das macht es auch für die Menschen interessant, die Bilder der verschwundenen Vergangenheit zu betrachten.

Den Wunsch, die Geschichte Büderichs wiederzubeleben, gab es im Ort schon lange, erklärt Marcus Abram. Konkret wurde das Projekt 2017 im Rahmen der Erstellung des Dorfinnenentwicklungskonzeptes. Eine Förderung in Höhe von 50.000 Euro durch den Landschaftsverband Rheinland, verteilt auf zwei Jahre, ermöglichte schließlich die Umsetzung, die Ende 2021 abgeschlossen sein soll.

Die ersten Bilder sind schon jetzt im Internet zu sehen unter www.zeitreise-buederich.de