Wesel. Mitarbeiter der Galeria Kaufhof Karstadt in Wesel bangen um ihren Arbeitsplatz. Montagmorgen gab es eine Kundgebung in der Hohen Straße.
Die fröhliche Musik aus den Lautsprechern vor dem Kaufhofeingang in der Hohen Straße passte nicht zum Anlass. Denn bei den Kaufhofmitarbeitern geht die Angst um, sie bangen um ihren Arbeitsplatz.
80 der 172 Filialen in Deutschland sollen schließen und selbst wenn die Weseler Niederlassung der Galeria Kaufhof Karstadt bleibt, müssen die 48 Mitarbeiter mit weiteren Einschnitten rechnen, wie Martin Petig, Gewerkschaftssekretär bei Verdi in Duisburg während der kurzen Kundgebung um 9 Uhr erneut deutlich machte.
Kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld
Bei den übrig bleibenden 92 Filialen sei ein zehnprozentiger Abbau der Belegschaft geplant. Zudem zwei Jahre Verzicht auf eine tarifliche Gehaltserhöhung und dann bis 2026 auch nur kennzahlenabhängiger Anstieg beim Lohn. „Das kann es nicht sein“, sagte Petig während die Mitarbeiter zum großen Teil Schilder mit der Aufschrift „Die Galeria Kaufhof Karstadt gehört zum Herzen der Stadt“ in den Händen hielten.
Die Belegschaft habe schon genug bezahlt, mehr als eine Milliarde Euro seien bereits eingespart worden. Die Weseler Kaufhof-Angestellten verzichten beispielsweise auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, wie Betriebsratsvorsitzende Steffi Rennings im Gespräch mit der NRZ erläuterte. Und eine Kollegin beklagt, dass es an manchen Tagen lediglich drei Mitarbeiter für die gesamte erste Etage gebe. Früher seien es mal 15 gewesen. Ohnehin scheiden noch in diesem Jahr zwei Kollegen aus, 2021 sollen es dann sogar acht sein.
Der Kapitalist (gemeint ist Galeria-Kaufhof-Karstadt-Besitzer René Benko) nutze die Corona-Krise, um Kollegen loszuwerden, schimpfte Petig. Dabei gebe es keine wirklichen Zukunftskonzepte und keine Investitionen. Und auch der Online-Handel funktioniere nicht, weil Waren nicht zur Verfügung stünden. Alles, was dem Investor einfalle, sei Personalabbau. Dabei sei ein Warenhaus immer noch ein Publikumsmagnet und belebe die Innenstadt.
Das Rathaus musste weichen
Das bekräftigte auch Bürgermeisterin Ulrike Westkamp, die zusammen mit Wirtschaftsförderer Johannes Opgen-Rhein vor Ort war. Sie warb dafür, dass der Kaufhof vor Ort bleibt. „Der Kaufhof gehört zu Wesel wie der Esel“, sagte sie. Wesel sei die einzige Stadt in Deutschland, die ihr Rathaus abgebrochen hat, damit der Kaufhof kommt. Und der Kaufhof lebe gut in Wesel, so wie Wesel gut mit dem Kaufhof lebe. Das Warenhaus werde sehr gut frequentiert. Sie selbst sei am Samstag noch zum Einkauf dort gewesen und habe an der Kasse Schlange stehen müssen.
Außerdem habe die Stadt einiges gemacht, um die Attraktivität der Innenstadt zu erhöhen. Hier sei der Kaufhof die erste Anlaufadresse. „Unser Kaufhof läuft gut“, so Westkamp weiter, die zudem die „sehr treue Belegschaft“ hervorhob. Außerdem müsse man kilometerweit fahren, um einen Kaufhof zu finden. Im Kreis Wesel gebe es keinen weiteren Standort mehr. „Danke für Ihr Engagement, wir kämpfen gemeinsam“, schloss Westkamp. Der Kaufhof sei der Mittelpunkt der Fußgängerzone, er müsse erhalten bleiben.
Verdi-Sekretär Petig bat allerdings schon um Schützenhilfe. Sollte die Filiale in Wesel schließen müssen, wolle man eine Beschäftigungsgesellschaft gründen, um die Belegschaft für ein Jahr aufzufangen und fit für andere Arbeitsplätze zu machen. Dabei setze er auch auf Unterstützung aus der Politik, „vielleicht aus irgendwelchen Corona-Töpfen.“
Betriebsversammlung am Morgen
Anschließend ging es für die Mitarbeiter in die erste Etage des Warenhauses zur Betriebsversammlung. Doch Neues erfuhren sie dort offenbar auch nicht. Mit gemischten Gefühlen machten sie sich anschließend wieder an die Arbeit. Schilder an den Eingangstüren hatten die Kundschaft darüber informiert, dass die Filiale wohl etwas später als üblich öffnen wird.
Die SPD beantragt, dass der Rat am 23. Juni eine Resolution für den Erhalt des Kaufhofs verfasst. Der Kaufhof habe es immer verstanden, durch Änderungen im Sortiment und im Erscheinungsbild attraktiv zu bleiben. Die Kaufhof-Verantwortlichen sollen diesen attraktiven Weg fortführen, weiterhin ein Anziehungspunkt in der Fußgängerzone zu sein und die Arbeitsplätze zu sichern und zu erhalten.
50-jähriges Bestehen im nächsten Jahr
Geht alles gut, kann der Kaufhof 2021 in Wesel sein 50-jähriges Bestehen feiern. Das hoffen alle Beschäftigten, die im Laufe der Jahrzehnte zuletzt immer wieder mal um ihre berufliche Zukunft in dem Warenhaus bangen mussten.
Bevor die Filiale 1971 öffnete, stand an dieser Stelle das nach dem Krieg erbaute Rathaus mit dem markanten Turm. Viele werden es vielleicht noch kennen und dort zu tun gehabt haben, bevor die Verwaltung an den Klever-Tor-Platz zog.