Wesel. Beim Auftritt nimmt der wortgewandte Kabarettist den Zeitgeist aufs Korn - und vergleicht die heutige Demokratie mit einer Babystation.
„Kein Scherz!“ ist der eigentliche Titel, aber ebenso gut könnte er auch „Das wollte ich jetzt eigentlich gar nicht sagen“ lauten – einer der „running gags“ des Abends. Denn mit diesem gar-nicht-sagen-wollen bekommen sie alle ihr Fett weg: Björn Höcke und die AfD („Wenn Hitler heute Björn Höckes Reden zuhören könnte, würde er ihn bestimmt auf Urheberrechtsverletzung verklagen“), Greta Thunberg und die Fridays-for-Future-Bewegung, deutsche Gangster-Rapper, Meinungshoheit statt Meinungsfreiheit, die Feinstaubdiskussion, das Gendersternchen und viele andere mehr.
Ein weiterer denkbarer Titel wäre gewesen: „Der Irrsinn unserer Zeit“, etwa wenn Nuhr heutige - oft über Twitter, Facebook und Co. geführte - Diskussionen mit denen früherer Jahrzehnte vergleicht und feststellt: „Es war früher nicht ganz so schlecht, dass nicht alle mitreden konnten...“ Demokratie sei heute im Prinzip wie eine Babystation. Wenn einer anfängt zu schreien, dauere es nicht lang und alle anderen schreien mit.
Dieter Nuhr über das „Zeitalter der Beleidigten“
Mit Scharfblick und der ihm eigenen wortreichen und brillanten Dialektik spießt Dieter Nuhr, der seine ersten Lebensjahre in Wesel verbrachte, die Wider- und Irrsinnigkeiten unserer Zeitläufe und der aktuellen Politik auf. Zum Beispiel wenn er darauf hinweist, dass in China zur Zeit allein mehr Kohlekraftwerke in Planung sind, als Deutschland überhaupt hat. „Was wir hier an CO2 und Dreck einsparen, haben die dort innerhalb von zwei Jahren wieder aufgeholt!“
In wahren Wortkaskaden entlarvt Nuhr die Intoleranz der sich ach so tolerant Gebenden, „das Zeitalter der Beleidigten“ und die Scheinheiligkeit der Forderungen nach Frauenquoten, allerdings nur für gut bezahlte Jobs: „Oder haben Sie schon mal was gehört von einer Forderung für eine Erhöhung der Frauenquote bei der Müllabfuhr?“
Nuhr rät zu mehr Optimismus und weniger Hysterie
Mit immer wieder reichlich eingestreuten und gut gesetzten Pointen unterhielt der gebürtige Weseler mitreißend ‚sein‘ Publikum gute zwei Stunden lang, so dass beim Schlussapplaus schnell klar war, dass eine Zugabe fällig ist. Und so las Dieter Nuhr noch ein paar Seiten aus seinem Buch „Gut für dich! -Leitfaden für das Überleben in hysterischen Zeiten“, auch hier wieder auf humoristische Weise mahnend zu mehr Gelassenheit im täglichen Umgang mit den Themen Umwelt, Klima, Geschlechter.
Und rät zu begründetem Optimismus, Humor gegen die Schwarzmaler und eigenständigem Denken gegen die grassierende Hysterie. Das begeisterte Publikum hatte auf dem Weg nach draußen immer noch den einen oder anderen gelungenen Gag auf den Lippen.