Wesel. Immer mehr Menschen nehmen an der traditionellen Gedenkveranstaltung teil. Der Platz auf der Hinterbühne reicht deshalb längst nicht mehr aus.

Am Samstagabend fand im Bühnenhaus Wesel die traditionelle Veranstaltung zum Gedenken an die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 statt, organisiert vom Jüdisch-Christlichen Freundeskreis und der Stadt Wesel. Weil in den vergangenen Jahren die Zuhörerzahlen stetig gestiegen waren, hatte man die Veranstaltung kurzerhand von der Hinter- auf die Hauptbühne verlegt.

Attentäter war kein „einsamer Wolf“

Bürgermeisterin Ulrike Westkamp nahm in ihrem Grußwort Bezug auf das Attentat in Halle, bei dem ein mutmaßlich Rechtsextremer einen Anschlag auf die Synagoge verübte und zwei Passanten erschoss.

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Sie erteilte der Theorie vom „einsamen Wolf“ eine deutliche Absage und verwies auf die „bestens vernetzte rechtsextreme Szene in Deutschland. Es war wohltuend zu sehen, dass eine Mahnwache für die jüdische Community abgehalten wurde.“

Wolfgang Jung vom Jüdisch-Christlichen Freundeskreis Wesel bei seiner Ansprache im Bühnenhaus.
Wolfgang Jung vom Jüdisch-Christlichen Freundeskreis Wesel bei seiner Ansprache im Bühnenhaus. © ffs | markus joosten

Ebenso ging die Rathauschefin der Frage nach, wie man Antisemitismus bekämpfen kann. Sie verwies dabei auf den Aufstieg der AfD, die mit Fake-News und dem Schüren von Fremdenhass arbeite. „Die Substanz der AfD ist die Propaganda!“, so die Bürgermeisterin und sie appellierte: „Mit Rechten darf man nicht moralisieren, sondern muss ihre Lügen immer und immer wieder entlarven.“

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Sie beschloss ihre Rede mit dem klaren Statement: „Unsere Toleranz endet dort, wo Fremdenfeindlichkeit anfängt!“. Leider konnte der Weseler Ehrenbürger Ernest Kolman aus gesundheitlichen Gründen nicht wie in den Jahren zuvor teilnehmen.

Jiddische Musik

Wolfgang Jung, Vorsitzender des Jüdisch-christlichen Freundeskreises brachte die derzeitige Lage der jüdischen Bevölkerung in Deutschland auf den Punkt: „Die Anschläge der jüngeren Zeit zeigen, dass Antisemitismus und Rechtsradikalismus in diesem Land sehr lebendig sind!“

Als musikalischen Farbtupfer hatten die Organisatoren das „Ensemble Noisten“ engagiert, das sowohl mit klassischen Klezmer-Titeln als auch mit Eigenkompositionen das Publikum gut eine Stunde in die Welt der jiddischen Musik entführte. Zu Gehör kamen Hüpftänze, Freylekhs (‚fröhliche‘) Stücke und mitreißende Improvisationen, die von der Heiterkeit dieser Musikrichtung zeugen.

Anschließend gingen die Teilnehmer noch den traditionellen Lichtergang mit Kerzen vom Bühnenhaus zum Mahnmal - zur Erinnerung an die ermordeten Weseler Bürger jüdischen Glaubens vor dem Willibrordi-Dom. Die Kerzen wurden rings um das Mahnmal aufgereiht und Superintendent Thomas Brödenfeld sprach zum Abschluss das jüdische Totengebet.