Schermbeck/Hünxe/Bochum. Beim Prozess um illegal abgelagerte Ölpellets in Schermbeck erhebt ein Zeuge schwere Vorwürfe: Es geht um Bestechung und angekündigte Kontrollen.

Es war am 8. August 2014, als Ermittler mit einer großangelegten Durchsuchungsmaßnahme einen der größten Umweltskandale der vergangenen Jahre in NRW auffliegen ließen und damit zahlreiche Beteiligte in helle Aufregung versetzte – als hätten sie in ein Wespennest gestochen. Die Beschuldigten agierten hektisch, wütend und beschuldigen sich jetzt im Laufe der juristischen Aufarbeitung gegenseitig.

Das Gift muss aus dem Mühlenberg in Schermbeck GahlenDas wurde beim Verhandlungstag am Dienstag am Bochumer Landgericht sehr deutlich, in der der laut Anklage als Haupttäter geltende 57-jährige selbstständige Entsorgungsunternehmer als Zeuge aussagte und dabei einige brisante Details nannte.

Wie mehrfach berichtet, wurde im Schermbecker Mühlenberg, einer ehemaligen Tongrube in Gahlen, über mehrere Jahre illegal Giftmüll abgelagert – die Staatsanwaltschaft geht aktuell von einer Gesamtmenge in Höhe von 47.235,3 Tonnen Ölpellets und vadiumhaltigen Kronocarbs aus.

Zeuge erhob konkrete Vorwürfe

Spannend war der Verhandlungstag am Dienstag vor allem deshalb, weil der Entsorgungsunternehmer im Zeugenstand konkrete Vorwurfe erhob – unter anderem gegen Mitarbeiter das Recycling-Zentrum Bochum (RZB), gegen die Hünxer Firma Nottenkämper und auch gegen den Kreis Wesel als Aufsichtsbehörde.

Der Zeuge zeigte sich erbost darüber, dass offenbar zwei führende RZB-Mitarbeiter unmittelbar nach den Durchsuchungen mit dem Chef der Firma Nottenkämper unter sechs Augen ihr weiteres Vorgehen absprachen – ohne ihn mit ins Boot zu nehmen.

„Alle haben doch gut daran verdient.“

Er selber hatte an den Tagen danach mehrfach den jetzigen Angeklagten, den Ex-RZB-Betriebsleiter, aufgesucht (auch in seiner Privatwohnung), um mehr zu erfahren. Dabei soll es zum folgenden Dialog gekommen sein, berichtete der Beschuldigte.

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Er habe dem Entsorgungsunternehmer damals vorgeworfen: „Du hast alles kaputt gemacht, was ich mir in den letzten 20 Jahren aufgebaut habe.“

Daraufhin habe der der Unternehmer geantwortet: „Wir haben aber doch alle gut daran verdient.“ Als der Betriebsleiter entgegnete, er selber habe keinen Cent daran verdient, soll der Entsorgungsunternehmer gesagt haben: „Dann hau mir doch eine rein, wenn es dir dann besser geht.“

Nachdem er dies im Zeugenstand zunächst bestritt, räumte der 57-Jährige wenig später ein, dass es doch diesen Dialog so ähnlich gegeben habe – allerdings in anderem Zusammenhang. Doch diesen wollte der Vorsitzende Richter nicht hören.

Harte Vorwürfe gegen viele Personen

Der Entsorgungsmakler beschuldigte aber nicht nur mehrere RZB-Verantwortliche, bewusst giftiges Material in den Schermbecker Mühlenberg gebracht zu haben. Bei der Firma Nottenkämper, für die er eine Zeit lang ebenfalls tätig war, herrschten illegale „Machenschaften“, betonte der 57-Jährige mehrfach und konkretisierte, dass „Eisensilikatsand, der Schwermetalle enthält, mindestens im sechsstelligen Bereich bei Nottenkämper unter einem anderen Schlüssel“ angenommen worden sein soll.

Ein Klumpen der Ölpellets, der von einem Experten untersucht wurde.
Ein Klumpen der Ölpellets, der von einem Experten untersucht wurde. © Johannes Kruck

Ein Mitarbeiter des Kreises Wesel, den er namentlich benannte, habe Geld kassiert, um vorab Nottenkämper mitzuteilen, wann Kontrollen stattfänden.

Zudem sei illegal Sickerwasser, das einer Kläranlage hätte zugeführt werden müssen, von der Firma in den Wald geleitet worden. Mehrfach betonte der Entsorgungsunternehmer, er habe nicht auf den Lkw gesessen, also auch nicht gewusst, was geliefert worden sei – und auch für die Kontrollen sei er nicht verantwortlich gewesen.

Sinngemäß: Er habe nichts Illegales gemacht.

Gericht glaubt dem Zeugen nicht

Das nahm ihm der Richter nicht ab: „Wir glauben, dass Sie uns belügen! Unsere Beweislage ist, dass Sie in diese Machenschaften mit eingebunden sind.“

Der Angeklagte räumte ein, dass er zwar frühzeitig kriminelle Geschäfte mit dem Gemisch aus Abfall und Sand vermutete, aber aus Angst seinen Job zu verlieren, nichts unternommen habe. „Mir waren die Stoffe nicht geheuer: Sie stanken enorm nach Kohlenwasserstoffen, wurden immer matschiger und klebten unter den Schuhsohlen.“