Wesel. Der Schallschutz ist nicht für 740 Meter lange Züge berechnet, kritisiert Gert Bork aus Wesel. Auch das Notfallmanagement muss verbessert werden.
Voraussichtlich 2020 steht das Planfeststellungsverfahren für den Betuwe-Ausbau im Bereich Wesel an. Doch für die Bürgerinitiative „Betuwe-Linie - So nicht“ sind noch längst nicht alle Fragen in Sachen Lärmschutz und Sicherheit geklärt. Im Gegenteil – es sind neue Bedenken hinzugekommen, erklärt Sprecher Gert Bork im NRZ-Gespräch. So ist geplant, die Einführung von 740-Meter-Zügen zu beschleunigen – auch über einen „automatisierten Zugbetrieb“ wird nachgedacht. Das bedeutet aus seiner Sicht nichts anderes als autonomes Fahren der Güterzüge, was wiederum heißt, dass mehr Züge – bis zu 600 pro Tag – unterwegs sein könnten. Darauf sind die Lärmschutzplanungen gar nicht ausgerichtet, kritisiert er.
Anfrage zur Takterhöhung der Züge blieb ohne Ergebnis
Diese Ziele sind Teil einer Absichtserklärung, auf die sich der deutsche Staatssekretär Enak Ferlemann und seine niederländische Amtskollegin Stientje Van Veldenhoven verständigt haben. Eine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Bernd Reuther, ob eine Takterhöhung geplant sei und wie sich dies auf den Lärmschutz auswirke, blieb Ende Juni ohne Ergebnis: Der Bund könne keine Aussagen zur Takterhöhung machen, hieß es.
Große Zweifel hat Gert Bork auch an der Zusicherung Ferlemanns gegenüber der niederländischen Amtskollegin, man wolle den Betuwe-Ausbau beschleunigen. Von 2026 sei die Rede gewesen, so Bork. „Das halte ich für sehr optimistisch.“ Denn es gebe aufwändige Bauarbeiten zu bewältigen, bevor die Züge auf dem dritten Gleis rollen können. Zum Beispiel die Lippebrücke in Wesel, die bekanntlich komplett erneuert werden muss. Ebenso wie die Kanalbrücke in Friedrichsfeld, die wie auch der dortige Bahnhof um 1,5 Meter angehoben werden muss, damit auch größere Schiffe freie Fahrt haben.
Mehr Lärm an der Betuwe-Strecke durch längere Züge
Die längeren Züge verstärken aus Sicht der Bürgerinitiative (BI) die Probleme mit dem Lärmschutz, der ja in Wesel ohnehin noch Lücken hat, zum Beispiel am Fusternberg, am Blaufuß und in Blumenkamp. Zugrunde gelegt wurden bisher nur 500 Meter lange Zügen, berichtet Bork. „Das heißt, der ganze Schallschutz ist nicht ausreichend berechnet“, fürchtet er.
Auch angesichts einer möglichen Taktverdichtung will die BI beim Schallschutz auf jeden Fall am Ball bleiben. Als Negativ-Beispiel sieht Bork den Planfestellungsbeschluss in Rees-Haldern: Bis auf zusätzlichen Schallschutz an einem Campingplatz und kleinere Zugeständnisse habe die Bahn ihre Planung durchgesetzt. Das will die Bürgerinitiative für Dinslaken, Voerde und Wesel verhindern und helfen, bessere Ergebnisse für die Anwohner zu erzielen.
Notfallmanagement hat noch Schwächen
Das gilt auch für den Sicherheitsbereich: Hier übt Bürgerinitiative immer noch Kritik am Notfallmanagement der Bahn. Die Schwächen haben einige Unfälle mit Güterzügen zum Beispiel in Unkel offenbart. „Die Feuerwehr ist nach fünf Minuten vor Ort“, sagt Bork. Doch es dauere immer noch zu lange, bis die Wehr alle Informationen hat und ein Notfallmanager vor Ort, der Strom an der Strecke abgeschaltet ist – Zeit, in der Wehrleute nichts tun können. Die Kommunikationswege seien noch zu umständlich. „Die Bahn muss direkt mit der Feuerwehr kommunizieren“, fordert er. Gemeinsam mit der Feuerwehr habe die BI eine Übung an der Strecke in Wesel, zum Beispiel in der Höhe des Byk Werkes, angeregt.
Kritik richtet die Bürgerinitiative auch an die Landesregierung: Sie sei zu untätig. Bork wünscht sich, dass Düsseldorf hilft, das Verfahren zu beschleunigen – im Sinne der BI: „Wir stellen ja keine utopischen Forderungen.“
„Wir sind nicht gegen die Betuwe“
Und auch bei der Finanzierung müsse endlich ein Fortschritt erzielt werden: Für den von den Kommunen und Bürgerinitiativen geforderten besseren Lärmschutz zwischen Oberhausen und Emmerich habe die Bahn Mehrkosten in Höhe von 90 Millionen Euro errechnet. Daraufhin hätten die Kommunen ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben, das einen Mehrbetrag von 180 Millionen Euro berechnet – allerdings inklusive weiterer Verbesserungen wie Erschütterungsschutz oder Bahnübergänge. „Das sind gerade einmal zehn Prozent der Gesamtsumme, darüber müssen wir doch nicht streiten“, sagt Bork. Und er betont: „Wir sind ja nicht gegen die Betuwe-Linie. Aber wenn, dann muss es richtig gemacht werden. Dann könnten wir morgen anfangen.“