Kreis Wesel. . Rund 30 Beamte der Kreispolizei übernehmen es freiwillig, Todesnachrichten zu überbringen. Sie betreuen die Familien und sie bringen Zeit mit.

Manche verstummen, andere beharren auf einem Irrtum. Eine Frau läuft durchs Haus und schreit, eine andere beginnt aufzuräumen oder Kaffee zu kochen: Thomas Deselaers ist seit 40 Jahren Polizist, Timm Wandel seit 34 Jahren im Dienst. „Jeder Mensch reagiert anders“, sagt Deselaers. Die beiden erfahrenen Beamten gehören zu den Polizisten, die Todesnachrichten überbringen. Und zwar persönlich. Sie und weitere Kollegen der Kreispolizei übernehmen diese Aufgabe, vor der viele zurückschrecken, freiwillig. Warum? „Irgendjemand muss es tun“, sagt der Erste Polizeihauptkommissar schlicht. Niemand soll am Telefon erfahren müssen, dass ein Familienmitglied verunglückt ist und niemand soll allein gelassen werden mit dieser Nachricht.

Zuhören und auch Stille aushalten können

Im ‘normalen’ Dienst ist Deselaers Wachleiter in Kamp-Lintfort, Timm Wandel Pressesprecher der Kreispolizei. Und nebenher sind sie freiwillige Opferbetreuer im Bereitschaftsdienst. Eine Aufgabe, die nahe geht. „Man muss von sich aus bereit dazu sein“, sagt Wandel.

Bevor der Kreis Wesel die Opferbetreuung systematisch angegangen ist, war der jeweilige Dienstgruppenleiter dafür zuständig, die Familie zu benachrichtigen. Eine seiner zahlreichen Aufgaben wenn sich beispielsweise ein tödlicher Unfall ereignet hat. Heute geht ein Team aus zwei geschulten und erfahrenen Polizisten und einem Notfallseelsorger zu den Angehörigen. Zeit ist der entscheidende Faktor – das Team bringt soviel davon mit, wie nötig ist. Sie hören zu, halten zur Not auch Stille aus.

Niemand bleibt allein zurück

Wenn möglich, informieren sich die Beamten zuvor darüber, was sie erwartet, bevor sie an einer Tür klingeln. Doch die Zeit drängt. „Wir möchten nicht, dass die Familie bereits über Facebook informiert wird“, sagt Wandel.

Trotz aller Schulungen und Vorbereitungen – es sind berührende Begegnungen. Solche, in denen die Beamten auch etwas über sich erfahren. „Ich habe ein Talent zum Trösten“, hat Wandel herausgefunden, der auch mal eine Hand drückt oder seine Schulter zum Ausweinen zur Verfügung stellt. „Warum nicht, wenn es in dem Moment gut tut?“ Besonders schwierig ist es, wenn Kinder im Haus sind. „Wir schicken sie grundsätzlich nicht weg, egal wie alt sie sind.“

Niemand wird allein gelassen

Es gibt weitere Grundsätze, an die sich die Opferbetreuer halten. Gesprochen wird nicht an der Tür, nicht im Flur. Die Betreuer reden nicht um die Sache herum. Und sie bleiben so lange, bis jemand aus der Familie da ist, „wir lassen niemanden alleine zurück“. Manchmal holen sie die Großeltern, und zwar persönlich. Sie sollen sich nicht ans Steuer setzen.

Jeder dieser Einsätze ist anders. Da war die 16-Jährige, die sofort ihre Oma sehen wollte – die Frau war mit dem Fahrrad verunglückt. Andere möchten an den Unfallort. Die Opferbetreuer der Polizei tun was sie können. Trotz aller Professionalität sind auch sie nur Menschen. „Es gibt nach dem Einsatz Bilder im Kopf“, versucht Wandel das zu beschreiben, „die Situation ist immer belastend“, Deselaers nickt. Gelegenheit zu sprechen gibt es bei der Nachbereitung, auch regelmäßige Supervision gehört zur Arbeit. Hilfe für die Helfer.

Die Opferbetreuung begann 1999

Die Anfänge der Opferbetreuung in der Kreispolizeibehörde Wesel gehen auf das Jahr 1999 zurück, seit 2001 gibt es ein stabiles System. Rund 30 Polizeibeamte melden sich freiwillig für diese Aufgabe und lassen sich schulen. Es sind ausgeglichene, oft erfahrene Beamte, aber auch Jüngere. Die Kreispolizeibehörde unterstützt sie dabei: Ihre Einsätze haben Priorität, sie sind dafür von ihrem Dienst entlastet.