Wesel. . Vor fünf Jahren bezogen zwölf junge Menschen mit Behinderung das Haus der Cassiopeia-Stiftung in Wesel. Nun ist ein weiteres Projekt in Planung.
- Eltern können ihren Kindern mit Behinderung hier ein Leben mit Betreuung und Eigenständigkeit ermöglichen
- In 30 Quadratmeter großen Appartements haben die Bewohner an der Gelißstraße ihr eigenes Reich
- Die Pflege und Betreuung für die Mieter wird über das persönliche Budget über externe Dienstleister organisiert
In jeder Familie ist das der natürliche Lauf der Dinge: Kinder wachsen heran, werden flügge und machen sich in den eigenen vier Wänden selbstständig. Was aber, wenn das Kind aufgrund einer Behinderung nicht ganz allein leben kann, aber dennoch selbstständig werden will? Die Eltern, die 2010 die Cassiopeia-Stiftung gegründet und ein Haus mit zwölf Appartements für junge Menschen mit den verschiedensten Handicaps gebaut haben, sind einen neuen Weg gegangen. Das Projekt läuft seit fünf Jahren gut – so gut, dass ein weiteres Haus in Planung ist.
Die zwölf je 30 Quadratmeter großen Appartements werden zwar von den Fluren aus betreten, haben aber eine eigene Wohnungstür. Die kann jeder hinter sich schließen, wenn er Ruhe braucht. Es gibt eine Küchenzeile, ein Bad, ein Schlaf- und ein Wohnzimmerzimmer - ein ganz persönliches Reich eben.
Eltern hatten Anfangs Bauchschmerzen
Wer Gesellschaft sucht, findet sie im Gemeinschaftsbereich. Eine Sitzecke mit Fernseher, eine Küche und eine Essgruppe befinden sich auf jeder der zwei Etagen. Es gibt einen Balkon und einen Garten. Das Dachgeschoss bietet einen kleinen Freizeitbereich mit einem Raum für Physiotherapie.
Die Eltern, deren Kinder den Schritt in die betreute Eigenständigkeit wagten, hatten anfangs einige Bauchschmerzen. „Aber es war genau der richtige Schritt“, sagt Marie-Luise Karrer. Übrigens nicht nur für die Mieter: „Ich habe heute viel mehr Freiheiten“, schildert Silvia Kuhlmann. Sie weiß, dass ihre Tochter Inga versorgt ist, auch wenn sie älter wird und sich nicht mehr um die Tochter kümmern kann. Und Inga fühlt sich in ihrem Reich pudelwohl.
Wie für viele Eltern mit behinderten Kindern war für Silvia Kuhlmann die Frage, wie sie Inga den Wunsch nach einem eigenen Leben erfüllen kann, lange ungeklärt. Die junge Frau mit geistiger Behinderung und einer Epilepsie konnte nicht einfach ausziehen. „Da muss immer jemand im Hintergrund ansprechbar sein.“
Ansprechpartner gibt Sicherheit
Im Haus der Cassiopeia-Stiftung haben die Mieter so viel Betreuung und Eigenständigkeit, wie sie brauchen und wünschen. Eine WG mit festen Regeln ist das Projekt nicht. Nach Feierabend treffen sich die Bewohner gerne, um sich die Ereignisse des Tages zu erzählen. Einziger fester Termin ist eine Versammlung am Donnerstagabend.
Die Pflege und Betreuung für die Mieter wird über das persönliche Budget über externe Dienstleister organisiert - denn das Projekt ist eine ambulante Wohnform. Sobald Mieter zu Hause sind, steht ein „Hintergrunddienst“ als Ansprechpartner zur Verfügung, das gibt vielen die Sicherheit. Auch ob sie allein im Appartement oder gemeinsam essen, entscheiden die Bewohner selbst. „Jeder kann die Tür zumachen, wie in einer normalen Wohnung“, erklärt Silvia Kuhlmann. Freundschaften sind entstanden, aber auch Konflikte treten auf, wie in jeder Hausgemeinschaft. „Es gibt schwierige Situationen zu meistern, aber bisher ist immer alles gut gegangen“, sagt Marie-Luise Karrer. Ihre Kinder haben sehr profitiert, sind selbstbewusster und selbstständiger geworden, sagen die beiden Mütter.
Das Wohnprojekt ist in Wesel einzigartig. Noch, denn es gibt Eltern, die für ihre Kinder ebenfalls ein solches Haus bauen wollen. Dafür werden noch Interessenten gesucht. Ein Grundstück am Hansaring und ein Entwurf für ein Projekt in ähnlicher Größe sind vorhanden. Bei der Umsetzung können die Eltern der Gelißstraße mit ihrer Erfahrung weiterhelfen.
Hier gibt es weitere Informationen:
- Am Donnerstag, 22. Juni, um 18 Uhr findet an der Gelißstraße 17 ein Info-Treffen für Eltern und ihre Kinder mit Behinderung statt. Anmeldung ist unter 0157/36110664 möglich.Nach dreijähriger Vorbereitungszeit wurde die Cassiopeia-Stiftung 2010 mit großem Zeit- und Arbeitseinsatz ins Leben gerufen. Ein wesentliches Ziel ist die Förderung von Projekten, die dem selbstbestimmten Leben von Menschen mit Behinderung dienen. Mehr Infos unter: www.cassiopeia-stiftung.de