Xanten. Bedürftige Rentner machen seit zwei Jahren die größte Gruppe der Kunden aus. Die Zahl steigt stetig an. Besonderes vor den Feiertagen.

Noch sind die Schiebetüren des ehemaligen Raiffeisenmarkts auf der Boxtelstraße geschlossen, davor hat sich bereits eine Menschenmenge gebildet. Um 14 Uhr startet hier bei der Xantener Tafel die Lebensmittelausgabe – mit der ersten und größten Gruppe ihrer Kunden: Rentner. Maria Diamant geht seit fünf Jahren regelmäßig zur Tafel und freut sich jede Woche auf den Donnerstagnachmittag. „Wir kennen uns hier alle untereinander – und haben alle dasselbe Problem“, sagt die 68-Jährige. Ihre knappe Rente reiche hinten und vorne nicht, ergänzt sie.

Xantener Tafel: Die Feiertage liegen ungünstig

Heute ist die letzte Ausgabe in diesem Jahr, erst in zwei Wochen ist die nächste. „Das versuchen wir immer zu vermeiden, aber dieses Jahr liegen die Feiertage so ungünstig, dass wir keine Ware bekommen“, sagt Gudrun Rieberer. Gemeinsam mit ihrem Mann Harald leitet sie die Tafel seit dreieinhalb Jahren – mithelfen tun beide schon jahrelang.

Die Leiter der Tafel Gudrun (v.l.) und Harald Rieberer mit einer der längsten Ehrenamtlichen: Uschi Janßen.
Die Leiter der Tafel Gudrun (v.l.) und Harald Rieberer mit einer der längsten Ehrenamtlichen: Uschi Janßen. © Armin Fischer

Um die Überbrückungszeit für ihre Kunden angenehmer zu machen, gibt es zusätzlich zu den üblichen vier Kisten mit Frischware, Obst, Gemüse und Brot eine Sonderausgabe: Kaffee, Zucker, Mehl und eine Torte. Das alles bekommen die Kunden für zwei Euro. „Der Betrag mag gering erscheinen, trotzdem gibt es oft Menschen, die ihn nur sehr mühsam zahlen können“, sagt Rieberer. Jede Woche kommen rund 150 Personen zum Abholen. „Das sind rund doppelt so viele wie vor fünf Jahren, und die Zahl steigt stetig an“, berichtet Rieberer. Vor allem Rentner seien hinzugekommen. Das habe vor knapp zwei Jahren noch anders ausgesehen, bestanden da die Kunden hauptsächlich aus Asylbewerbern. Auch viele junge Familien kämen regelmäßig zur Essensausgabe.

Rund 45 Ehrenamtler arbeiten bei der Xantener Tafel

Als die Türen geöffnet werden, drängt sich niemand vor, alles wirkt geregelt. Und das ist es auch: Jede Person hat einen Ausweis mit einer Nummer darauf. Auf einer Liste steht die Reihenfolge der Ausgabe – die sich fairerweise jede Woche ändert. Die Sorge, dass man nichts mehr abbekommt, brauche niemand zu haben. „Alle bekommen gleich viel“, macht Rieberer klar. Dafür sorgen die rund 45 ehrenamtlichen Mitarbeiter und haben damit alle Hände voll zu tun: dienstags, mittwochs und donnerstagmorgens werden an diversen Stellen wie Supermärkten, Bauernhöfen und Getränkemärkten überschüssige Lebensmittel abgeholt.

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Die Frühschicht, bestehend aus zehn bis 15 Personen, sortiert die Ware donnerstagvormittags, die Spätschicht gibt die Lebensmittel aus und räumt abends auf. Heute wird das Team von vier Auszubildenden der Stadtverwaltung unterstützt, die einen „Social Day“ bei der Tafel machen. Anika Ten Elsen ist eine von ihnen und hatte bis heute keine Berührungspunkte mit der Tafel.

„Es ist Wahnsinn, was hier alles zu tun ist und wie viel Arbeit dahinter steckt“, sagt die 22-Jährige. Für Uschi Janßen hingegen ist das nichts Neues: Sie hilft schon seit knapp 14 Jahren mit. Jeden Donnerstag macht sie beide Schichten – und putzt freitags mit Gudrun Rieberer vier Stunden. Aufhören komme für sie nicht infrage, viel zu gut kenne sie die Menschen hier mittlerweile. „Wir sind hier wie eine kleine Familie.“

Tafel-Besucherin: „Ich habe mich unheimlich gesträubt“

Für Heidi Höne dauert es noch ein bisschen, sie hat die Nummer 44. Wie viele andere hat sie sich Kaffee und Kuchen geholt, den es jede Woche kostenlos gibt. Sie geht seit sieben Monaten zur Tafel und erinnert sich noch gut an das erste Mal. „Es war unglaublich schwer und ich habe mich innerlich gesträubt.“ Um Lebensmittel zu erhalten, musste sie sich einmal vorstellen und einen entsprechenden Nachweis mitbringen – bei ihr ist es der Rentenbescheid. Aber der Grund, warum sie hier ist, ist ein anderer: „Ich habe mich einen Monat vor meinem 47. Hochzeitstag scheiden lassen“, erzählt sie.

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Nach einer so langen Zeit auf sich gestellt zu sein, sei hart. Aber sie sei sofort liebevoll aufgenommen worden. „Der erste Gang zu uns ist immer ein schwerer Gang“, weiß Harald Rieberer. „Aber die, die einmal da waren, kommen wieder.“ Er möchte Menschen, die Unterstützung brauchen, zur Kontaktaufnahme ermutigen. „Die meisten sind überrascht, wie locker und nett hier alles zugeht. Man muss sich nur einmal überwinden.“