Xanten. Wie ein Muslim Jesus sieht: Der Künstler Aziz El Khiar stellt Bilder im Xantener Dom aus. Er will Christen und Muslime zum Gespräch anregen.
In ein weißes Gewand gekleidet hält Maria ihren Sohn im Arm. Statt in einer mit Stroh ausgelegten Krippe liegt sie im Schatten einer Dattelpalme, hinter ihr strahlt die Sonne. Keine Spur von Josef, auch nicht von Ochse und Esel.
Das Bild ist Teil der Ausstellung „Wege zum Dialog“ von Aziz El Khiar, die aktuell im Xantener Dom zu sehen ist. In dieser ungewöhnlichen Konstellation von Bildern eines muslimischen Künstlers und katholischer Kirche werden Überschneidungspunkte von Islam und Christentum deutlich — schon allein dadurch, dass Jesus im Koran überhaupt eine Rolle spielt.
Künstler Aziz El Khiar: Überbrückung der Sprachlosigkeit
Für Josef Hochstaffl, Professor für Theologie im Ruhestand, ist das keine Überraschung. „Jesus ist im Koran einer der wichtigsten Propheten“, erklärt er. Gemeinsam mit Thomas Garske hat er die Ausstellung im Dom initiiert. Die beiden haben 2015, als viele muslimische Geflüchtete nach Deutschland und auch nach Xanten kamen, im Arbeitskreis Asyl eine eigene Gruppe für Religion ins Leben gerufen, damit sich Menschen unterschiedlichen Glaubens austauschen können.
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Deswegen war die Entdeckung der Kunst von Aziz El Khiar für die beiden ein Geschenk — denn der Künstler will mit seiner Arbeit zur Überbrückung „der Sprachlosigkeit zwischen Christen und Muslimen“ beitragen, wie er selbst schreibt.
Das tut er auch im Privaten: Der gebürtige Marokkaner muslimischen Glaubens ist mit einer evangelischen Religionslehrerin verheiratet, sie leben mit ihren Kindern in Gevelsberg bei Wuppertal. Seine Werke seien Ausdruck seiner persönlichen, alltäglichen Auseinandersetzung mit den beiden Weltreligionen.
Beide religiöse Überlieferungen kommen zum Tragen
In den Bildern von El Khiar kommen beide religiösen Überlieferungen zum Tragen. So ist auf einem der Gemälde ein Tisch zu sehen, an dem Menschen gemeinsam essen — eine Situation, die sich nicht nur in Form des Abendmahls in der Bibel, sondern auch im Koran wiederfindet. Auf einem anderen Bild sieht man die Kreuzigung. Doch nach muslimischem Glauben ist nicht Jesus am Kreuz gestorben, stattdessen habe man ihn durch einen anderen Menschen ersetzt.
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Zum Verständnis helfen die entsprechenden Koran- und Bibelstellen, die unter den Bildern angebracht sind. Auch die unterschiedlichen Auffassungen innerhalb des Islams würden in vielen Bildern deutlich, so Hochstaffl.
Doch statt sich an inhaltlichen Unterschieden festzubeißen, geht für Hochstaffl und Garske die eigentliche Aussage über die inhaltlich-religiöse Ebene hinaus: „Das Entscheidende ist, dass Aziz El Khiar in der Religion eine gemeinsame Aufgabe für unsere Gesellschaft sieht — und die deckt sich mit unserer Auffassung.“ Diese liege in der Akzeptanz „anderer Frömmigkeitsformen“, sagt Garske. Von Anfang an hätten sie nicht missionieren, sondern miteinander über ihren Glauben sprechen wollen und über das, was einen Menschen tief im Innersten am meisten bewege.
Kunstausstellung im Xanten: Vertrauen ist gewachsen
Das sind die Besichtigungstermine
Der Künstler Aziz El Khiar zeigt Jesus, wie er in der Bibel und im Koran dargestellt wird.
Die Bilder sind bis Ende Januar 2020 im Nordturm des Doms zu sehen und können montags bis freitags von 12 bis 17 Uhr, samstags von 10 bis 17 Uhr und sonntags von 12.30 bis 18 Uhr besichtigt werden.
Als die interreligiöse Gruppe vor vier Jahren gegründet wurde, sei es für die meisten muslimischen Gruppenmitglieder schwer vorstellbar gewesen, den Dom zu betreten. Jetzt haben sie die Ausstellung mitaufgebaut, bei der Anordnung der Bilder und der Installation der Lichter geholfen. „Als wir am Tag vor der Eröffnung letzte Vorbereitungen im Dom trafen, kamen die muslimischen Gruppenmitglieder von sich aus dazu — bis dahin trafen wir uns vorne am Eingang“, berichtet Garske.
„Da habe ich gemerkt, dass das Vertrauen ein großes Stück gewachsen ist.“ Das sei nicht von selbst gekommen, es habe viele Diskussionen und Aha-Erlebnisse auf beiden Seiten gegeben. „Wenn man in Frieden leben will“, so Garske, „muss man schon etwas dafür tun.“ Zum Beispiel miteinander sprechen.