Rheinberg/Baerl. Felix Demond kam als französischer Kriegsgefangener nach Deutschland und gründete eine Familie. Reiner Demond schrieb ein Buch über seinen Vater.

Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs jährte sich am 1. September zum 80. Mal. Dieser Krieg hat das Leben nachhaltig beeinflusst. Auch wenn viel hinter Statistiken verschwunden ist, bleiben doch einige Schicksale präsent. Lebensläufe wie der von Felix Demond, die in einem kleinen, privaten Mikrokosmos die deutsch-französischen Beziehungen des letzten Jahrhunderts beschreiben.

Dass sein Leben so verlaufen würde – damit hatte der Franzose Felix Demond sicher nicht gerechnet. Geboren am 3. Februar 1915 in Paris, wuchs er in Diges auf, einem kleinen Ort bei Auxerre in der Bourgogne. Der Vater hat seinen Sohn nie kennengelernt, er fiel ein halbes Jahr vor dessen Geburt im Ersten Weltkrieg in den Ardennen. Die Mutter arbeitete als Krankenschwester in Paris, konnte das Kind aber nicht alleine aufziehen. So holte die Großmutter das Baby in Paris ab und brachte es unter schwierigen Umständen nach Diges. Die Mutter starb 1919 an Tuberkulose. Felix wuchs heran, besuchte die Schule, wurde Schreiner und hatte bereits eine eigene Werkstatt, als er 1936 zum Militär kam und 1939 in den Weltkrieg zog.

Für die Familie entschieden

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Felix Demond kam in deutsche Gefangenschaft, er wurde 1940 in der Nähe von Lille gefangen genommen, kam in verschiedene deutsche Lager und landete schließlich im Lager in Baerl. Dort blieb er von April 1941 bis November 1943, arbeitete auf einem Bauernhof. Dann wurde er ein ziviler Arbeiter. Er blieb auch nach dem Krieg in Deutschland. Ging nicht mehr zurück nach Frankreich. Er gründete eine Familie und fand am Niederrhein seine zweite Heimat. So lebte er zwischen zwei Welten. Seine Wurzeln waren in Frankreich, wo Teile seiner Familie ihn als Kollaborateur verstießen. Sein neues Zuhause war in Deutschland, wo er seine deutsche Frau Elisabeth (geborene Pesch) heiratete und vier Kinder mit ihr bekam.

„Er hat sich nicht gegen seine Heimat, sondern für seine Familie entschieden“, sagt sein Sohn Reiner Demond heute. Er ist seit vielen Jahren Zahnarzt in Rheinberg. Reiner Demond hat jetzt ein Buch über das Leben seines Vaters herausgegeben. „Es war eigentlich als Familienprojekt angelegt, für die Kinder und Enkelkinder“, erinnert sich Reiner Demond. „Aber das Feedback war so groß, dass wir uns überlegt haben, es auch öffentlich zugänglich zu machen.“ Mit Unterstützung seiner Schwester Marie-Luise Demond-Victor hat er die rund 150 Seiten starke und mit über 100 Fotos reich bebilderte Dokumentation erarbeitet.

Briefe in die erste Heimat

Auf die Familie blieb die französische Herkunft des Vaters nicht ohne Auswirkungen. „Zu bestimmten Tagen im Jahr fing mein Vater an zu schreiben“, erinnert sich Reiner Demond. „Es war meistens vor Ostern oder vor Weihnachten. Er schrieb Briefe an seine französische Verwandtschaft. Briefe, die ich gelegentlich lesen durfte, die seine Verbundenheit mit seiner ersten Heimat immer deutlich machte. Er war immer zwiegespalten zwischen seiner Familie hier und seiner Familie in Frankreich.“

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Felix Demond war am Niederrhein ein angesehener Mann. „Die Leute mochten ihn, und sie schätzten seine handwerklichen Fähigkeiten und seine Hilfsbereitschaft. Aber als meine Eltern heirateten, kam niemand von den Nachbarn“, berichtet Marie-Luise Demond-Victor. Ihr jüngerer Bruder, der die Familiengeschichte erforscht hat, sagt: „Ich habe zum Beispiel auf keinem der Hochzeitsbilder unserer Familie aus den 50er und 60er Jahren sein Gesicht gefunden. Ich möchte nicht in seiner Haut gesteckt haben. Meine älteren Geschwister durften nicht Franzosen sein – da gab es Anfeindungen, sowohl von Schülern, als auch von Lehrern.“ Frankreich als der alte Erzfeind der Deutschen – das steckte noch in vielen Köpfen.

Lebensläufe, die nicht vergessen werden sollen

Die ungewöhnliche Vita Felix Demonds weckte allerdings auch das Interesse geschichtlich interessierter Menschen. So interviewte der Moerser Bernhard Schmidt bereits 1998 Felix und Elisabeth Demond und nahm ihre Erinnerungen in sein Buch „Moers unterm Hakenkreuz“ auf. 1999 wurde Demond in den Düsseldorfer Landtag zur Ausstellung „UnterMenschen“ eingeladen, die die Schicksale der Kriegsgefangenen im Dritten Reich dokumentierte. Reiner Demond und Marie-Luise Demond-Victor wurden an die Anne-Frank-Gesamtschule eingeladen, um im Rahmen eine Aufbereitung der Ausstellung von 1999 über ihren 2007 verstorbenen Vater zu berichten. Ein Dokumentarfilm wurde gedreht.

Die Geschwister beschreiben ihren Vater als einen zurückhaltenden Menschen, der aber gerne und detailreich erzählte. „Und“, so ergänzt Reiner Demond, der gute Kontakte zum französischen Teil seiner Familie unterhält, „er war ein besonderer Mensch mit einem besonderen Leben.“ Umso mehr freuen sich die Kinder Felix Demonds, dass die Vita ihres französischen Vaters im nächsten Jahr Teil einer Ausstellung im alten Landratsamt in Moers werden soll in der verschiedene Lebensläufe aus dieser Zeit beleuchtet werden sollen.

Museum im Landratsamt am Moerser Kastellplatz

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Aufgenommen werden in dieser Dauerausstellung auch Hermann Runge (SPD-Politiker und Widerstandskämpfer aus Moers), Ernst Holla (er war Zentrums- und später CDU-Politiker sowie Bundestagsabgeordneter aus Moers) sowie Konrad Imig (ein Moerser Kriminalinspektor, der durch und durch Nazi war und wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit 1949 verurteilt wurde).

Das ehemalige Landratsamt am Moerser Kastellplatz wird künftig als Museum dienen. Es soll die wechselvolle Demokratiegeschichte des 20. Jahrhunderts erzählen. Der Titel „…rien de rien … Das Leben, der Krieg und die 2. Heimat“, herausgegeben von Reiner Demond, gibt es zum Preis von 10 Euro in der Barbara-Buchhandlung, Burgstraße in Moers, und bei Schiffer-Neumann, Holzmarkt, Rheinberg.