Oberhausen. Antisemitische Vorfälle häufen sich seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel. Auch die Stadt Oberhausen bekommt die Folgen zu spüren.
- Die „Multi“, der bekannte Jugendaustausch in Oberhausen, findet 2024 ohne israelische Beteiligung statt
- Begründung: Die jungen Israelis sollen sich nicht für die Politik ihres Landes rechtfertigen müssen
- Auch der wachsende Antisemitismus bereitet den Teilnehmern große Sorgen
Angriffe auf Jüdinnen und Juden nehmen in Deutschland seit dem Massaker der Terrorgruppe Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 zu. Die Zahl der antisemitisch motivierten Straftaten sei auf einem „beschämend hohen Niveau“, hatte Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung, Anfang dieses Jahres gesagt. Auch in Oberhausen gab es mehrere Vorfälle, die große Sorgen bereiten. Das hat Folgen.
Aktuell trifft es den über die Stadtgrenzen hinaus bekannten und deutschlandweit größten städtischen internationalen Jugendaustausch „Multi“. Die Partnerstadt Jerusalem hat die Teilnahme in diesem Jahr abgesagt. Junge Israelis werden also nicht dabei sein, wenn im August mehr als 100 Jugendliche aus aller Welt in Oberhausen zu Gast sind. „Neben den Sorgen über zunehmende antisemitische Vorfälle in Deutschland, die in Israel nicht unbemerkt geblieben sind, haben die Verantwortlichen aus Israel die Befürchtung, dass ihre Jugendlichen mit ständigen Fragen zum aktuellen Geschehen in ihrer Heimat aus dem bunten Teilnehmerfeld der Multi heraus überfordert sein könnten“, heißt es in einer aktuellen Mitteilung der Stadt. „Wir sind sehr, sehr traurig“, sagt Multi-Urgestein Wolfgang Heitzer vom Organisationsteam.
Schmierereien und Boykottaufruf: Antisemitismus in Oberhausen
„Es schmerzt, aber wir haben diese Entscheidung zu akzeptieren“, sagt Heitzer. Er ist sich bewusst, dass es antisemitische Stimmungen und Vorfälle auch in Oberhausen gibt. So wurde im November letzten Jahres das Sophie-Scholl-Gymnasium mit anti-israelischen Parolen beschmiert. „Einen Tag vorher haben wir dort mit ehemaligen Multi-Teilnehmern Kuchen zugunsten einer israelischen Hilfsorganisation verkauft“, erzählt Heitzer. Im Februar dieses Jahres hat eine Gruppe einen Antisemitismus-Vortrag in der Gedenkhalle gestört. Besucher wurden angeschrien, Stühle wurden umgetreten, die Polizei musste einschreiten.
Die vor wenigen Wochen zu Ende gegangenen Kurzfilmtage sahen sich mit einem unsäglichen Boykottaufruf konfrontiert, nachdem Leiter Lars Henrik Gass im Oktober vergangenen Jahres zur Unterstützung einer Demo in Berlin aufrief, die Solidarität mit Israel und den deutschen Jüdinnen und Juden zeigen wollte. Und auch die Multi selbst hat es getroffen: „Wir haben einen Multi-Banner aufgehängt, am nächsten Tag war die israelische Flagge herausgeschnitten“, erzählt Heitzer hörbar mitgenommen in einem Telefongespräch mit der Redaktion.
Auch Stadtspitze und Politik treibt das Thema Antisemitismus um. Am 13. Mai hat der Rat der Stadt die „Oberhausener Grundsatzerklärung gegen Antisemitismus“ beschlossen. „Wir sehen den Kampf gegen Antisemitismus als eine zentrale Aufgabe unseres demokratischen Rechtsstaates an“, heißt es in dieser Resolution. Und: „Der wachsende, offene Antisemitismus erfüllt uns mit großer Sorge. Die – wieder – immer offener zur Schau gestellten antisemitischen Ressentiments, mit denen Jüdinnen und Juden tagtäglich konfrontiert sind, sind in unserer pluralistischen Gesellschaft unerträglich.“ Zudem will die Stadt Handreichungen für Lehrkräfte zum Umgang mit dem Thema im Unterricht erstellen, 2025 eine Fachkonferenz organisieren, Schulveranstaltungen mit Referenten jüdischen und arabischen Hintergrundes fördern, Jugendbegegnungen und Diskussionsveranstaltungen initiieren. Dazu müssen die politischen Fraktionen und Gruppen im Rat die Grundsatzerklärung am 13. Mai beschließen.
Multi 2024: Jugendliche aus Saporischschja kommen nach Oberhausen
Zurück zum Jugendaustausch Multi: Die Vorbereitungen für den Besuch der Jugendlichen vom 3. bis zum 18. August laufen bereits seit Monaten. Zusagen aus zwölf Partnerländern liegen bereits vor: Estland, Polen, Ecuador, Italien, Rumänien, Griechenland, Nordmazedonien, China, Moldawien, Peru, die Türkei und die Ukraine. „Wir bekommen Besuch aus Saporischschja, das freut uns sehr“, sagt Mit-Organisator Wolfgang Heitzer. Das diesjährige Motto der Multi: „Gemeinsam für den Frieden“.
Interessierte Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren können sich immer noch für die Multi 2024 anmelden. Die Teilnahme ist kostenlos. Lediglich die Bereitschaft zur Aufnahme eines Gastes wäre wünschenswert. Die Organisatoren suchen grundsätzlich weitere Gastfamilien. Nähere Informationen: 0208-8252967.
Dieser Text erschien erstmals am 6. Mai 2024 im Portal www.waz.de/Oberhausen
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