Oberhausen. 3000 Euro zahlt man in Oberhausen im Schnitt für einen Platz im Altenheim pro Monat. Wenn man Pech hat, kommt noch viel mehr dazu.
- Es passiert ganz plötzlich: Ein Angehöriger wird zum Pflegefall und muss in ein Heim
- Die Kosten sind hoch, der Eigentanteil liegt in Oberhausen im Schnitt bei 3000 Euro
- Ein Angehöriger musste für seine Frau zudem eine hohe Kaution hinterlegen. Dafür gibt es klare Regeln
Es passiert ganz plötzlich. Um die Weihnachtstage erleidet eine Oberhausenerin einen schweren Schlaganfall. Ihr Leben können die Ärzte in der Klinik zwar retten. Doch schnell steht fest: Es wird nichts wieder, wie es war. Ihr Mann, über 80 Jahre alt, wird seine Frau zu Hause nicht versorgen können. Die Seniorin muss in ein Pflegeheim.
Und als wäre eine solche Situation nicht schon emotional schwierig genug, müssen sich die Angehörigen auch noch um Formalitäten kümmern und rechnen, ob es mit dem Geld reicht. Denn immerhin bekommt man in Oberhausen keinen Pflegeplatz unter 3000 Euro Zuzahlung im Monat. Und was die Familie erst gar nicht fassen kann: Für das Zimmer der Ehefrau, Mutter und Oma muss sie sogar eine Kaution hinterlegen. „4200 Euro extra, das ist mal ne Hausnummer“, sagt der Rentner und appelliert an andere, sich dieses Kostenfaktors bewusst zu sein. „Für den ersten Monat Pflege habe ich samt Kaution mehr als 7000 Euro gezahlt. Ich hatte Glück und genügend Geld, aber bei anderen liegt womöglich nicht so viel mal eben auf dem Konto.“
Können Altenheime eine Kaution verlangen?
Damals hat der Oberhausener den Vertrag mit der Pflegeeinrichtung, dem Oberhausener Haus Gottesdank, so hingenommen und klaglos gezahlt. Doch lange nach dem Umzug ins Heim, seine Frau ist mittlerweile leider verstorben, kommen dem Rentner Zweifel. Denn in Gesprächen mit anderen Angehörigen erfährt er: Von einer Kaution für den Pflegeplatz hat noch niemand in seinem Umfeld etwas gehört, obwohl viele der Befragten ebenfalls Angehörige in einem Altenheim untergebracht haben.
Und tatsächlich: In Oberhausen ist eine Kaution eher unüblich. Zwar wollten nicht alle Einrichtungen auf unsere Frage nach der Kaution antworten. Aber ein Großteil erklärte auf Nachfrage, für ein Zimmer in der stationären Pflege keine Kautionszahlung zu verlangen – darunter große Träger wie der Betreiber Ameos und die Alteneinrichtungen der Stadt Oberhausen (ASO), aber auch kleinere Häuser wie das Vincenzhaus oder das Haus Katharina. Einzig das Haus Gottesdank bestätigt auf Nachfrage, in bestimmten Fällen tatsächlich eine Kaution in den Verträgen fest verankert zu haben.
Und Einrichtungsleiterin Martina Herrmann erklärt auch, warum: „Es gibt Fälle, da ziehen neue Bewohner bei uns ein, aber die Finanzierung ist noch nicht geklärt.“ Beispielsweise, wenn die Betroffenen auf die Unterstützung der Sozialhilfe angewiesen sind oder wenn nach einem Krankenhaus-Aufenthalt alles ganz schnell gehen muss. So war es auch im konkreten Fall. „Unser Haus müsste dann in Vorleistung gehen, was wirtschaftlich hochriskant ist.“ Martina Herrmann hat die Erfahrung gemacht, dass es bis zu sechs Monate dauert, bis der Sozialhilfeträger, also in diesem Fall die Stadt Oberhausen, entsprechende Anträge geprüft hat. „Im schlimmsten Fall droht Heimen die Insolvenz, wenn sie zu lange in Vorkasse treten.“
Warum geraten Altenheim wegen der Pflegekosten unter Druck?
Die Leiterin des Hauses Gottesdank erinnert sich an einen extremen Fall: Im Frühjahr 2017 zog eine damals 93-Jährige ins Haus Gottesdank ein. Der Sohn der Frau verhielt sich vorbildlich, zahlte pünktlich die Rechnungen und besuchte seine Mutter regelmäßig. Doch plötzlich riss der Kontakt ab, Zahlungen blieben aus. Nachforschungen ergaben: Der Mann war nach einer Operation ins Koma gefallen.
Ende 2017 ist die Bewohnerin verstorben, der Rückstand der Pflegerechnungen betrug laut Herrmann inzwischen knapp 9000 Euro. Und der Sohn blieb nicht ansprechbar. Es folgte ein jahrelanger Behörden-Marathon, bei der Stadt Oberhausen, bei Banken, dem Amtsgericht, bei Anwälten. Letztlich gelang es über die Bezirksregierung Düsseldorf, zumindest einen großen Teil der Rückstände zu erhalten - viereinhalb Jahre nach dem Tod der Bewohnerin.
Kaution fürs Altenheim: Das sagt die Verbraucherzentrale
„Im Frühjahr 2023 haben wir uns zu der Möglichkeit einer Sicherheitsleistung entschlossen, so dass zumindest unser Risiko verringert wird“, erklärt die Heimleiterin. Aktuell gibt es laut Herrmann derzeit fünf Bewohner, bei denen die Finanzierung des Heimplatzes noch unklar ist.
Das Oberhausener Haus Gottesdank steht mit der Kautions-Politik bislang noch weitgehend alleine da, der Großteil der Oberhausener Einrichtungen verzichtet auf die Sicherheitsleistung und trägt das Risiko alleine. Dabei warnen Verbände schon lange vor dem steigenden Kostendruck für Pflegebetriebe. Vor allem kleinere Pflegedienste, aber eben auch ganze Häuser geraten deutschlandweit immer öfter in Schieflage.
Auch der Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB) als Trägerverband privater Pflege-Unternehmen schlägt Alarm: „Die Zahl der Insolvenzen und Geschäftsaufgaben steigt. Diese Entwicklung ist in vielen Fällen auf eine toxische Mischung von stark verzögerter Refinanzierung der Kosten und sinkender Auslastung aufgrund des Pflegekräftemangels zurückzuführen.“
Doch was den Einrichtungen womöglich hilft, erhöht den Druck bei den Pflegebedürftigen, wie in dem Fall des Oberhauseners, der im ersten Monat für die Pflege der Ehefrau mehr als 7000 Euro zahlen musste.
Die Verbraucherzentrale rät daher dazu, Verträge mit Alten- und Pflegeheimen genau zu prüfen. Denn es gibt klare Regeln bei der Kaution, in vielen Fällen ist sie unzulässig. So muss jemand, der Leistungen der Pflegekasse oder eines Sozialhilfeträgers erhält, nach Angaben der Verbraucherschützer keine Sicherheitsleistung hinterlegen. Von Privatzahlern könne das Pflegeheim dagegen eine Sicherheitsleistung einfordern. Sie darf das doppelte Monatsentgelt nicht übersteigen und muss auch nicht auf einen Schlag gezahlt werden. Der Betrag kann entweder in drei Monatsraten beglichen werden oder durch eine Bankbürgschaft.
Und was könnte beide Seiten entlasten? „Das wird die Stadt nicht gerne hören, aber sie müsste als Sozialhilfeträger in Vorleistung treten, wenn Anträge noch geprüft werden“, sagt Martina Herrmann. „Das belastet zwar die Kommune, entlastet aber die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen.“
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