Oberhausen. Mit Kopfhörer wird der Ausstellungs-Hit „Hipgnosis. Breathe“ zur Party: Die Songliste führt nicht nur Superstars, sondern auch vergessene Bands.
Ihre erste „Köpfhörerparty“ hatte die Ludwiggalerie schon vor fünf Jahren gezündet: Zur knallbunten Ausstellung „British Pop Art“ hatten Linda Schmitz und Natascha Kurek als Volontärinnen die zündende Idee, die Besucher - mit Popsongs der Sixties auf den Ohren - durchs Schloss Oberhausen tänzeln zu lassen. Natürlich gab‘s einen kongenialen „Soundwalk“ auch zur Ausstellung aus dem fotografischen Oeuvre von Linda McCartney - und zwar nicht nur mit Songs ihres Gatten Paul. Selbst die „Hollywood Icons“ mit glamourösen Studio-Aufnahmen der 1940er bis 1960er Jahre beglückte mit einer passenden Songauswahl von Musical-Evergreens.
17 Songs für 74 sphärische bis kernig rockende Minuten mit Popmusik der 1970er Jahre
Für eine Erfolgs-Ausstellung, die sich dem Schaffen jener Grafik-Agentur widmet, die fast ausschließlich Plattencover gestaltete und damit die barocke Glanzzeit der Hüllen-Kunst quasi im Alleingang definierte, ist ein Soundwalk geradezu ein „Muss“. Diesmal stellte Sarah Hülsewig als Kuratorin von „Hipgnosis. Breathe“ für die Ludwiggalerie sogar einen „Soundwalk plus“ zusammen: Neben 17 Songs für 74 sphärische bis kernig rockende Minuten mit Popmusik der 1970er Jahre lassen sich auch neun Tracks eines klassischen Audioguides anklicken mit erklärenden Texten der Kunsthistorikerin. Schließlich hatte schon Hipgnosis-Fotograf Aubrey Powell seinem Publikum in der Ludwiggalerie wie im Lichtburg Filmpalast deutlich gemacht: Zu jeder der rund 400 fantastischen Fotomontagen aus den Hipgnosis-Jahren von 1967 bis 1984 ließe sich eine amüsante bis bizarre Anekdote erzählen.
Und die Musik? Die muss einfach mit drei Titeln von Pink Floyd loslegen. Schließlich sind die Band aus Cambridge und ihre Design-Kompagnons Aubrey „Po“ Powell und Storm Thorgerson in verblüffend parallelen Karrieren groß geworden - um sich anfangs der 1980er gründlich zu verkrachen. Und die so berühmte wie untypische Hipgnosis-Grafik des Prismas auf schwarzem Grund variiert der Entree-Saal im Schloss Oberhausen in poppigen Variationen vom Joan Miró-Klon bis zur cleveren Roy Lichtenstein-Kopie. Versteht sich, dass dazu „Breathe“ als Titelsong der Ausstellung dem Hörer schmeichelt. „Another Brick in the Wall“ gibt‘s auch, obwohl Album wie Film „The Wall“ eigentlich der Geniestreich des Cartoonisten Gerald Scarfe sind. Und an den bitterbösen Strich des heute 87-Jährigen reichen auch die satirischen Hipgnosis-Collagen nicht heran, wenn‘s um Gift und Galle geht.
Da ist man - nach einer feinen Soundwalk-Dosis Led Zeppelin - auch schon beim internationalen Debüt von AC/DC in der ersten Schloss-Etage: „Dirty Deeds Done Dirt Cheap“ ist ein schmuddeliger Slogan zu einem dreckigen Rocksong. Und der liebenswürdige „Po“ setzte dafür 1976 eine Kollektion von Los Angelenos ins Bild: den Leder-Rocker, die alte Dame mit einer edlen Brosche, den dubiosen Typen im dreiteiligen Anzug, dazu einen schüchtern nach unten blickenden Dobermann. Und alle tragen schwarze Balken über den Augen (nur nicht der Dobermann). Wie die Designer mit zarter Provokation den damals noch skandalösen Hardrock visualisierten, ist wohl der vergnüglichste Teil des Soundwalks: So gibt‘s überraschende Begegnungen mit „Jump on it“ von Montrose, „It isn‘t Rock‘n‘Roll“ von den Pretty Things und Black Sabbaths „Never Say Die“.
Lange vor Photoshop war jeder Stunt beängstigend echt
Doch das eigentliche Hipgnosis-Metier blieben jene Bands des Progressive Rock, die sich im Gefolge von Pink Floyd der orchestralen Klassik annäherten und die Folklore der britischen Inseln als Quell ihrer Klänge entdeckten: Der Strawbs-Song „New Beginnings“ ist so eine Wieder-Entdeckung. Und für das Cover eines in einer einsam platzierten Telefonzelle voller Wasser zum Hörer Tauchenden wäre ein Freund der Hipgnosis-Gang fast ertrunken: Lange vor Photoshop war eben jeder Stunt beängstigend echt.
Echt war sogar der Butler auf der Cover-Rückseite für „House on the Hill“ von Audience: Vorne posiert ein fein gekleidetes Paar im eleganten Salon, hinten schleift das Personal eine Leiche in den Keller. Sooo makaber hat sich die heute vergessene Artrock-Band gar nicht angehört. Den Kehraus dieses ungemein abwechslungsreichen Soundwalk übernimmt als 17. Song-Track ein weiterer Stammkunde von Hipgnosis: „Year of the Cat“ war mit Platin-gekrönten Millionenverkäufen das erfolgreichste Album des schottischen Barden Al Stewart, der mit sanft-betörender Stimme als Meister der vertonten Geschichtsbücher gelten darf. Seine sechsminütige Ballade führt stilsicher ins Ziel einer Zeitreise in die von vielen noch als staunende Schallplattenkäufer selbst erlebte goldene Ära der LP.
Nicht nur als Soundwalk: Songs von Pink Floyd live mit „Floydbox“
Für die bis zum 20. Mai geöffnete Ausstellung „Hipgnosis. Breathe“ in der Ludwiggalerie gibt sich auch Oberhausens hochkarätige Coverband „Floydbox“ die Ehre und spielt am Freitag, 26. April, um 19 Uhr im Schloss Oberhausen. Einen eigenen Katalog hat die Ludwiggalerie nicht aufgelegt - denn zu Hipgnosis ist die Zahl der Bildbände bereits Legion.
Der Eintritt ins Schloss Oberhausen kostet 8 Euro, ermäßigt 4 Euro, für Familien 12 Euro. Die Gebühr für den Soundwalk beträgt 3 Euro; online informiert ludwiggalerie.de