Oberhausen. Ihr Foto-Surrealismus auf Millionen LPs machte die Agentur Hipgnosis unsterblich. Im Schloss Oberhausen gibt‘s die Motive riesengroß
Der zurückhaltend-selbstbewusste Brite mit dem gepunkteten Halstuch platziert seine Bonmots lässig aus dem Handgelenk: „Im Rock-Business war Geld kein Thema“, meint Aubrey Powell vor jener Phalanx poppig bunter Prismen, die sein berühmtestes Werk „The Dark Side of the Moon“ variieren. Über 400 Plattenhüllen hat Hipgnosis, die Design-Agentur von „Po“ und seinem kongenialen Partner Storm Thorgerson (1944 bis 2013) in den anderthalb Jahrzehnten ihres Bestehens gestaltet. 100 Prints (und einige an den Rändern sichtlich abgeliebte LP-Cover) sind jetzt in der grandiosen Ausstellung „Hipgnosis. Breathe“ zu bewundern.
Die Wirkung ist so surreal wie die Kunst der „hippen“ Gnostiker. Als wäre man selbst geschrumpft und wandere staunend durch den eigenen Plattenschrank: So überwältigend wirkt nicht nur der riesige Druck des „Animals“-Covers mit der gewaltigen Kraftwerks-Kulisse der Battersea Power Station, zwischen den Schloten schwebend das pinke Ballon-Schweinchen. „Vier Musiker, vier phallische Schlote“, so brachte der heute nur noch wirrköpfige Roger Waters als damaliger Bandleader das grafische Konzept auf den Punkt.
Die kreativ-geschäftliche Allianz zwischen den Plattenmillionären von Pink Floyd und ihren Designern aus der Denmark Street in Soho bestand bis zum vorläufigen Ende der Band - und fast zeitgleich der Agentur. Allerdings galt bei den zerstrittenen Herren Waters, Wright, Gilmour und Mason nie, was der freundliche Aubrey Powell über das Album „Elegy“ von The Nice zum Besten gab: „Unser Cover bekam ausführlichere Kritiken als das Album!“ Dennoch wurde der Auftrag, dieses Live-Album zu illustrieren, für Powell und Thorgerson zum Schlüsselerlebnis: Eine sich zum Horizont hin verlierende Reihe roter Bälle wollten sie unbedingt in Dünen der Sahara ins Bild setzen - und die verwegenen Designer bekamen 1971 tatsächlich ihr Budget. „Sowas hatte es noch nie gegeben.“ Aubrey Powell beschwärmt das „magische Licht“ in der Wüste - und tarnt damit pflichtschuldig pompöses Spesenrittertum.
Mit Schaf und Psychiater-Couch nach Hawaii
Auch das ist praktizierter Surrealismus: Für das 10cc-Album „Look Hear?“ ging‘s eigens nach Hawaii: mit Schaf und einer ledernen Psychiater-Couch. Schließlich gab‘s nur im Pazifik jene tosenden Wogen, die im Hintergrund gegen das genügsame Tier anbranden. „Po“ legt Wert auf die Feststellung, dass der wollige Rasenmäher gut behütet unter tierärztlicher Aufsicht stand. Mit seinen eigenen Kindern ging der Fotograf für das spektakuläre „Houses of the Holy“-Album von Led Zeppelin härter um: Tagelang kratzelten sie im unbarmherzigen irischen November nackt auf den skurrilen Basaltfelsen des „Giant‘s Causeway“ - bis aus zahlreichen Einzelaufnahmen eine handcolorierte Collage entstand, wie maßgeschneidert für mystische Songs vom Kaliber „No Quarter“.
Die tage- bis wochenlange Arbeit an der perfekten Verwirklichung einer meist bizarren Idee „hat uns Geduld gelehrt“, meint Aubrey Powell. Heute sei er dankbar für die „digitale Welt“ und ihre sekundenschnellen Kniffe. Aber eigens einen Stuntman für ein bizarres Shakehands in Flammen zu setzen, erzeuge eben kreative Spannung, die Fotoshop-Tricksereien komplett abgehen würde. Für eine solch wahnwitzige Idee, die zu einem guten Teil zur Unsterblichkeit des „Whish you were here“-Albums beiträgt, durfte sich zumal der kreative Feuerkopf Storm Thorgerson fast alles erlauben - selbst rabiaten Umgang mit seiner millionenschweren Kundschaft.
Nur Paul McCartney hat sogar Hipgnosis ausgetrickst
Eigentlich gab‘s nur einen, der sogar Hipgnosis austrickste - und der in der Ludwiggalerie bereits ausgiebig zu sehen war: Paul McCartney, Ehemann der brillanten Rock-Fotografin Linda McCartney, ließ sich für die Bestseller-Alben seiner 1970er-Jahre-Band Wings stets Entwürfe aus der Denmark Street vorlegen - und hatte dann „eine eigene Idee“. Für den Ex-Beatle „waren wir nur als Art Direktoren tätig“, konstatiert Aubrey Powell keineswegs verdrossen. Immerhin ist das ins riesenhafte vergrößerte Foto der fünf Wings-Musiker in der kalifornischen Wüste ein weiterer Blickfang in der Beletage der Ludwiggalerie. Noch größer sind nur die Schwarz-Weiß-Porträts der Rolling Stones, die „Po“ und Co. für „Goat‘s Head Soup“ in Zentauren verwandelten: eine der leichtesten Übungen für Hipgnosis.
Begleitprogramm startet mit der Filmdoku „Squaring the Circle“
Für die von der Berliner Browse Gallery übernommene Ausstellung, kuratiert von Sarah Hülsewig, stemmt die Ludwiggalerie vom 21. Januar bis 20. Mai ein angemessen üppiges Begleitprogramm. Erstes Highlight ist bereits am Eröffnungs-Sonntag um 12 Uhr die Vorab-Aufführung von „Squaring the Circle“: Anton Corbijns Dokumentation ist dann deutschlandweit zum ersten Mal in der Lichtburg zu sehen - und Aubrey Powell wird für Fragen und pointierte Antworten dabei sein.
Natürlich gibt sich auch Oberhausens hochkarätige Coverband Floydbox die Ehre und spielt am Freitag, 26. April, um 19 Uhr im Schloss Oberhausen. Einen eigenen Katalog hat die Ludwiggalerie nicht aufgelegt - denn zu Hipgnosis ist die Zahl der Bildbände bereits Legion. Den vollständigsten Überblick gibt „Vinyl • Album • Cover • Art: Hipgnosis – das Gesamtwerk“, herausgegeben von Aubrey Powell, erhältlich für 35 Euro, natürlich auch im gut bestückten Museumsshop.